Stoppt schwarz-gelb – mein persönlicher Wahlaufruf

Nein, ich bin nicht der Bundespräsident; Ich bin nur ein Mensch, der Angst um seine Zukunft hat. Ich sage und schreibe dies hier, gerade weil ich das Gefühl habe, dass es so nicht weitergehen kann, wie es jetzt ist in unserem Land. Ich schreibe es, weil ich befürchte, dass uns zukünftig die regieren, die noch härter gegen Arbeitslose vorgehen, die unter Berufung auf die Finanzkrise die Nachteilsausgleiche abbauen, und die uns abhören und bespitzeln werden. Ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die sich resigniert mit der jetzigen Situation abgefunden haben und glauben, dass sie ohnehin nichts ändern können. Und genau deshalb habe ich Angst. Denn, so schrieb es Bertold Brecht einmal: „Es wird kämpfen für die Sache des Feindes, wer für seine Eigene nicht gekämpft hat.“

Ich möchte Sie nicht mit den üblichen Reden der Politiker vor den Wahlen langweilen. „Tun Sie etwas für unsere Gemeinschaft, für unser Land, Sie sind der Souverän, es ist ein Tag, an dem Sie Ihr staatsbürgerliches Recht ausüben…“ Das sagen die Richtigen, nämlich die, die sich nachher kein Bisschen um den Wählerwillen kümmern. Hauptsache, sie bleiben an der Macht. Aber nicht nur trotzdem, sondern gerade deshalb werde ich zur Wahl gehen. Was hat uns denn diese aus der Not geborene Bundesregierung gebracht? Die Mehrwertssteuer wurde erhöht, unsere Telefon, E-Mail- und Internetdaten werden gespeichert, mit der zentralen und einheitlichen Steuernummer werden die kleinen Steuersünder erwischt, den Großen gibt man Millionenabfindungen. Opel wird in der Finanzkrise medienwirksam vor der Wahl gerettet, nur um dann doch tausende von Stellen abzubauen. Wir führen Krieg in Afghanistan und gehen erst mit 67 in Rente. Es wird über eine Senkung der Hartz-IV-Bezüge nachgedacht, und das Präkariat, die Armen in Deutschland, hat man auch schon entdeckt. Die CDU und die FDP versprechen für die Zeit nach der Wahl Steuererleichterungen, während das Schuldenloch schon jetzt kaum noch zu stopfen ist. Und wer hätte etwas davon? Die, die es nötig haben und ohnehin schon kaum Steuern zahlen? Nein, sondern die, die bereits jetzt so viel verdienen, dass es ins Gewicht fällt. Was den Menschen ohne Arbeit oder in den Billigjobs tatsächlich helfen würde, wäre ein Mindestlohn und die Erhöhung des Arbeitslosengeldes II.

Wahlen, das muss man leider erkennen, sind die einzige Möglichkeit, wirklich in diesem Land etwas zu verändern. Die etablierten Parteien bügeln inzwischen schamlos Petitionen ab, die mit hunderttausenden von Stimmen beantragt wurden. Daher gibt es nur diese eine Möglichkeit. Wer nicht wählt, der unterstützt das jetzige Verhalten der Politiker, sie müssen nichts ändern und bleiben an der Macht. Wenn wir schon der Souverän sind, dann sollten wir es auch ganz bewusst sein. Nehmen wir doch die Sprüche ernst und überlegen uns, ob wir mit der derzeitigen Bundesregierung zufrieden sind oder nicht. Wenn ja, dann können wir CDU und SPD unsere Stimme geben. Wenn nicht, dann müssen wir dafür sorgen, dass andere Parteien, die unsere Anliegen mehr vertreten, stark sind im neuen Bundestag. Viele werden sagen, dass kleine Parteien immer klein bleiben und nicht gewählt werden können, weil es nichts bringt. Aber das ist eine selbsterfüllende Prophezeihung. Jeder, der sich von diesem Gedanken löst, hilft, dass die kleinen Parteien größer werden. Eine geringe Wahlbeteiligung hilft nur denen, die Leute mobilisieren können. Und wer kann das? Die, die Angst vor Veränderung haben. Daher ist es so wichtig, zu wählen.

