Heute morgen hörte ich im Deutschlandfunk ein Interview
mit dem Reeder Matthias Heith von der Hamburger Reederei Blumental, in dem es um zahlreiche Berichte ging,
nach denen Schiffe auf Notrufe von Flüchtlingsbooten einfach nicht
reagierten oder sie einfach links liegen ließen, wenn sie sie gesehen
hatten, obwohl sie selbstverständlich verpflichtet waren, die Flüchtlinge zu
retten.
Ob das ganze einen konkreten anlaß hatte, habe ich gar nicht
mitbekommen, aber man hat ja schon so manches mal davon gehört, daß viele
Flüchtlinge auf ihren gefährlichen Überfahrten ins „gelobte Europa“
ertrunken sind. Immer wieder verweigern offensichtlich Regierungen den
Schiffen, die Flüchtlinge an land gehen zu lassen. Und auch um die, die
schließlich an Land gelangen, wird sich oft nicht gekümmert. Immer häufiger
sickern Beschreibungen der Zustände in Flüchtlingslagern durch, die alles
andere als menschenwürdig sind. Ich stelle mir ein Banner am Hafen vor, auf
dem steht: „Humanitäre Hilfe muß man sich leisten können“, denn so verhalten
sie sich: diejenigen, die die Flüchtlinge nicht aufnehmen wollen, aber auch
die, die meinen, sich eine Wartezeit im Hafen nicht leisten zu können, bis
geklärt ist, wohin mit den Flüchtlingen. Ich finde es ein fast
unvorstellbares Unding, daß Menschen an Flüchtlingsbooten vorbeifahren und
sich denken: „hab ich lieber nicht gesehen, sonst krieg ich am Hafen wieder
Scherereien.“ Andererseits machen betroffene kleinere Reedereien vermutlich
wirklich ernsthaft Verlust, wenn sie so lange warten müssen und Termine
nicht einhalten können. Das wiegt keine Menschenleben auf, aber man muß eher
bei den Regierungen der Länder einhaken, die die Flüchtlinge nicht
aufnehmen, statt in erster Linie die Kapitäne der Schiffe zu verurteilen,
obwohl natürlich die Verantwortung bei jedem einzelnen Kapitän liegt und er
auch mit der Schuld klarkommen muß, die er auf sich lädt, wenn er sich von
der Not der Flüchtlinge abwendet. Aber alle, wie sie da sind, können sich
das nur leisten, weil die Flüchtlinge nie for unsere Haustür gelangen
werden, in unsere reichen, gesegneten Länder. Und ich frage mich immer
wieder, nachdem immer mehr Flüchtlinge weit vor der Erfüllung ihrer träume
hoffnungslos stranden, warum sie immer noch glauben an das Märchen vom
„gelobten Land Europa“. Was träumen sie? Was stellen sie sich vor? Man
möchte esfür Naivität halten, doch dann muß man sich nur vor augen führen,
wie viele auch in unserem Land an die große Erfüllung und den unermeßlichen
Reichtum durch Spekulationen an der Börse glauben. Auch sie müßten es längst
besser wissen. Zu viele sind auf diesem Weg schon arm geworden und haben
alles verloren. Und auf jeden Fall ist mit Sicherheit nicht das Gros der
Anleger reich geworden. Also warum sollten Menschen in anderen Ländern nicht
solche irrwitzigen Träume haben? Nur, daß hier eben niemand wegen
Fehlspekulationen ertrinkt, hungert, verfolgt wird. wie lange werden wir uns
noch leisten, von anderen, ärmeren Ländern zu profitieren und ihre
Flüchtlinge auf hoher See oder in Flüchtlingscamps vor sich hinschimmeln zu
lassen? 3000 Menschen, so die spanische Polizeigewerkschaft, seien in den
ersten neun Monaten des Jahres 2006 ertrunken geborgen worden. Vor Spanien
und den kanarischen Inseln. Können wir uns überhaupt vorstellen, welche
Ausmaße das weltweit ergibt?
Aber die maßgeblichen Politiker und Wirtschaftsschaffenden brauchen sich
diese Gedanken nicht zu machen – noch nicht. Noch stehen sie, die
Flüchtlinge, nicht vor ihrer Haustür. Fragt sich nur, was wir tun können?
Du? ich? Ich kann nur hoffen, daß ich mit diesem Beitrag den einen oder die
andere auf das Thema aufmerksam gemacht habe, denen mehr dazu einfällt als
mir.