Ende meiner Programmbeschwerde gegen den Brennpunkt mit Tino Chrupalla

Meine Programmbeschwerde gegen den ARD-Brennpunkt mit Tino Chrupalla ist gescheitert. Natürlich habe ich nichts Anderes erwartet.

Nachdem der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hatte, witterte die ARD ihre Chance auf Quoten und lud den AfD-Vorsitzenden Chrupalla zu einem Live-Interview ein. Um den Anschein von Ausgewogenheit zu erwecken, wurde auch ein Interview mit der damaligen Bundesinnenministerin Faeser geführt. Ich war und bin der Meinung, dass man Rechtsextremen keine Live-Bühne bieten muss, sondern Interviews mit ihnen aufzeichnen und vor der Ausstrahlung kritisch einordnen muss. Daher habe ich Programmbeschwerde erhoben, wie man hier nachlesen kann. Die – natürlich ablehnende – Antwort der Intendantin und meine daraufhin erfolgte Weiterleitung an den Rundfunkrat habe ich in diesem Beitrag dokumentiert. Mir wurde mitgeteilt, dass sich der Rundfunkrat auf seiner Sitzung am 1. Oktober mit meiner Beschwerde befassen werde.

Am 09.10.2025 erhielt ich folgende Antwort des Vorsitzenden des RBB-Rundfunkrates:

„Sehr geehrter Herr Bertrams,
der Rundfunkrat des rbb hat sich in seiner Sitzung am 1. Oktober 2025 mit Ihrer Programmbeschwerde vom 3. Mai 2025 zu der Sendung ARD-Brennpunkt vom 2. Mai 2025 und dem darin enthaltenen Interview mit dem AfD-Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla befasst. Der Befassung des Rundfunkrates ist eine Behandlung im Programmausschuss vorausgegangen.
Im Ergebnis hält der Rundfunkrat Ihre Beschwerde für unbegründet und weist sie zurück. Der Rundfunkrat kann keinen Verstoß gegen einen im § 3 rbb-Staatsvertrag normierten Programmgrundsatz erkennen.

Begründung:

Die Intendantin Ulrike Demmer ist am 4. Juli 2025 bereits auf die in der Programmbeschwerde erhobenen Vorwürfe eingegangen, hat diese widerlegt und sich mit Ihrer Beschwerde auseinandergesetzt. Auf diese Argumentation möchten wir verweisen.
In Ihrem Schreiben an den Rundfunkrat vom 12. Juli 2025 erneuern und vertiefen Sie Ihre Kritik, führen jedoch keine zusätzlichen Argumente zu möglichen Verstößen gegen den Programmauftrag und die Programmgrundsätze an, die eine Neubetrachtung erforderlich machen.
Der Rundfunkrat kann laut § 13 Absatz 5 rbb-Staatsvertrag mehrere Programmbeschwerden zur selben Sendung in einem Verfahren bündeln. Bei der Sendung „Brennpunkt“ vom 2. Mai 2025 wurde die Bündelung umgesetzt: Der Programmausschuss fasste nach Rücksprache mit dem Vorsitzenden des Rundfunkrates mehrere Beschwerden unter einem gemeinsamen Tagesordnungspunkt zusammen.
Für die sich anschließende Beratung der Programmbeschwerde im Programmausschuss war Kerstin Palzer, Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio und Chefin vom Dienst für die beanstandete Sendung, anwesend. In ihrer Stellungnahme führte sie aus, dass das Interview mit Tino Chrupalla kritisch geführt worden sei und durch den Verfassungsschutzbericht sowie einem Gespräch mit Innenministerin Nancy Faeser eingeordnet worden sei.
Mitglieder des Programmausschusses führten die Kritik an, Chrupalla habe zu viel Raum erhalten und seine Positionen seien kaum hinterfragt worden. Faeser habe keine echte Gegenposition vertreten, andere Perspektiven – etwa aus der Zivilgesellschaft oder von Betroffenen rechter Gewalt – hätten komplett gefehlt.
Der Moderator habe unsouverän gewirkt, das Interview sei unkommentiert am Ende der Sendung platziert worden.
Einige Ausschussmitglieder lobten die Sendung dennoch als sachlich und ausgewogen.
Bei der Diskussion wurde betont, dass keine der vorliegenden Programmbeschwerden beanstande, dass Tino Chrupalla eingeladen worden sei. Man kritisiere, dass man ihm, die Möglichkeit gegeben habe, die AfD in der Sendung als Opfer zu präsentieren und seine Ideologie zu verbreiten.

Die Mitglieder des Programmausschusses plädierten mit Mehrheit dafür dem Rundfunkrat die Empfehlung auszusprechen, der Programmbeschwerde stattzugeben.

Der Rundfunkrat hat daraufhin in seiner Sitzung am 1. Oktober 2025 nach Vorstellung des Sachverhalts durch den Programmausschussvorsitzenden, vorgetragener Stellungnahme von Markus Preiß, dem Leiter des ARD-Hauptstadtstudios und anschließender Diskussion beschlossen, dem Votum des Programmausschusses nicht zu folgen und Ihre Programmbeschwerde mehrheitlich abgelehnt.

Freundliche Grüße
Frank Becker
Vorsitzender des rbb-Rundfunkrates“

Das bedeutet also: Im Programmausschuss, dem mit Expert*innen besetzten Gremium, war eine Mehrheit für die Annahme der Beschwerde, im Rundfunkrat, mit Politiker*innen besetzt, eine Mehrheit dagegen. Man wollte sich ganz offensichtlich keine Blöße geben und die Kritik geräuschlos begraben. Es hätte ja Debatten auslösen und dem Image des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schaden können. Außerdem wird in großen Behörden so viel wie möglich automatisiert und durchrationalisiert, ohne noch auf einzelne Sachverhalte zu achten. Die Intendantin hatte zumindest meine Programmbeschwerde gar nicht erst gelesen, denn sie ging auf sogenannte allgemeine Fragen ein, aber nie auf das, was ich geschrieben habe. Der Rundfunkrat machte sich diese Ansicht zu eigen.

Ich nehme an, dass es so auch mit der Programmbeschwerde zum Sommerinterview laufen wird, die ich ebenfalls an den Rundfunkrat weiterreichen musste. Man behandelt diese Dinge wie Formalia, prüft sie nicht und schmettert sie gewohnheitsmäßig ab. Somit sägt der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland an seinem eigenen Ast, ist in keiner Weise lernfähig und versperrt sich die Chance, für die Demokratie in diesem Land einzustehen und etwas Positives zu bewirken.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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