Terroristen nutzen Menschlichkeit schamlos aus

Gerade habe ich gelesen, dass die Israelische Armee einen Angriff auf ein Haus in Gaza abgeblasen hat, weil sich dort hunderte Menschen verschanzten. Palästinensische Militante haben die Bevölkerung aufgerufen, künftig Angriffe von Israel auf diese Weise zu verhindern. Ich nehme aber an, dass man selbst nicht von Attentaten Abstand nehmen wird.

Hierzu fällt mir nur noch perfide ein! Da gibt es einen Anschlag in Israel, die israelische Armee findet einen der Drahtzieher und entschließt sich, sein Haus zu bombardieren. Über den Wert oder Unwert dieser Maßnahme kann man sich ja streiten, vor allem dann, wenn die Bevölkerung vorher aufgerufen wird, das Gebiet zu verlassen, damit keine Menschen zuschaden kommen, wie es hier offenbar geschehen ist. Aber was machen die militanten Palästinenser? Sie sorgen dafür, dass sich hunderte von Menschen in dem Haus befinden, die sie bewusst der Gefahr aussetzen, bei dem Angriff getötet zu werden. Oder sie planen ein und wissen, dass Israel dann aus humanitären Gründen nicht angreifen wird. Man plant also ganz klar die westliche Schwäche ein, doch etwas Menschlichkeit selbst in einem brutalen Krieg walten zu lassen. Und selbst? Nun haben die muslimischen Extremisten einen großen Vorteil. Vorerst zumindest, bis Israel gezwungen ist, wieder eine Grenze zu überschreiten und keine Rücksicht mehr zu nehmen. Die Militanten können Selbstmordanschläge ohne Ende durchführen. Ihr Leben und das ihrer Mitbürger kümmert sie nicht, sie warten auf die Datteln oder Jungfrauen im Paradies. Die lebenden Schutzschilde haben nämlich nur deshalb einen Sinn, weil Israel trotz lang andauerndem Krieg immer noch Menschlichkeit üben will. Zumindest was Unschuldige betrifft. Und das machen sich die Militanten zunutze.

Es ist schwer, gegen einen Feind zu kämpfen, der selbst keinerlei Hemmungen und Grenzen kennt. Solange solche Menschen in irgendeiner Form die Macht haben, solange wird dieser Konflikt nicht enden. Es nützt allerdings auch nichts, sie einzeln oder in Scharen zu töten. Sie sind märtyrer, und sie sind wie die Köpfe der Hydra: Wo du einen abschlägst, wachsen sieben neue nach. Man muss ihnen den Boden und Rückhalt in der Bevölkerung entziehen. Wie? Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht. Wohlstand, Anerkennung und Gleichberechtigung sind oft nur Tünche, und sie böten den Radikalen noch mehr Möglichkeiten. Das heißt übrigens nicht, dass ich jetzt gegen einen Staat Palästina wäre, der massive Wirtschaftshilfe erhalten müsste. Absolut nicht, ich bin für den UNO-Teilungsplan, Aber auf beiden Seiten müssen die Voraussetzungen für ein friedliches Miteinander herrschen. Und die sehe ich derzeit nicht.

Copyright 2006, Jens Bertrams.


Technorati : Fundamentalismus, Gazastreifen, Israel, Luftangriff, Nahost-Konflikt, Palästina, Religion

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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12 Antworten zu Terroristen nutzen Menschlichkeit schamlos aus

  1. Outsider sagt:

    Olmert befiehlt Tötung der Hamas-Führer
    http://derstandard.at/?url=/?id=2665089