SPD, CDU und FDP sagen alle übereinstimmend, dass sie die Sicherheitsgesetze weiterhin verschärfen wollen, und inzwischen munkelt man auch, dass es nach der Wahl bei den Sozialausgaben massive Einschnitte wegen des Schuldenlochs geben soll. Was kann man dagegen tun? Man kann Parteien wählen, und zwar massenhaft, die sich für den Erhalt der Bürgerrechte einsetzen, die das soziale Netz erhalten wollen, die gerade in Zeiten der Not die Sozialausgaben erhöhen wollen. Es gibt Parteien, die den Frieden wollen und unsere Computer und Telefongespräche weder abhören noch ausspionieren möchten. Natürlich werden auch diese Parteien nicht alles richtig machen, denn sie werden von Menschen geleitet. Wer Macht erhält, ist leichter verführbar, und deswegen kann Demokratie auch nur Herrschaft auf Zeit sein. Beenden wir die Zeit der jetzt herrschenden, wenn wir mit ihnen wirklich so unzufrieden sind, wie es scheint, wenn man das allgemeine Jammern in Deutschland hört. Ziehen wir die Konsequenzen und nutzen die einzige reale Macht, die wir haben!

Ich selbst habe Angst vor der Zukunft. Ich befürchte, als Arbeitsloser und blinder Mensch durch das immer löchrigere soziale Netz zu fallen, wenn die Marktradikalen die Macht erhalten. Ich befürchte, am Rand der Gesellschaft zu stehen, wenn es für behinderte Menschen keinen Nachteilsausgleich mehr gibt. Ich kann und werde mich nicht in eine Ecke setzen und zuschauen, wie mir eine lebenswerte Lebensgrundlage Stück für Stück genommen wird. Ich werde mich wehren, indem ich nach jedem Strohhalm greife. Wenn es Ihnen ähnlich geht, dann bitte ich Sie: Gehen Sie wählen. Und bitte: Wählen Sie nicht aus reinem Protest rechtsradikale Parteien um unsere heutige Regierung abzustrafen. Nicht nur würden Sie den Regierenden einen guten Vorwand für noch strengere Sicherheitsgesetze geben, Sie würden auch die Kräfte stärken, die vollkommen menschenverachtend, grausam und intolerant sind. Mit einer solchen Wahl helfen Sie niemandem, am wenigsten sich selbst. Wählen Sie eine demokratische Partei, schauen Sie in die Wahlprogramme oder lassen Sie sich beim Wahlomaten unter www.wahl-o-mat.de auf einfache Weise beraten. Ich bitte Sie: Geben Sie nicht auf und gehen Sie zur Wahl. Vielen Dank.

© 2009, Jens Bertrams

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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7 Antworten zu Stoppt schwarz-gelb – mein persönlicher Wahlaufruf

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  2. tilly sagt:

    Blödsinn, was für einen Sinn sollte es für eine Gesellschaft haben, blinde Arbeitslose über Gebühr zu unterstützen?!? Die müssen in Lohn und Brot. Nur wer tatsächlich nicht arbeiten kann, der muß gestützt werden. Das widerspricht nicht den Thesen von CDU, SPD oder FDP. Aber: diejenigen, die arbeiten, also die Leistungsträger und damit die tragende Säule der Gesellschaft, und davon leben müssen, sollen das auch können. Deshalb Steuern runter, damit die mehr konsumieren können, damit die Wirtschaft wieder ankurbeln und obendrein noch was für ihre Rente zurücklegen können. Und nicht beim Hausbau fast pleite gehen. Und auch nicht zu Bittstellern des Staates werden, der sie dazu macht und dafür hier scheinbar auch noch Beifall erntet! Weniger Staat ist mehr. Wenn’s sozial zugeht. Alle, die das anders sehen, wollen sich nur auf ihrer faulen Haut und den Staatsalmosen ausruhen und lassen sich dadurch entmündigen. Selbst schuld. Wenn man mir die Chance gibt, vernünftig für mich selbst sorgen zu können, habe ich keine Angst vor der Zukunft. Im Gegenteil! Ich werde ja sogar motiviert, für mich zu denken und zu planen. Da hat der Staat weniger zu tun. Und ich weiß für wen ich’s tue! So wird ein Schuh draus!

