Die erschütternden Meldungen aus New Orleans

Weil ich gestern den ganzen Tag unterwegs war, habe ich mich erst heute morgen aufmerksam über die verhehrenden Folgen des Wirbelsturms Katrina in New Orleans informiert. Und ohne dass ich es verhindern konnte, liefen in meinem Kopf schreckliche Gedanken amok.

Erst einmal dieses unermessliche Leid der Opfer, diese ganze, große Stadt, die jetzt in Schutt und Asche liegt, die vielen tausend Menschen, die sich nur schwimmenderweise aus ihren Häusern retten konnten. Eine Stadt, die meterhoch überflutet ist, und zwar eine Stadt, von der man angenommen hätte, sie sei gut geschützt. Dann der Gedanke, dass diese grauenhafte Katastrophe vielleicht der Vorbote oder das Symptom eines Klimawandels ist, den wir möglicherweise schon kaum noch beeinflussen können. Und wer weiß, wie vielen Städten es in der Zukunft ähnlich ergeht? Wieviele Existenzen werden mit solcher Wucht und Schnelligkeit in der Zukunft zerstört werden?

Schon aber setzte nach dem Entsetzen, oder noch während des Entsetzens, mein politischer Verstand wieder ein. Wenn so etwas in den USA passiert, ist es einfach eine Tragödie, dachte ich. Wie oft mag das schon auf ähnliche Weise in andern Ländern passiert sein, ohne dass unsere Medien außer mit einer Randnotiz davon berichtet haben? Wie oft hört man inzwischen von Flut- und Hochwasserkatastrophen, für die man dann vielleicht spendet, oder auch nicht, die aber viel weiter von unserem Gefühlsleben entfernt sind wie dieses Ereignis, aber trotzdem auf den Klimawandel hindeuten, ohne dass die Industrieländer darauf eingehen? Was wird aus uns, wenn wir diese Vorzeichen ignorieren?

Und dann, eine Brücke zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 schlagend, kam dieser unausweichliche Gedanke, der bei mir in beide Richtungen lief. Erstens: Wie werden die USA politisch auf diese Katastrophe reagieren? Können sie jemanden verantwortlich machen und Muskeln zeigen, oder werden sie es einfach als Naturereignis ohne politische Folgen bewerten? Wir wissen doch alle, dass die Supermacht auf Machtlosigkeit mit Macht reagieren muss. Und zweitens: Werden die USa, jetzt, wo es im eigenen Land geschehen ist, endlich das Kyoto-Protokoll unterzeichnen? Die letzte Frage konnte ich mir schnell mit „selbstverständlich nicht“ beantworten, abe ich hatte sie gestellt. Und im Gespräch hier beim Frühstück kam sogar noch eine weitere Frage auf, die ich seither nicht mehr los werde. Wieviele Menschen werden sich jetzt irgendwo auf der Welt insgeheim freuen, dass es „endlich mal“ die Großmacht USA erwischt hat? Wird es irgendwo Straßenfeste geben wie nach dem 11. September? Oder wird es irgendwo auf der Welt einen Ort geben, wo man davon gar nichts erfährt, weil man zu sehr mit eigenen Problemen beschäftigt ist?

Gedanken an einem Tag, an dem die furchtbare Katastrophe erst so richtig ankommt. Hoffentlich können noch viele tausend Menschen evakuiert, gerettet und versorgt werden.

Copyright © 2005, Jens Bertrams.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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3 Antworten zu Die erschütternden Meldungen aus New Orleans

  1. Das Nest sagt:

    Auch ich finde es unfaßbar, was da im Süden der USA passiert ist. New Orleans, eine Stadt, die jeder oder viele mal im Munde führten, seies wegen seinr typischen Musik, sei es in alten Büchern und Filmen. Diese Stadt soll nun eventuell abgerissen, dem Erdboden gleich gemacht werden müssen. Es wird sie nicht mehr geben! Aber dennoch, trotz des Schocks, fühle ich wie Du, Jens. ich muß an einen Bericht denken, wo es um die HelferInnen nach dem Tsunami ging, denen ein bloßer Regenfall, der klang wie ein Meer, einfach die Zelte und kleinen Häuser wegspülte. Dort gibt es keine Gebäude „für die Ewigkeit“, und deshalb merkt sie sich niemand so sehr. Es ist viel erschreckender, etwas fallen zu sehen, das scheinbar gut geschützt und solide war. Aber vergessen wir nicht, ohne etwas gegeneinander aufrechnen zu wollen, daß sicherlich erheblich mehr Menschen während des letzten Tsunamis umgekommen sind. Das ändert nichts an einer Million Menschen, die ihr Zuhause verloren haben – aber für diese Länder gilt nicht, daß man Ölpreise reguliert oder andere adäquate Mittel fände, um ihnen zu helfen außer Spenden und etlichen beherzten Menschen, von denen auch sehr bald keiner mehr sprechen wird… Aber vergessen wir nicht: die natur macht diese Unterschiede nicht.

  2. Du hast recht. Ich finde es schlimm, in dieser Situation daran denken zu müssen, dass es einen Unterschied zwischen den USA und anderen Ländern gibt. 1 Million Menschen haben ihre Heimat verloren, das ist wirklich mehr als bei den Terroranschlägen am 11. September, viel mehr. Ich glaube nicht, dass die Stadt New Orleans vollkommen abgerissen und nicht mehr aufgebaut werden wird. Aber ich habe Angst vor der Zukunft. Die Natur fängt an, grausam zurückzuschlagen.

  3. Das Nest sagt:

    Hallo!Ja, irgendwie wird New Orleans wohl wieder aufgebaut werden, aber es wird einfach nicht mehr New Orleans sein. Das ist wie mit einem neuen World Trade Center. Die USA erinnern mich da manchmal an jemanden, der jeden neuen Hund, nachdem der alte gestorben ist, wieder mit dem gleichen Namen benennt. doch das alte ist nicht zurückzuholen, und wenn sie noch so sehr trotzig sind. Mein Mitgefühl gilt jedenfalls den Opfern von Flutkatastrophen in aller Welt.

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