    Hast Du schon mal Uri Avnery gelesen?
    http://www.uri-avnery.de/

  2. Das Nest sagt:

    Das machen Terroristen aber doch schon ewig, und in Kriegen haben sie es vorgemacht, zum Beispiel durch das Einsetzen von Kindersoldaten. Tja, wo da die Lösung ist: Wenn man wirklich mal so ein Haus bombardieren würde, dann würde das natürlich propagandistisch ausgeschlachtet. Ob das allerdings „unschuldige“ sind, die da in dem haus verschanzt sind, ist wirklich so eine Frage. Ich habe mal ein Buch von einer Palästinenserin gelesen, und die beschreibt sehr wohl, daß die Leute sich der Gefahr bewußt sind und das auch ganz freiwillig und bei klarem Verstand und mit Wissen um die Konsequenzen tun. Manchmal sind Sympathisanten genauso radikal wie die Terroristen selbst. Sie gehören schon mit zur Taktik. Aber eine Lösung ist das auch nicht, es mal so klar zu sagen, denn selbstverständlich kann man ja deshalb nicht alle über den Haufen schießen, obwohl das vielleicht nach einiger zeit den Erfolg hätte, daß Menschen sich nicht mehr so leichtfertig instrumentalisieren ließen, wenn es öfter mal wirklich ernst würde. Aber der Preis wäre viel zu hoch: Der Verlust des letzten Bißchens Menschlichkeit und die Opfer. Der einzige Gangbare, wenn auch schwere Weg, bleibt für mich der des Gesprächs.

  3. @Outsider: Danke für die Links, ich habe noch nicht alles vollständig gelesen, und nein, Bücher von ihm habe ich noch nicht gelesen. Natürlich kann man über den Nahostkonflikt sehr verschiedener Meinung sein: Die Einen suchen die Schuld bei Israel, die Anderen bei den Palästinensern, die dritten suchen den dritten Weg, die Schuld bei Beiden oder den Umständen zu suchen. Natürlich trifft es Beide, und natürlich sind die Umstände nicht wegzudenken. Mal hat der Eine mehr Schuld als der Andere, mal der Andere mehr als der Eine. Ich finde, gerade unter Linken in Deutschland hat man allzumeist die Schuld nur bei Israel gesehen und sich damit auch schuldig gemacht, weil, wie bei Extrempositionen üblich, der Hass auf alle „Juden“ übertragen wurde, während man der „Vätergeneration“ eben diesen Hass in unverschämter Doppelbödig- und Doppelzüngigkeit vorwarf. Und das sage ich, gerade weil ich ein inker bin. Wenn man versucht, Indizien und Ereignisse von beiden Seiten aus zu bewerten, dann komme ich eben nicht umhin, die Aufrufe und Einstellungen der radikalen Moslemführer als sehr perfide zu bezeichnen, auch wenn das nicht besonders politisch korrekt ist. Aber ich schrieb ja schon einmal: Politische Korrektheit, die die Wahrheit verdeckt, ist nicht so mein Ding.