  3. tilly sagt:

    Blödsinn, was für einen Sinn sollte es für eine Gesellschaft haben, blinde Arbeitslose über Gebühr zu unterstützen?!? Die müssen in Lohn und Brot. Nur wer tatsächlich nicht arbeiten kann, der muß gestützt werden. Das widerspricht nicht den Thesen von CDU, SPD oder FDP. Aber: diejenigen, die arbeiten, also die Leistungsträger und damit die tragende Säule der Gesellschaft, und davon leben müssen, sollen das auch können. Deshalb Steuern runter, damit die mehr konsumieren können, damit die Wirtschaft wieder ankurbeln und obendrein noch was für ihre Rente zurücklegen können. Und nicht beim Hausbau fast pleite gehen. Und auch nicht zu Bittstellern des Staates werden, der sie dazu macht und dafür hier scheinbar auch noch Beifall erntet! Weniger Staat ist mehr. Wenn’s sozial zugeht. Alle, die das anders sehen, wollen sich nur auf ihrer faulen Haut und den Staatsalmosen ausruhen und lassen sich dadurch entmündigen. Selbst schuld. Wenn man mir die Chance gibt, vernünftig für mich selbst sorgen zu können, habe ich keine Angst vor der Zukunft. Im Gegenteil! Ich werde ja sogar motiviert, für mich zu denken und zu planen. Da hat der Staat weniger zu tun. Und ich weiß für wen ich’s tue! So wird ein Schuh draus!

  4. Christiane sagt:

    Ich muss Tilly da in Teilen zustimmen. Was in Deutschland fehlt, sind gute Massnahmen, Leute in Lohn und Brot zu bringen und nicht die Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Die Zeiten, in denen behinderte Menschen von Allmosen leben, sind wirklich vorbei. Dann ist auch für die Leute, die wirklich nicht arbeiten können, genug Geld da.
    Ich bin absolut gegen die 1-Euro-Jobs. Die vernichten Arbeitsplätze statt welche zu schaffen. Es muss ein Mindestlohn her und die Krankenkassenkosten müssen runter, damit sich mehr Leute selbstständig machen können ohne jeden Monat erstmal 300 Euro an Krankenkasse löhnen zu müssen ohne einen Pfennig zu verdienen. Ich bin nicht für Steuersenkungen – wer verdient kann auch Steuern zahlen – aber für die Senkung der Lohnnebenkosten, denn das macht Deutschland als Standort immer unattraktiver und dadurch gegen Arbeitsplätze verloren. Und ich bin dafür, dass für behinderte Menschen der Steuerfreibetrag abgeschafft wird (da profitiert ja derzeit eh nur eine Minderheit von) und in ein Geld a la Blindengeld umgewandelt wird und zwar für alle. Damit ist der Mehraufwand für alle ausgeglichen. Gleichzeitig muss der Zugang zur Arbeit für behinderte Menschen leichter werden. Die Antragstellung in Deutschland ist eine Zumutung und schreckt Leute davon ab, arbeiten zu gehen. Ich bin sicher, die Briten erklären der deutschen Regierung gerne, wie man so etwas macht.

  5. Wer sagt denn, dass behinderte Menschen von Almosen leben sollen? So ein Quatsch. Es geht um Nachteilsausgleich, und nicht um Almosen. Nachteilsausgleich dient zur gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft. Wer dafür sorgt, dass diese Nachteilsausgleiche wegfallen, der handelt unsozial. Wer das tut aufgrund der Finanzkrise, der handelt unsozial. Und wenn ich schon „Leistungsträger der Gesellschaft“ höre. Wieviele Leute arbeiten für immer weniger Lohn, können von dem Lohn, den sie für einen Vollzeitjob bekommen, gar nicht mehr leben und müssen zusätzlich ALG II beantragen? Da redet komischerweise niemand von Leistungsträgern, das ist freie Wirtschaft. Abschaffung von Manteltarifverträgen, Subventionen für Unternehmen, Opelverkauf usw. Von Behinderten Menschen und Almosen habe zumindest ich nicht gesprochen. Ich habe lediglich gesagt, dass ich Angst habe, wenn die Parteien die Regierung stellen, die sich der „neuen Sozialen Marktwirtschaft“ verschrieben haben. Diese sogenannte „neue soziale Marktwirtschaft“ ist eben alles andere als sozial. Es wurde letztes Jahr von ernstzunehmenden Wissenschaftlern über eine Kürzung der ALG-II-Bezüge auf 132 Euro im Monat nachgedacht. Da wird die Kaufkraft von Millionen zerstört!!! Und ihre Teilhabe gleich mit, was ja ohnehin kaum noch jemanden zu interessieren scheint. So wie die Sicherheitsbehörden alle Bürger zu potentiellen Straftätern stempeln, so werden alle Menschen ohne Arbeit zu potentiellen Leistungshinterziehern und Schmarotzern gestempelt.

