Die Räumung des Ghazastreifens ist eine Aktion voller Hochspannung
Im Nahostkonflikt stehen wir vor einem Scheidepunkt, vor einem Testfall großen Ausmaßes. Gelingt die Räumung des Ghazastreifens, ist das ein erster Schritt zu einem friedlichen Miteinander.
Seit Jahrzehnten schaut die Welt auf den Nahostkonflikt, seit der Staat Israel sein Existenzrecht gegen die einfallenden Nachbarländer behauptete im Jahre 1948. Immer wieder hat es Versuche zur Lösung dieses Konfliktes gegeben, und 1995 war man mit Ministerpräsident Rabbin einmal dicht dran. Aber der wurde von radikalen israelischen Siedlern umgebracht, und das israelische Volk wählte daraufhin einen konservativen Hardliner zum Regierungschef. Solange Bill Clinton in den USA an der Macht war, ging es noch, doch die Bush-Administration hatte überhaupt keine Ansätze zur Konfliktlösung im nahen Osten. Im Gegenteil: Mit der Aggressions- und Kriegspolitik wurde das Pulverfass erneut gezündet.
Jetzt hat sich sogar der israelische Ministerpräsident Sharon, ebenfalls ein absoluter Hardliner, mit der Räumung des Ghazastreifens einverstanden erklärt. Man merkt, dass die USA mit Condoleeza Rize als Außenministerin wieder stärker am nahen Osten interessiert sind. Nach dem Tode von Yassir Arafath, der in den letzten Jahren wieder radikaler geworden war, erhöhten sich die Hoffnungen auf Frieden, obwohl in letzter Zeit viel Porzellan zerschlagen wurde, das einst von Rabbin, König Hussein von Jordanien, Arafath und Bill Clinton mühsam zusammengefügt worden war.
Jetzt werden also die israelischen Siedlungen im Ghazastreifen geräumt. Wenn die Siedler nicht freiwillig abziehen, will die Armee ab Mittwoch, dem 17. August, gewaltsam den Räumungsbefehl durchsetzen. Das führt natürlich zu Hochspannungen zwischen den Siedlern und der Armee. Aber wenn die Palästinenser sehen, dass die Israelis es ernst meinen, dann könnte den Radikalen der Wind aus den Segeln genommen werden, und das wäre eine historische Chance auf langfristigen Frieden in der Region.
Natürlich soll man den Tag nicht vor dem Abend loben. Ich bin auch keineswegs sicher, dass es funktionieren wird. Der historische Beginn der Räumung ist fast unbemerkt an uns vorbeigegangen, aber die heißen Tage kommen noch. All zu oft hat dieser Konflikt gezeigt, dass er lösungsresistent ist. Zu unversöhnlich scheinen die Gegensätze. Dabei gibt es viele Initiativen auf beiden Seiten, die ein friedliches Miteinander wollen. Im Sport, bei Freizeitaktivitäten und am Arbeitsplatz gibt es längst mehr Verbindungen, als die Hitzköpfe beider Seiten sich eingestehen wollen. Normal ist das Verhältnis nicht, angesichts von Terror und Staatsterror, von beiderseitigen Brutalitäten und Grausamkeiten. – Aber die Gruppen nehmen zu, die eine Versöhnung fordern, obwohl das nicht leicht ist.
Wenn die Räumung des Ghazastreifens gelingt, und wenn bei den palästinensischen Parlamentswahlen im Januar kommenden Jahres die gemäßigten Kräfte die Oberhand bekommen, dann böte sich eine einmalige und gleichzeitig die letzte Gelegenheit für das palästinensische Volk, in ihrem eigenen Staat zu leben und als gleichberechtigtes Glied in die Völkergemeinschaft einzutreten. Misslingt das Vorhaben und sind daran arabische Attentäter beteiligt, so ist nach Meinung vieler Beobachter diese letzte Chance verspielt. Und selbst wenn es kein Blutvergießen gibt im Ghazastreifen: Es wäre erst der Anfang eines langen Weges, der nur dann gelingen kann, wenn die palästinensische Bevölkerung spürt, dass es ihr jetzt besser geht als vorher, dass an ihrer Infrastruktur gebaut und gebastelt wird. Nur mit einer Perspektive für eine Zukunft im eigenen Staat und ohne Not und Hunger oder Vertreibung kann man hoffen, dass den Terroristen der Boden langfristig entzogen wird.
Sicher ist, dass wir historische Tage erleben, an denen sich die Zukunft dieser von Spannungen so sehr geschüttelten Weltregion entscheiden könnte. Und deshalb ist es so wichtig, die Ereignisse aufmerksam zu verfolgen.
Copyright © 2005, Jens Bertrams.
Heute ist nun also der berüchtigte 17. august, und tatsächlich hat die Räumung der israelischen Siedlungen im Gazastreifen plangemäß begonnen. Das Ziel war hoch gesteckt: Allein am heutigen Tage sollen 7 der 21 betreffenden Siedlungen geräumt werden. Bisher wird noch verhandelt, heißt es, und ich habe ein denkbar schlechtes Gefühl bei der ganzen Angelegenheit. Etwa die Hälfte (ich vermute, die Hälfte dieser ersten Siedlungen) sei bereits geräumt, hieß es heute morgen. Aber viele Siedler verhandeln noch und seien, so sagt man, bereit, nächsten MOntag freiwillig zu gehen. Was soll man davon halten? Ich halte es für HInhaltetaktik, frage mich nur wofür. Welche Aktionen der Siedler sind da eventuell geplant? Der Termin der Räumung ist doch nun schon eine ganze Zeit lang bekannt. ich kann mir die Verzögerung nicht recht erklären, vielleicht ist mir aber auch was wichtiges entgangen. Wenn aber nicht, dann scheinen mir Krawall und Gewalt unabwendbar zu sein. Will das israelische Militär im Grunde Zwischenfälle provozieren, oder gibt es doch gute bzw. andere Gründe für eine Verzögerung? Für mich ist das der Beginn eines Problems. Ich werde aber weiterhin die Nachrichten gründlich verfolgen. Vielleicht belehrt mich die Geschichte ja eines besseren, aber im Moment kann ich es mir nicht vorstellen…