  4. Hallo,
    ich finde das Ausgangs-Posting ziemlich problematisch: Den Verzicht auf ein Bombardement kann ich nicht als „Menschlichkeit“ bzeichnen. Woher nimmt ide israelische Regierung das vermeintliche „Recht“, Häuser und Menschen in Palästina zu bombardieren oder zu beschießen?
    Nun wirst Du, Jens, die Antwort geben: Weil von Palästina aus ständig auf Israel geschossen wird! Da müsse Israel sich halt wehren.
    Ich sehe das Problem darin, dass seit Jahrzehnten Krieg und Bomben die Tagesordnung im Nahen Osten bstimmen statt Worte und friedliebende Taten.
    Fast war es einmal schon so weit, dass beide Seiten Freiden geschlossen häten. Doch dann wurde Izak Rabbin ermordet. Mit ihm starb der Ansatz der Versöhnung.
    Von „Schuld“ zu reden, finde ich dann problematisch, wenn man den ganzen Konflikt so der einen oder anderen Seite zuschieben will. Jeder Einzelne hat Schuld für das, was er tut. Wer ein Haus bombardiert, der trägt die Schuld für alles, was daraus an Konsequenzen entsteht.
    Im Nahost-Konflik wähnen sich beide Seiten im Recht: Die Israeli halten sich als Opfer des Holocaust für gerechtfertigt, ihr „gelobtes Land“ in Besitz genommen zu haben und es mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Und mit Bomben auch!
    Die Palästinenser wähnen sich im Recht, weil die Israeli sie von ihrem angestammten Land vertrieben und ihnen ihre Heimat weggenommen haben.
    Doch jeder, der jetzt handelt, darf sich nicht auf diese Vrogeschichte berufen, wenn er Verbrechen begeht. Verbrechen begeht sowohl das israelische Militär, wenn es Häuser in Palästina oder im Libanon bombardiert, als auch die Hamas, wenn sie Raketen auf israelische Siedlungen oder Städte abschießt.
    Es gibt nur einen Weg, da herauszukommen: Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen!
    Beide Seiten müssen dabei über ihre Schatten – und das sind gleich eine Vielzahl dunkler Schatten – springen. Das wird für beide schwierig werden!
    Jerusalem als Hauptstadt Israels? Jerusalem als Hauptstadt Palästinas? Die höchsten Heiligtümer beider Nationen stehen dort.
    Dass die israelische Armee kein Unschuldslamm ist, beweist die Tatsache, dass sie Streubomben auf den Libanon geworfen hat. Angeblich ist das entgegen eines anderslautenden Befehls des Generalstabs-Chefs geschehen. Jetzt wird das Ganze untersucht.
    Doch warum besaß diese Armee überhaupt dermaßen menschenfeindliche Bomben?
    Vor allem sind es die Kinder, die diese netten kleinen orangefarbenen Päckchen irgendwo in der Landschaft finden, sie anfassen udn dann
    von ihrer Explosionskraft zerrisen werden. Wer solche Waffen herstellt, mit ihnen handelt, sie zu Einsatz-Zwecken besitzt doer sie gar einsetzt, der ist in meinen augen ein verbrecher!
    Die Zahl der „Terroristen“ und „Verbrecher“ scheint im Nahen Osten leider sehr groß zu sein.
    Was mich immer wieder betrübt, ist die Erfahrung, dass Israel aus dem Holocaust anscheinend nicht viel gelernt hat: Der Respekt vor der Würde jedes – ausnahmslos jedes! – Menschen darf nie eingeschränkt werden!
    Ich hoffe sehr, dass die Welt das eines Tages lernen wird. Hoffnung darf und muss man da haben, obwohl die Kriege überall in der Welt eine andere Sprache schreien.
    Shalom!
    fjh

  5. @FJH: Ich finde es bezeichnend, dass du mir vorwirfst, die Schuld einseitig zu verteilen. Das ist typisch – entschuldige, dass ich das so sagen muss – für eine linke deutsche Einstellung, deren Vertreter nicht genau zuhören können. Ich habe den Palästinensern nicht die Schuld zugesprochen. Interessanterweise warst du es, der gesagt hat: Wer Bomben wirft, ist ein Verbrecher, und du hast es fast nur auf die israelische Armee bezogen. Ich behaupte einfach einmal, dass deine Meinung zu dem Konflikt wesentlich einseitiger ist als meine. Während des Libanon-Krieges habe ich einen Blogeintrag geschrieben, den du unter http://wahrenhaus.jens-bertrams.de/2006/08/12/137/ nachlesen kannst. Darin siehst du, wie sehr ich verbrecherische Angriffe der israelischen Armee verurteile, und das schon seit vielen Jahren. Ich habe fast immer Israel für den größeren Agressor gehalten. Ich bin auch heute nicht der Meinung, dass Israel immer richtig handelt, und wer das behauptet, der liest einfach nicht, was ich hier schreibe. Da springt ein typisch deutscher Reflex an. Ich habe in meiner vorigen Antwort schon geschrieben, dass die Linken gerade in den siebziger Jahren schon einen Hass auf Israel haten, dass sie, wie die RAF, zwar die Väer verurteilten, in ihren Teroranschlägen gegen Juden aber auch nicht zimperlich waren.