    Damit wir uns richtig verstehen: Auch ich bin für mehr Kaufkraft. Aber das soll dann bitte für alle in der Gesellschaft gelten, denn die, die keine Arbeit haben, die sind in der Regel keine Faulenzer, sondern kriegen keinen Arbeits- oder Ausbildungsplatz, oder es gibt Entlassungen u. Ä. Wir müssen irgendwann begreifen, dass Wachstum nicht immer so weiter geht, dass irgendwann nicht mehr genug Erwerbsarbeit im früheren Sinne für alle da ist. Die alte Formel, dass wer keine Arbeit hat ein Schmarotzer und Volksschädling ist, die gilt nicht mehr!

    Und was ist mit den vielen Leuten, die ehrenamtlich arbeiten, auch weil sie eben nicht zuhause rumsitzen und versauern wollen? Keine „Leistungsträger“?

    @Tilly: Weniger Staat ist mehr? Wer soll dir denn die Chance geben, für dich selbst zu sorgen? Die freie Wirtschaft? Die wollen kein Geld ausgeben, um noch jemanden einzustellen. Wenn man sie nicht dazu zwingt oder ködert, würden die am liebsten niemanden einstellen, da könnten sie mehr verdienen. Vielleicht hast du bislang glück gehabt, aber es gibt viele Leute, die den Staat brauchen, um leben zu können, weil die Wirtschaft sie nicht braucht. Das sind dann die, die du offenbar als Faulenzer und Schmarotzer beschimpfst.

    @Christiane: Wie kommst du darauf, dass ich von Almosen gesprochen habe? Deinen folgenden Äußerungen stimme ich 100prozentig zu:

    „Ich bin absolut gegen die 1-Euro-Jobs. Die vernichten Arbeitsplätze statt welche zu schaffen. Es muss ein Mindestlohn her und die Krankenkassenkosten müssen runter, damit sich mehr Leute selbstständig machen können ohne jeden Monat erstmal 300 Euro an Krankenkasse löhnen zu müssen ohne einen Pfennig zu verdienen. Ich bin nicht für Steuersenkungen – wer verdient kann auch Steuern zahlen – aber für die Senkung der Lohnnebenkosten, denn das macht Deutschland als Standort immer unattraktiver und dadurch gehen Arbeitsplätze verloren. Und ich bin dafür, dass für behinderte Menschen der Steuerfreibetrag abgeschafft wird (da profitiert ja derzeit eh nur eine Minderheit von) und in ein Geld a la Blindengeld umgewandelt wird und zwar für alle. Damit ist der Mehraufwand für alle ausgeglichen. Gleichzeitig muss der Zugang zur Arbeit für behinderte Menschen leichter werden.“

  6. Das Nest sagt:

    @Tilly: die aaaarmen menschen, die beim hausbau fast Pleite gehen! Gleich hol ich mir erstmal Taschentücher und trauere mit… Tschuldigung, ich bin sonst nicht in dieser Weise polemisch, aber ich kenne tatsächlich einige Gruppen von Menschen, die mein Mitgefühl mehr verdienen. Und nicht nur aLG-II-EmpfängerINnen. Da sind durchaus auch leistungsträgerInnen dabei, die in Berufen arbeiten, die nicht angemessen bezahlt werden. sicher, es ist schön, Geld zu verdienen und es dann auch ausgeben zu können, und ich bin nicht der ansicht, daß sowieso jeder, der wohlhabender ist und sich eben etwas Geld erarbeitet hat, ein Verbrecher ist. gute Arbeit will gut bezahlt sein. Aber daß man nur deshalb, weil man das glück hatte, eine *bezahlte* Arbeit zu kriegen, zur „tragenden Säule der Gesellschaft“ wird, erscheint mir doch etwas vereinfacht. Jemand hat hier schon auf eine Unmenge ehrenamtlicher Tätigkeiten hingewiesen, ohne die wir alle, inkl. unsere Leistungsträger, nicht auskommen könnten. Bei den Aussagen, die sich darum drehen, daß nur Leute, die auch Arbeit haben, ein Recht darauf haben, etwas zu kaufen, lohnt sich kein Kommentar. Und wo soll denn die vollbeschäftigung herkommen? Was können wir in dieser Hinsicht von den Briten lernen, christiane? oder hatte ich da was falsch verstanden. Das mit den Lohnnebenkosten leuchtet mir ein. auch das mit dem Steuerfreibetrag unterschreibe ich sofort. Es wird schon lange Zeit, daß es einen nachteilsausgleich für *alle* behinderten gibt. Erzähl doch aber mal, inwiefern es in Groß-Britannien den behinderten menschen leichter gemacht wird, in Arbeit zu kommen.

  7. Pingback: Mein Wa(h)renhaus » Endlich mal wieder Nachgedacht und meine persönliche und politische Mitte gesucht

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