Den folgenden Beitrag zur Bundestagswahl habe ich am 21.08.2009 geschrieben und auf ohrfunk.de in der Sendung „17-20, der Soundtrack zum Tag“, veröffentlicht.
Vor Wahlen können oft die Parteien am meisten Punkten, die dem Bürger Entlastung von Steuern versprechen. Dass eine generelle Steuerentlastung eigentlich nicht möglich ist, wird oft übersehen. Irgendwo muss das Geld ja herkommen, das der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt. So ist ein Versprechen zur Steuersenkung oft mit mehr Staatsschulden oder mit einem Abbau staatlicher Leistungen verknüpft. Deswegen lohnt es sich, die Wahlprogramme der Parteien im Hinblick auf die Steuern einmal unter die Lupe zu nehmen.
Die einzige Partei, die wirklich Steuererleichterungen für viele Bürger durchführen will, ist die FDP. Sie will drei feste Steuersätze von 10, 25 und 35 % einführen. Unternehmen sollen nur entweder 10 oder 25 % Steuern zahlen. Alle Bürger würden nach dem Willen der FDP einen Freibetrag von 8004 Euro pro Jahr erhalten, auf den also keine Steuern anfallen. Das ist genau der Satz, der ab Januar 2010 gelten wird. Wer genauer nachliest stellt zudem fest, dass die FDP praktisch alle Ausnahme- und Härtefallregelungen im Steuerrecht abschaffen will.
Alle anderen Parteien spielen mit den Zahlen, sie verteilen um, und irgendwie auch wieder nicht. Alle wollen sie eine Vereinfachung des Steuersystems, aber niemand bekommt es so richtig hin. Da ist die Union, die keine Steuererhöhungen will. Der Steuersatz für Geringverdiener soll von jetzt 14 auf 12 Prozent gesenkt werden. Die Einkommensgrenze, ab der Gutverdiener den Spitzensteuersatz von derzeit 42 % zahlen müssen, soll von 52552 auf 60000 Euro angehoben werden. Im Klartext: die Geringverdiener erhalten eine geringe Erleichterung, und wesentlich mehr Besserverdienende werden entlastet. Außerdem will die Union die Unternehmens- und Erbschaftssteuer gegebenenfalls anpassen.
Interessanterweise verfahren die Grünen und die Linkspartei nach einem ähnlichen Prinzip, zugegeben mit teilweise anderer Gewichtung. Die Grünen wünschen eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes um 3 auf 45 Prozent, aber die Einkommensgrenze, ab der dieser Steuersatz gelten soll, soll ebenfalls angehoben werden, was den Effekt wieder aufhebt. Zugegeben: Bezieher hoher Einkommen sollen mehr am Erbschaftssteueraufkommen beteiligt werden als bislang, aber dies ist eine sehr vage Formulierung ohne konkrete Zahlen. Die Idee, eine Finanzumsatzsteuer einzuführen, ist zwar ebenfalls nur vage formuliert, ist aber interessant. Damit würden Kapital- und Börsengeschäfte besteuert, möglicherweise handelt es sich dabei um ein geeignetes Mittel gegen kurzfristige Börsenspekulationen.
Eine solche Steuer verlangen übrigens auch SPD und Linkspartei. Außerdem sprechen sich die Linken für eine Millionärssteuer von 5 Prozent und hohe Steuern auf Erbschaften, Konzerneinkünfte und besonders hohe Einkommen aus. Aber auch hier soll zwar der Spitzensteuersatz angehoben werden, und zwar gleich auf 53 Prozent, doch auch dieser Satz soll erst ab einem Einkommen von 65000 Euro gelten. Bei einer so großen Steuererhöhung ist dies aber möglicherweise gerechtfertigt, um den Mittelstand nicht so stark zu belasten. Übrigens sind die Linken die einzige Partei, die sich dafür ausspricht, dass mehr Waren und Dienstleistungen statt mit den üblichen 19 Prozent nur mit 7 Prozent Mehrwertssteuer belegt werden. Auch das würde natürlich die breite Masse der Bürger entlasten. Man könnte sagen, dass sich die Linkspartei besonders entschieden für die Bezieher niedriger Löhne oder staatlicher Leistungen einsetzt.
Allerdings lässt sich hier die SPD auch nicht lumpen. Sie kommt nicht mit einem völlig neuen Steuersystem, aber die Geringverdiener werden auch bei ihr entlastet. Der Eingangssteuersatz soll nach dem Willen der Sozialdemokraten auf 10 Prozent gesenkt werden. Der Spitzensteuersatz soll angehoben werden und ab 52882 Euro gelten, also ungefähr wie bereits heute. Um wieviel der Steuersatz angehoben werden soll, erfahren wir allerdings nicht. Um das Steuerverfahren zu vereinfachen versprechen die Sozialdemokraten übrigens jedem 300 Euro Lohnsteuerbonus, der mit einer einfachen Postkarte ans Finanzamt auf eine Steuererklärung verzichtet. Generell hält die SPD Steuersenkungen allerdings für unrealistisch und sagt dies auch ganz offen. Wenigstens im Wahlkampf besinnt sich die SPD hier auf ihre alten Stärken.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der große Wurf niemandem gelingt. Alle, von der FDP abgesehen, wollen kleine Änderungen durchführen, jeder Bürger muss allerdings für sich selbst ausrechnen, ob es ihm wirklich etwas bringt. Es ist Einfach, Steuersenkungen zu versprechen, indem man den Steuersatz senkt. Der Teufel steckt allerdings im Detail, denn man muss ja berücksichtigen, ob die Einkommensgrenze für bestimmte Steuersätze verändert werden soll. Oft handelt es sich lediglich um eine Umverteilung, von der die meisten Bürger nichts merken. Und der Vereinfachungsvorschlag der FDP kann, so verlockend er auch klingt, nur mit einem Abbau staatlicher Leistungen oder Vergünstigungen erkauft werden. Und davon profitieren nur die Menschen, die keine Vergünstigungen brauchen.
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Autor: Jens Bertrams
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