    Klar ist Israel nach dem Holocaust entstanden, und das, nachdem viele jüdische Flüchtlinge dorthin gegangen sind, als die Briten die Einwanderung endlich freigaben. Eine Jüdische „Heimstatt in Palästina“ versprach der britische Außenminister Balfour allerdings schon 1917. Das darf man nicht vergessen. Ich finde, es greift zu kurz, wenn man nur den Holocaust für die Gründung Israels verantwortlich macht. Die Idee dieses Staates stammte von Theodor Herzl, und der lebte ende des 19. Jahrhunderts.

    Um einen Konflikt zu beurteilen, muss man immer beide Seiten betrachten. Es mag heutzutage politisch korrekt sein, einseitig die Palästinenser für die Opfer zu halten. Wenn aber ihre Führer offen sagen, dass man sich künftig als Lebende Schutzschilde hinstellen soll, damit Israel keine Möglichkeit hat, die Raketenbauer und die Abschussbasen zu finden und zu zerstören, dann ist für mich eine gewisse perfidität auch gegenüber der palästinensischen Zivilbevölkerung erreicht, die man nicht mehr wegdiskutieren kann. Es gibt Radikalität auf beiden Seiten. Es reicht nicht, immer nur die Radikalität der israelischen Generäle zu sehen. Die ist mit Sicherheit auch da. Aber sie ist nicht die einzige Radikalität. Durch den Glauben und die Religion angestachelt, darf man die Radikalität von Hamas und Hisbollah nicht unterschätzen.

    Ich empfehle, meinen Artikel über die Letters from Rungholt unter http://wahrenhaus.jens-bertrams.de/2006/11/15/179/ zu lesen und vielleicht auch mal in dieses Blog reinzuschauen, dass von einer deutschen geschrieben wird, trotz des englischen Namens auf deutsch, die seit Jahrzehnten in Israel lebt, und die aus eigener Anschauung über den Konflikt berichtet und uns näherbringt, dass man auch als Israeli Freunde bei Raketenangriffen verlieren kann, dass man auch dort Angst haben kann. Dass es viele Israelis gibt, die für Frieden Demonstrieren, und dass man dort im Gegensatz zu Europa die Reden des Hisbollah-Führers hört. Wir hören nur von Israel, nie ber offizielle Stellungnahmen der Hisbollah. Sie nicht ernst zu nehmen, wäre unsinn, den durch ihre Aktionen sterben Menschen.

    Link zu den Letters from Rungholt: http://rungholt.wordpress.com

  6. Lieber Jens,
    ich finde es sehr schade, dass Du mir Einseitigkeit vorwirfst und behauptest, ich hätte Deinen Eintrag nicht richtig gelesen. das erweckt bei mir den Eindruck, Du hättest meinen Eintrag nicht richtig gelesen.
    Ich hatte gerade nicht einer Seite einseitig die Schuld zugewiesen! Vielmehr hatte ich die Frage gestellt, ob der Begriff „Schuld“ in diesem Konflikt überhaupt taugt.
    Wenn man ihn aber verwendet, dann muss jedes konkrete Handeln einzeln darauf hinterfragt werden, welche Folgen es für die Menschen hat.
    In diesem Zusammenhang kann und will ich die israelische Armee nicht exkulpieren, wie Du es meiner Wahrnehmung nach tust. Keiner hat ein recht, auf irgendjemanden Bomben zu werfen. Weder darf das die israelische Armee, noch irgendwelche palästinensichen oder libanesischen „Armeen“. Terror ist und bleibt Terror und muss auch so genannt werden dürfen!
    Im Übrigen weiger ich mich, das Etikett „Linker“ für mich zu akzeptieren. Ich bin doch wohl groß genug, in so eine kleine Schublade nicht hineinzupassen, oder?
    Wenn Du schon ein Blog betreibst und auf Äußerungen zu Deinen Einträgen hier hoffst, dann solltest Du Deine User auch ernst nehmen!
    Dann solltest Du nicht auf eine Äußerung, die Deiner vorherigen widerspricht, heftig anspringen, ohne sie genau reflektiert zu haben!
    Ich jedenfalls empfinde Deine Antwort auf meinen Eintrag nicht als Ausdruck der inhaltlichen Auseinandersetzung damit, sondern als Rechtfertigungsversuch Deiner vorherigen Position.
    Ich jedenfalls weigere mich, einen Krieg zu akzeptieren oder zu tolerieren, der Kinder, Frauen und Männer tötet. Terroristen sind in diesem Konflikt leider auf verschiedenen Seiten aktiv. Dagegen hatte ich mich für Frieden und Verhandlungen eingesetzt. Was hast Du dagegen?
    Wenn Du auf Theodor Herzl ansprichst, Jens, dann gebe ich zu bedenken, dass er seinen jüdischen Staat zwar zunächst in Palästina errichten wollte, später dann aber irgendwo in Afrika. Er hatte dort schon Land versprochen bekommen. Ob das weniger konfliktträchtig geworden wäre, kann und darf man allerdings bezweifeln.
    Aber die „Zionisten“ – so nannten sich Herzls Anhänger – folgten ihm bei seiner Idee mit Afrika nicht. Sie wollten in das biblische Land ihrer Väter.
    Nun haben wir den Salat. Man hätte es noch retten können. Doch Rabbin wurde ermordet. Mit ihm wurde der Frieden im Nahen Osten hingerichtet. So stehen wir heute vor den Scherben.
    Beendet hatte ich meinen Beitrag mit dem Friedensgruß „Shalom“.
    Das wünsche ich Dir und allen Lesern hier
    fjh

