Manchmal glaube ich einfach nicht sofort, was ich lese. Ein Hamburger Sparkassenkunde, der 20 Jahre lang in dieselbe Filiale ging, wurde plötzlich auf eine unglaubliche Weise diskriminiert. Eine Mitarbeiterin forderte ihn auf, künftig nur noch mit Assistenz in die Sparkassenfiliale zu kommen.
„Die Angestellte Frau B. bekräftigte daraufhin noch mal, dass das gesamte Personal großen Ekel und Abneigung mir gegenüber empfinde und in einem internen Mitarbeitergespräch zu dem Schluss gekommen sei, mich nicht mehr persönlich zu bedienen, da dies eine zu große Zumutung darstelle. Daraufhin bekam ich eine große Anzahl Blanko-Auszahlungsschecks, die ich in Zukunft zu Hause vorbereiten soll, damit die ,,Belastung“. für das Personal geringer ist.“
via Der Ekel vor behinderten Haspa-Kunden – Gerlefs Blog.
Nun kennt jeder Mensch mit Behinderung Alltagsdiskriminierung und hat sich daran gewöhnt. Man macht kein Aufhebens mehr darum, denn die Umwelt reagiert fast immer mit Unverständnis. „Der hat es doch nur gut gemeint“, oder „Du musst verstehen, dass er Hemmungen dir gegenüber hat“, oder „sei doch mal ein bisschen dankbar und gehe nicht immer nur von dir aus“ sind typische Gesprächsaussagen wohlmeinender Familienangehöriger oder sogenannter Freunde, die doch nie versuchen, dich als gleichberechtigten Menschen zu sehen, sondern als das behinderte Opfer, an dem man seine gute Tat abreagieren kann. Aber in solchen Fällen gibt es wenigstens manchmal, manchmal aber auch erst nach Jahren, eine Gesprächsgrundlage. Dies hier ist ein Vorkommnis, das ich mir in Deutschland kaum noch habe vorstellen können. Im Grunde hätte der Mitarbeiterin der Sparkasse sofort fristlos gekündigt werden müssen. Das gilt übrigens auch für alle anderen Kolleginnen und Kollegen, die sich abgesprochen haben, Herrn W. nicht mehr zu bedienen. Jeder Mensch ist auf eine Bank angewiesen, jeder Mensch hat das Recht, angemessen freundlich behandelt zu werden. Dies ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft, für unser Zusammenleben. Und es zeigt die Borniertheit vieler Menschen. Wir sind es, die behinderten Menschen, die damit Tag für Tag leben müssen, und die von unseren Nächsten aufgefordert werden, solche Einzelfälle doch nicht so eng zu sehen. Vielen Dank!
Hallo Jens! Diese Bank, die mal den Werbeslogan „Meine Bank heißt Haspa“ hatte, hat sich bei mir vor 20 Jahren etwas ähnliches geleistet. Da ging es nicht um angebliche Geruchsbelästigung, sondern darum, dass ich eine EC-Karte wollte. Sie wurde mir mit dem Hinweis verweigert, dass wegen meiner Blindheit ja ein erhöhtes Sicherheitsrisiko gegeben sei und die Bank dieses nicht tragen könne. Vorgetragen wurde dies von dem Filialleiter, der dies auch nicht in einem Zweiergespräch tat, sondern im Schalterraum der Bank vor anderen Kunden.
Ich beschloss daraufhin stehenden Fußes, die Bank zu wechseln. Später hatte ich aus besonderen Umständen heraus leider wieder mehrere Jahre mit dieser Bank geschäftlich zu tun, und der Mitarbeiter, der dann für mich zuständig war, konnte sich das Verhalten dieses Kollegen üüüüüberhaupt nicht erklären, das sei doch so ein netter und umgänglicher Filialleiter, der immer ein offenes Ohr für seine Kunden habe. Blah, blah, blah.
Heute gehört diese weitere Episode zum Glück auch der Vergangenheit an, und mit dieser Bank werde ich nie wieder Geschäfte machen.
