Operabsetzung – Wieder so ein Unding

Die Deutsche Oper in Berlin hat die Aufführung von Mozarts „Idomeneo“ aus Angst vor Islamisten und ihrem Terror abgesetzt. Lernt man denn gar nichts aus der jüngeren Geschichte?



In dieser Tagesschaumeldung wird die Geschichte einigermaßen ausführlich dargestellt. Um das Publikum und die Mitarbeiter vor islamistischem Terror zu schützen, hat die Intendantin der Deutschen Oper in Berlin, Kirsten Harms, die Aufführung der Oper „Idomeneo“ abgesetzt. Diese Entscheidung erinnert mich an viele Streitfälle der letzten Jahre: Karrikaturenstreit, die Kontroverse um die Shariaeinführung auf demokratische Weise, und nicht zuletzt an den Mord an Theo van Gogh. Damals wurde auch aus Angst vor weiteren Anschlägen sein Film nicht mehr gezeigt.

Man sollte eins nicht vergessen: In der Oper „Idomeneo“ werden die Köpfe von Jesus, Budha, Poseidon und Mohamed gezeigt. Alle vier. Christen sind es aber derzeit, die die aufführung nicht absetzen wollen.

Damit wirft sich eine wichtige Frage auf. Die Ballance zwischen religiösem Respekt und Zurückweichen vor Gewalt. Es ist richtig, dass der Schutz von Publikum und Mitarbeitern eine Rolle spielt. Es ist richtig, dass die Intendanz für diesen Schutz mit verantwortlich ist. Und es stimmt natürlich auch, dass es keinen Spaß mehr machen würde, zu einer von einer Hundertschaft Polizei bewachten Oper zu gehen. Aber andererseits bedeutet die absetzung der Oper auch, dass islamistische Gewalttäter nur eine Drohung aussprechen müssen, und schon weicht alles vor ihnen zurück. Es ist fast so, als könnten diese Menschen alles erreichen, als würde ihnen die Weltherrschaft offen stehen. Wir haben so unglaubliche Angst, dass es für sie im Augenblick ein Durchmarsch ist. Das hat natürlich mit den Terroranschlägen am 11. September 2001 zu tun, über die wir in unserem Innern immer noch nicht hinweg sind. Und die Muslimorganisationen in Deutschland sollten sich darüber im Klaren sein, dass die Islamisten zunächst ihnen schaden: Ihnen und ihrem Ansehen und dem Ansehen ihres Glaubens. Darum sollten sie selbst die Kunstfreiheit und den Respekt vor religiösen Gefühlen in vernünftige Relationen setzen.

Wenn ich heute ein Kunstwerk schreiben würde, egal ob Oper, Buch oder sonst etwas, dann würde ich mir natürlich auch überlegen, wie ich Religionen darstelle. Natürlich würde ich mir Gedanken darüber machen, wie mein Werk ankommt. Und wenn ich so etwas wie in „Idomeneo“ gezeigtes darstellen möchte, dann würde ich versuchen, deutlich zu machen, was meine eigene Meinung ist, oder was nur zur Darstellung dient, oder zur Herausarbeitung von Charaktären. Diese Oper ist aber 200 Jahre alt. Das sollte man nicht vergessen.

In aller Deutlichkeit möchte ich sagen, dass ich gegen das Zurückweichen vor Terrordrohungen bin. Gewalt ist kein zulässiges Mittel im Ringen der Kulturen um Gleichberechtigung. Auch nicht die androhung von Gewalt. Es kann nur über einen Dialog funktionieren.

Copyright 2006, Jens Bertrams.


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Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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2 Antworten zu Operabsetzung – Wieder so ein Unding

  1. Das Nest sagt:

    Ich finde es klasse, daß nun wohl, wenn ich es richtig verstanden habe, Vertreter der christlichen Kirchen sowie Mitglieder des Zentralrates der Muslime und andere gläubige Muslime gemeinsam zur Premiere gehen wollten. Leider weiß ich nicht wer, und darüber, ob das schon stattgefunden hat, weiß ich auch nichts. Aber ist es nicht so, daß die Oper dann trotzdem gezeigt wurde?

    Du schreibst mit so markigen Worten, ein Zurückweichen vor der Gewalt sei ein Unding. Stimmt, aber in einem anderen Artikel dieses Blogs schreibst Du, Du wüßtest nicht, ob Du ein Held bist. Sagen läßt sich das leicht, aber ich kann mich noch gut erinnern, als ich Deine Radiosendung über „Submission“, den film von Theo van Gogh, hörte und mir, obwohl es sich doch nur um einen kleinen Regionalsender handelte, Sorgen machte. Oder ich weiß noch, wie Brieflawinen und Drohungen von einer gewissen „Religionsgemeinschaft“ ins Haus flatterten. ich finde es auch schade, wie die Intendantin der Oper dachte. Ich finde, man hätte ganz klar sagen können: „Wer kommen will, möge kommen! Wir schließen nicht grundsätzlich, weil wir ein Zeichen setzen wollen, daß wir uns nicht unterkriegen lassen!“ Dann hätte jeder es sich aussuchen können, welche Position er oder sie einnimmt.

  2. @Nest: Ich kann schon verstehen, dass sie an die Mitarbeiter dachte. Und ja, ich bin kein Held. Nur die Wahrscheinlichkeit, dass es hier auf eine Oper einen Anschlag gibt, ist, so hoffe ich doch, geringer, als die Wahrscheinlichkeit, dass ich verhaftet werde, wenn ich mich offen gegen ein tyrannisches Regime ausspreche. Wenn wir hier anfangen, in unserem eigenen Land, unsere eigene Meinung nicht mehr zu sagen, oder die Freiheit unserer Gedanken hier nicht mehr zuzulassen, dann brauchen wir uns einfach nicht zu wundern. Ich will das gar nicht als markige Worte verstanden wissen. Es ist einfach nur der Wunsch, in einem Land zu leben, wo ich meine Meinung sagen darf. Trotz – übrigens harmloser – Briefbomben und Telefonschmähungen.

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