Es gibt Momente, die sind immer gleich. Kennt ihr das auch? Wenn zum Beispiel damals, als ich noch zur Schule ging, der Geruch von Zuckerrüben in der Luft lag, begann der November. Nach dem Verlesen der Martinsgeschichte in der Martinsfeier in unserer Schule wurden die Weckmänner ausgeteilt. Und dann war da noch der Montag nach dem ersten Advent, oder genauer gesagt nach jedem Advent.
Wie jeden Montag kamen wir mit unseren Bussen in der Schule an, brachten unsere Taschen in unsere Wohngruppen und gingen dann zur Schule. Der Unterricht begann kurz vor 10. Es war zu meiner Grundschulzeit, aber auch in den ersten Hauptschuljahren änderte sich an den Ereignissen dieser Montage nichts. Wir begrüßten einander im Klassenzimmer, und unsere Lehrerin begann mit dem ganz normalen Unterricht, bis plötzlich Unruhe im Schulhaus entstand. Ich weiß noch genau, dass ich immer darauf gewartet habe, und ich bin mir sicher, die anderen aus meiner Klasse taten es auch, aber darüber wurde nie gesprochen.
Normalerweise war es im Schulhaus während der Unterrichtsstunden ruhig. Wenn man mal Schritte hörte, dann war es ein Lehrer, der von einer Klasse zur Anderen wanderte, um dort seinen Unterricht anzutreten. Aber ganz anders war es am Montag nach den Adventsonntagen. Es war immer so gegen viertel nach 10. In der unteren Etage des zweistöckigen Schulgebäudes verließ eine Klasse geordnet unter Führung ihres Lehrers ihr Klassenzimmer. Nebeneinander stellten sie sich auf die untersten Stufen der Treppe. In der hand hielten sie Blockflöten. Der Lehrer zählte an, und seine Klasse begann das Vorspiel zum Liedchen: „Wir sagen euch an den lieben Advent“ auf den Flöten zu spielen. Es waren fast alles Sopranflöten, nur der Lehrer hatte eine Altflöte dabei. Wie auf ein geheimes Zeichen verließen in beiden Stockwerken die Schülerinnen und Schüler ihre Klassenzimmer und gingen zur Treppe, wo von unten die Flötenmusik durch den Flur hallte. Ein paar sangen mit, und mit der zeit wurdden es mehr. Jede Woche wurde eine Strophe mehr gesungen, und das kleine Flötenkonzert begann immer mit diesem Liedchen. Danach wurden noch weitere Lieder angestimmt. macht hoch die Tür, es ist für uns eine Zeit angekommen, Alle Jahre wieder. Und wir alle wussten: Damit begann in unserer Schule die Adventszeit. Die Zeit der Weihnachtsgeschichten, der von unseren Erzieherinnen selbst gemachten Adventskalender, die Zeit der kleinen Wichtelgeschenke, des Ratens, wer einen wohl bewichtelte. Die Zeit, in der für das Weihnachtsspiel geübt wurde, in der man im Werk- oder handarbeitsunterricht kleine Geschenke für die Eltern bastelte. Die Zeit, in der man sich langsam fragen durfte, was man wohl zu Weihnachten geschenkt bekam?
Die Flötenkonzerte der Klasse waren nicht lang. Sie dauerten etwa 10 Minuten,. Drei oder vier Lieder wurden gespielt und gesungen. So begann der Advent.
Es ist gut, dass man später im Leben erkennt, dass manches von dem, was man aus der Kindheit weiß, nicht so war, wie man glaubte. Der Lehrer hat seine eigenen Kinder schlecht behandelt, und manche in der Schule hatten Angst vor ihm. Aber manchmal wünsche ich mir auch, ich würde das alles nicht wissen, und das einfache Spiel der Blockflöten wäre für mich nach wie vor die Ankündigung des Advents aus meiner Kinderzeit. Obwohl: Wenn ich mir vorstelle, wie aufgeregt die Kinder mit den Flöten gewesen sein müssen, weil sie auch ja nichts falsch spielen wollten, wenn ich mir vorstelle, wie wir darauf warteten, dass in der Schule Unruhe entstand, während wir Rechenaufgaben lösten, dann sind die anderen, späteren Erkenntnisse bedeutungslos.
Wir sagen euch an den lieben Advent.
Sehet die erste Kerze brennt.
Wir sagen euch an eine heilige Zeit.
Machet dem Herrn die Wege bereit.
Freut euch ihr Christen, freuet euch sehr.
Schon ist nahe der Herr.