  7. @FJH: Entschuldige, ich wollte das nicht persönlich verstanden wissen. Ich hatte eben nur den Eindruck, dass dein Posting eine einseitige Position darstellte, weil formal zwar beide Seiten angesprochen wurden, ich aber den Eindruck hatte, dass du als Verbrecherisch nur den Krieg und die Aktionen der israelischen Armee bezeichnest.

    Wir sind uns doch einig, dass erstens jeder Krieg zu verurteilen ist. Wir sind uns auch einig, dass es ein Verbrechen ist, Zivilisten zu töten. Wir sind uns zum Dritten über die Rolle einig, die Izhak Rabbin und Yassir Arafat mitte der neunziger Jahre eingenommen haben. Es besteht auch für mich überhaupt kein Zweifel daran, dass es die fehlende Staatsmännische Gelassenheit der israelischen Führer nach Rabbin war, die den Konflikt wieder ausbrechen ließ. Während der Rabbinähra reagierte man auf Anschläge nicht militärisch. Aber gerade, wenn man friedlich auf Anschläge reagieren soll, ist es wichtig, dass die Welt diese Anschläge verurteilt. Ich habe in deinen beiden Postings nichts über die Führer der Hisbollah und der Hamas gehört, nichts über eine Verurteilung der Taktik, mit eigenen Zivilisten wie mit Kanonenfutter umzugehen. Man muss eben beide Seiten betrachten. Für mich ist es kein Problem, immer wieder zu sagen, dass Israel überreagiert, Menschenrechte verletzt, Kriegsverbrechen begeht. Ich habe nur eine etwas weitere Sichtweise zu diesem Konflikt bekommen, seit ich gelesen habe, wie große Teile der israelischen Bevölkerung damit umgehen, wie Friedensdemonstrationen und Hilfsaktionen für die Libanesische Bevölkerung organisiert wurden, und wie gleichzeitig die Angst vor Raketeneinschlägen blieb. Auch wenn du nicht als Linker bezeichnet werden willst, ist die Argumentationslinie, die ich bei dir herauszuhören glaubte eine, die man oft bei sogenannten Linken in Deutschland findet. Und ich sage das genau deshalb, weil ich mich in der Regel eben diesen Positionen sehr nahe fühle. Nur dieser Konflikt, der unser ganzes Verhältnis zur arabischen Welt bestimmt, der muss meiner Ansicht nach differenziert betrachtet werden. Da muss man die Raketen von Palästina aus genauso scharf verurteilen wie die Bomben von Israel aus. Man kann einfach von einer Regierung, die ihre Bürger schützen soll, nicht erwarten, dass sie gar nicht reagiert, wenn mehrere Male pro Tag Raketen fallen. Du hast vollkommen recht, Verhandlungen müssen her. Ich hatte schon einmal geschrieben: wenn die Führer der Hisbollah und der Hamas wiedereinmal Frauen vor Moscheen stellen, hinter und zwischen denen sich verkleidete Terroristen verbergen, dann sollten die Israelis das photographieren und in Den Haag anzeigen, ohne zu schießen. Das ist meine Meinung, aber es nützt nichts, diese Dinge, die auf Seiten der Hisbollah und der Hamas geschehen, zu ignorieren und so zu tun, als seien sie nur die Reaktion auf Israel.

