Rundfunkwerbung muss nicht mehr in Blöcken gesendet werden

Bei meinem abendlichen Nachrichtendurchgang habe ich gerade bei der NOS gelesen, dass die EU uns sogenannten „amerikanischen Verhältnissen“ im Rundfunkwerbungebereich näherbringen wird, obwohl sie genau das zu verhindern behauptet.

Die für Medien zuständigen Minister haben nämlich beschlossen, dass Rundfunkwerbung künftig nicht mehr in Blöcken ausgestrahlt werden muss. Die einzelnen Stationen können nun selbst bestimmen, wie sie die Werbung über die gesamte Sendestunde verteilen. „Allerdings“, so fährt der Bericht fort, „wird die Regel aufrechterhalten, dass pro Sendestunde nur 12 Werbeminuten erlaubt sind, um – wie es heißt – amerikanischen Verhältnissen zu entgehen.“

Was soll man da noch sagen? Gebührt da unserer europäischen Kommission nicht der große Dank aller Nationen, dass sie uns *nur* 12 Minuten pro Sendestunde Werbung schenken, also 20 Prozent der zur Verfügung stehenden Sendezeit? Zieht man dann noch Nachrichten, Wetter und Verkehrshinweise ab, dann ist rund ein drittel der Sendestunde verloren. Gerade bei Wortbeiträgen ist das doch eine Katastrophe. Und da Wortbeiträge schon seit Längerem nicht mehr Länger als drei Minuten sind, oder nur sehr selten, bevor wieder ein vierminütiger Musiktitel gespielt wird, ein Jingle kommt und noch ein Musiktitel folgt, kommen wir pro Stunde ungefähr auf 12 bis 14 Minuten Wortinhalt. Das sind nicht amerikanische Verhältnisse? Ich war noch nie drüben, aber mein Gott, wie sieht es dann dort aus?

Wenn die Werbung dann noch über die ganze Stunde verteilt werden darf, dann muss man ja die Wortbeiträge noch öfter unterbrechen, um die Werbung irgendwo zwischen Wort und Musik zu platzieren. Mich erinnert das irgendwie an das Hörspiel „Böhmen am Meer“ von Hans Magnus Enzensberger. Dort berichtet, übrigens im Jahr 2006, der amerikanische Reporter Timothee Taylor für „americas last Radio voice“ aus Europa. Das ist der letzte Sender, der noch Wortbeiträge produziert. Dass der Hörspielautor dabei interessante Einblicke in die Gegenwart gibt, und zwar vom Jahre 1988 aus, ist ein Faszinosum dieses Hörspiels, das ich nicht unerwähnt lassen will. Europa wird da mit einigem Recht als eine komische Gegend bezeichnet, und das wird ziemlich gut ausgeleuchtet. Einige Dinge haben sich natürlich nicht so ereignet, aber andere schon. Jedenfalls finde ich, dass wir im Rundfunkbereich tatsächlich amerikanischen Verhältnissen uns annähern. Information wird immer flacher, und trotz Protesten von Hörern immer weiter vernachlässigt, um konkurrenzfähig zu bleiben. Anstatt den Bildungsauftrag ernst zu nehmen, stellen sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf die mangelhafte Bildung der Hörer ein.

Man sollte es machen wie die BBC: Ansprechende Rundfunkereignisse, ein lockeres, aber sehr informatives Programm.

Na, da hoffen wir mal, dass unser Ohrfunk nicht auch diesen blöden Weg geht, wenn wir erst einmal im Kabel zu hören sein werden.

Copyright 2006, Jens Bertrams.


Technorati : Bildungsauftrag, Privatradios EU, Rundfunkwerbung, Werbung, Wortbeiträge, öffentlich-rechtlicher Rundfunk

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
Dieser Beitrag wurde unter Geschichten aus dem Radio, Politik veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Antworten zu Rundfunkwerbung muss nicht mehr in Blöcken gesendet werden

  1. Guter Bericht.
    Wie in der Sozialpolitik, wird auch in der Medienpolitik versucht über die EU die Verhältnisse zum Nachteil der Mehrheit der Bürger zu verändern.
    Kommerz steht vorne, der Mensch im Hintergrund.
    Ein Europa des Friedens ja!
    Ein Europa, das nur noch für wenige Reiche ist, nein!
    Rundfunk muss mehr sein, als eine Plattform für die Werbeindustrie. Außerdem sollte die EU-Kommision ihre Finger vom deutschen Rundfunk lassen. Wir Radio- und Fernsehnutzer sind in den vergangenen Jahrzehnten gut ohne sie ausgekommen.

  2. Hallo,
    die Vorlage der Medien-Kommissarin Viviane Reding ist soweit ich weiß etwas komplexer. Insgesamt aber wird immer mehr Werbung erlaubt. Vor allem auch Schleichwerbung soll in gewissen Mengen erlaubt werden.
    Die Begründung dafür: Sonst gäbe es ja keinen James-Bond-Film im Fernsehen!
    Dann sollene wegen mir auf diesen Agenten verzichten.
    Nachrichtensendungen müssen nach der Vorlage jedenfalls werbefrei sein.
    Aber das alles ist ohnehin noch nicht entschieden, denn zwischen der Kommission und dem EU-Parlament gibt es da noch Meinungsverschiedenheiten.
    Was aber am Ende sicherlich herauskommen wird, ist weniger Qualität und mehr Werbung im Fernsehen und im Radio.
    Was Du, Jens, in Deinem Eingangs-Text beschrieben hast, ist leider die traurige Realität des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks seit etwa knapp 20 Jahren.
    Irgendwie muss man die Menschen ja verblöden, damit sie nicht merken, wie die Regierungen sie verhohnepiepeln!
    Alles, was vor Jahrzehnten als furchterregende Science-Fiction ausgedacht wurde, wird leider traurige Realität: Das gilt für den „Big Brother“ aus George Orwells „1984“ ebenso wie für d Deinen Enziansberger.
    Immerhin wissen wir jetzt, warum der Rundfunk durch den Äther sendet: Inhalte können dort nur in so geringen Mengen vermittelt werden, dass man sie mit den Partikeln ätherischer Öle in der Größe gut vergleichen könnte!
    Ohnehin gilt auch für die EU-Kommission: Wer gut ölt – oder heißt es „schmiert“ – der gut fährt. Was meint Ihr, wie viele Werbefuzzis da vorgesprochen haben, Verleger, Radio-Magnaten a la Berlusconi und so weiter?
    Es lebe der Kommerz, Matthias, denn ohne den wäre der heutige Rundfunk ja fast nichts!
    fjh

  3. @FJH: Was hat James Bond mit Schleichwerbung zu tun? Stehe ich auf dem Schlauch?

Schreibe einen Kommentar