Ich kann Marcos Bericht bestätigen. Als mein Freund (blind) nach Hamburg zog, verweigerte man ihm bei der Haspa ein Konto mit der Begründung, Leute die Blindengeld empfangen, bekämen bei ihnen kein Konto. Das betrifft de facto alle Blinden, denn Blindengeld ist eine einkommensunabhängige Leistung. Mein Freund hat eine 1A Schufa.
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Das ist der zentrale Satz: Im Grunde hätte der Mitarbeiterin der Sparkasse sofort fristlos gekündigt werden müssen.
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Hm,
Irgendwie kann ich mir das nicht erklären. Aber „Geruchsbelästigung“ kann ja ein weites Feld sein. Irgendwie misstraue ich der Geschichte. Dass jemand einfach nur behindert ist und die komplette Belegschaft einer Bankfiliale sich weigert, diese Person nur aufgrund seiner Behinderung zu bedienen glaube ich so einfach nicht, bevor das nicht ordentlich recherchiert ist.
Hans, die Haspa bestreitet die Darstellung nicht. Es gibt in den Kommentaren des Blogs von Gerlef eine Stellungnahme der Bank.
Hallo Jens, bevor ich die Kündigung aller Mitarbeiter fordere, sollte ich vielleicht mal von meinem hohen Roß runterkommen. Ich bin ebenfalls blind und in der SPK immer gut behandelt worden. Ich denke nicht, dass alle oder auch nur eine nennenswerte Zahl von Mitarbeitern da mitgemacht haben, ich höre ständig nur von einer Person. Was kommt als nächstes? Alle Mitarbeiter aus Netto und Penny entlassen, weil ein Blinder oder ein Rollifahrer von einzelnen Mitarbeitern schlecht behandelt wurden?
@Thomas: Es hieß eindeutig, dass die Mitarbeiter sich in einer Versammlung darauf geeinigt hätten, den Kunden nicht mehr zu bedienen. Der Punkt ist, dass, wenn jedes Unternehmen das bei jedem Kunden einfach beschließen kann, der Diskriminierung Tür und Tor geöffnet ist. Eine Mitarbeiterin hat halt den Beschluss der ganzen belegschaft verkünden müssen, und zwar die, die den Kunden beim nächsten mal bedienen sollte. Ich finde, dass eine Ungleichbehandlung einfach nicht toleriert werden darf. Stell dir vor, du würdest aus der Bank geworfen, weil du gefärbte Haare, eine laute Stimme, zwei fehlende Schneidezähne hast, weil du schwarz bist, weil du dick bist, weil du blind bist, weil du im Rollstuhl sitzt, weil du alt bist, weil du aus Indonesien kommst, weil du einen Dialekt sprichst. Stell dir vor, es würde dir passieren. Stell dir vor, du wirst aus einer Bank geworfen, weil du Christ bist. Das muss dann im Ausweis vermerkt werden, du verlierst deinen Job, du musst eine Armbinde mit einem Kreuz tragen, du darfst nicht mehr zu niedergelassenen Ärzten gehen, du wirst aus dem Sportverein, aus dem Beamtenverhältnis ausgeschlossen, weil du die Mehrheit der Nichtchristen, der Nichtrollstuhlfahrer, der Nichtblinden nach deren Meinung beleidigst, weil du eine Zumutung bist, zum Beispiel, weil du nach einem Unfall, für den du nichts kannst, ein entstelltes Gesicht hast. Was würdest du dann sagen?
Natürlich bestreite ich nicht, dass behinderte Menschen, die weniger auffällig sind als Herr W., keine Probleme mit der Haspa haben. Selbst in Gerlefs Blog, was ich noch mal zu lesen bitte, wird das nicht in Abrede gestellt. Der Punkt ist, dass man den Anfängen wehren muss, auch und gerade dann, wenn es wie ein Einzelfall erscheint.
Freundliche Grüße
Jens