    Ja, du hast recht, die Afrikatheorie kenne ich auch. Wie sang doch schon Heinz-Rudolf Kunze: „Die könnten jetzt doch alle in Madagascar sitzen…“ in dem titel „Wir haben das doch gar nicht gewollt.“ Gemeint ist der Holocaust. Viele Zionistenführer waren natürlich auch radikal in ihren Forderungen. Sie beriefen sich auf ein Unrecht, das dem jüdischen Volk 70 nach Christus angetan wurde, und sie beriefen sich auf den Judenhass in Europa. Und ab 1917 beriefen sie sich auf Balfour. Es hilft nichts, wir müssen mit den Realitäten leben. Es gibt Israel, und man kann es nicht mehr von der Landkarte tilgen, und ich für meinen Teil will das auch gar nicht. Vor Jahren habe ich einmal gesagt: „Israel handelt faschistisch und militaristisch, obwohl sie es besser wissen müssten.“ Damals habe ich aber die menschliche Seite der Tragödie in Israel ausgeblendet und nur die Tragödie der Palästinenser gesehen. Das ist es, was sich geändert hat, seit ich die Letters from Rungholt mitlese, nichts anderes. Und meine Einstellung zu radikalen Muslimen natürlich, von denen ich damsls keine Ahnung hatte. Aber: Wer Geld von derr europäischen Union bekommt und dafür Waffen kauft, anstatt die eigene verarmte Bevölkerung zu ernähren, der ist für mich ein Verbrecher, genauso wie der, da gebe ich dir recht, der einfach Bomben auf Zivilisten wirft.

  8. Das Nest sagt:

    @jens: entschuldige, aber ich finde, wenn Du FJH Einseitigkeit vorwirfst, hast Du seinen Artikel auch nicht gründlich gelesen. Er verurteilt ausdrücklich ebenfalls beide Seiten. IHr setzt nur andere Schwerpunkte. Und der Schwerpunkt in FJHs Beitrag liegt sowieso nicht darin, wer die Bomben wirft, sondern darin, so verstehe ich ihn jedenfalls, daß – egal, wer sie wirft -, Bomben absolut nicht der Weg sind, und auch nicht der Weg ist, Schuld zuzuweisen, sondern sich darum zu kümmern, wie man die Situation auf gewaltfreie Art zu entschärfen. Ich kann verstehen, daß es Dir ein Anliegenist, auch mal zu beschreiben, wie Palästinenserführer die Bevölkerung aufstacheln, weil es Dir so neu zu sein scheint. MIr war das nicht neu, auch wenn es nicht durch die täglichen Nachrichten wandert. Ich habe davon schon öfter gehört. Für FJH liegt der Holocoust näher, aber er hat ihn keineswegs als Generalentschuldigung für Israel gebraucht. Im GEgenteil: Er hat es sehr bedauert, daß Israel daraus nichts gelernt habe. Im übrigen finde ich, daß solche Polemisierungen wie „typisch deutsche linke Einstellung“ und was man sich sonst noch um die OHren werfen kann, wenig hilfreich sind und eine konstruktive Debatte echt stören.

    Einen wichtigen Aspekt finde ich noch eine aussage von FJH: Jeder ist für sein und ihr Tun selbst verantwortlich und trägt auch eigene Schuld. Natürlich ist es unmoralisch, wenn palästinensische führer ihre Leute dazu auffordern, Schutzschild zu sein – es ist aber auch genauso unmoralisch, es zu tun. Da sehe ich nicht nur arme, aufgehetzte Bevölkerung. Das sind alles denkende Menschen, die notfalls sogar noch ihre Kinder, die die Lage nicht überschauen können, dazu anstiften. Genau wie es in Israel unterstützende Zivilisten gibt. Wir müssen überall, denke ich, endlich damit aufhören, die POlitiker grundsätzlich vor das Volk zu schieben. Klar gibt es Sachen, die in der Verantwortung der Politik liegen und wo das Volk relativ wenig machen kann, aber in den meisten Fällen steht eine duldende Bevölkerung dahinter. Und da muß auch mit Friedensverhandlungen angesetzt werden.

  9. Das Nest sagt:

    Das ist jetzt das letzte, was ich hierzu schreibe, denn es scheint sich festzufahren. Ich finde, wir sollten endlich aufhören, uns in Schubladen wie „links“ und rechts einzuordnen. So entstehen – gewollt oder ungewollt – Streitigkeiten. Diese Begriffe mögen *mal* begrenzt sinnvoll sein, wenn man in ganz kurzen Worten beschreiben will, wo eine Organisation steht oder so, aber beim einzelnen Menschen greift es doch schon lang nicht mehr, hat es wohl noch nie. Aber natürlich ist es schwieriger zu hören,was ein einzelner Mensch sagt, als ihn einfach in eine vorgefertigte Schublade zu stecken und nur noch Schlagworte herauszuklauben. Durch solcherlei Polarisierungen entstehen meiner Meinung nach Politikverdrossenheit und Stilllstand. entschuldigt, daß das hier etwas außerhalb des themas war, aber es kam nun mal in diesem Faden vor.

  10. @Das nest: Okay, den Rüffel stecke ich ein. Meine Äußerung übe die deutschen Linken war unverhältnismäßig und nicht zweckdienlich. Natürlich liest Franz-Josef ausführlich und hört auch zu. Ich wollte das, wie gesagt, auch nicht persönlich verstanden wissen. Ich nehme an, dass unsere eigentlichen Positionen nicht weit auseinander liegen. Nicht nur bei den sogenannten linken, sondern auch bei mir scheint ein Reflex anzuspringen, wenn ich glaube, eine Einstellung zu hören, die irgendwie einseitig klingt. Nach genauer Zweitlektüre der Beiträge die du, FJH, hier hinterlassen hast, sehe ich ein, dass sie ausgewogener waren, als ich sie anfangs bewertet habe. Ich bin Derjenige, der sich um eine differenziertere Sichtweise des Nahost-Konflikts bemüht, und das habe ich in meinem Ursprungsposting versucht. Vielleicht ist die Kritik von dir, Franz-Josef, an dem Ursprungsposting das, was ich noch nicht ganz verstanden habe, den mein Ursprungsposting ist meiner Ansicht nach ebensowenig einseitig, wie deine Antwort. Ich habe auf ein tagesaktuelles Ereignis reagiert, das mich geschockt hat.

    Ich nehme an, wir werden diese Diskussion hier nicht mhr zu einem Ende führen können, was mir leid tut.

    Alles Gute

  11. lieber Jens,
    es sind immer kleine Worte, die mich an Deinen Äußerungen stören. Wahrscheinlich bin ich da ein wenig überkritisch. Aber Worte wie „Menschlichkeit“, wenn jemand auf ein geplantes Bombardement verzichtet, oder „überreagiert“ für Bombenabwürfe finde ich sehr verharmlosend.
    Ich denke, dass die Schilderungen der Frau in dem aderen Blog Dich betroffen gemacht haben. Das ist auch gut so.
    Läsest Du aber jeden Tag das Blog einer Deutschen in Palästina, sähest Du das vielleicht anders.
    Die Menschen auf beiden Seiten sind die Leidtragenden eines Konflikts, der längst hätte beendet werden müssen.

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