Dass Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bestrebt ist, PC’s heimlich online durchsuchen zu lassen, ist seit einigen Wochen bekannt. Seit kurzem wissen wir auch, dass diese Onlinedurchsuchungen bereits seit 2 Jahren stattgefunden haben. Da der Computer für mich ein wichtiges Hilfsmittel ist, erhebe ich dagegen jetzt Verfassungsbeschwerde.
Drauf gebracht haben mich Der Wasserstandsmelder und Rationalstürmer, die ihren Text freundlicherweise zum Download und zur Übernahme bereitgestellt haben. Nun übernehme ich nicht einfach alles, was ich im Internet finde, springe nicht einfach auf einen fahrenden Zug auf, aber ich habe wirklich etwas hinzuzufügen aus meiner eigenen Betroffenheit als blinder Mensch heraus. Ich nutze den Computer als Hilfsmittel für meine gesamte Korrespondenz, auch für meine privatesten Briefe und auch für Rechnungen. Ich benötige nun einmal eine Sprachausgabe und kann heutzutage nicht auf ein anderes Hilfsmittel ausweichen. Ich behaupte, dass mich die Ausschnüffelung meines Computers in besonderer Weise verletzt.
Auch ich stelle meinen Text hier online. In der Form, wie ich ihn hier stehen habe, ist er – ohne Gewähr – eher für blinde und sehbehinderte Menschen geeignet.
Bundesverfassungsgericht
Schloßbezirk 3
76131 Karlsruhe
Verfassungsbeschwerde
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie ich folgenden Medien entnahm
http://www.golem.de/0704/51904.html
http://www.heise.de/newsticker/meldung/88824
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,479396,00.html
http://www.sueddeutsche.de/,ra7m3/computer/artikel/671/111560/
führen staatliche Stellen, insbesondere das Bundesamt für Verfassungsschutz, bereits seit dem Jahr 2005 sogenannte verdeckte Online-Durchsuchungen von Computern durch. Diese Maßnahmen stützen sich nach den Medienberichten auf eine Dienstanweisung des ehemaligen Bundesinnenministers Dr. Otto Schily.
Der weiteren Berichterstattung vom 26.04.2007 zufolge
(z.B.
http://ftd.de/politik/deutschland/:Sch%E4uble%20PC%20Schn%FCffeleien/192374.html
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,479747,00.html
hat Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble vorläufig alle weiteren Online-Durchsuchungen durch die Geheimdienste gestoppt. Nichtsdestotrotz halte ich die von Bundesinnenminister Dr. Schily begonnene und von Bundesinnenminister Dr. Schäuble fortgeführte Praxis der Online-Durchsuchung ohne gesetzliche Grundlage für verfassungswidrig.
Ich erhebe Verfassungsbeschwerde und beantrage,
a) im Wege der Einstweiligen Anordnung das Bundesministerium des Innern zu verpflichten, die verdeckte Online-Durchsuchung von Computern sofort nachweislich einzustellen bzw. einstellen zu lassen und weitere verdeckte Online-Durchsuchungen bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde nicht durchzuführen oder durchführen zu lassen,
b) festzustellen, daß die Dienstanweisung des damaligen Bundesinnenministers Schily meine verfassungsmäßigen Rechte der Unverletzlichkeit der Wohnung, des Fernmeldegeheimnisses und des Rechtes der Informationellen Selbstbestimmung verletzt und keine verfassungsgemäße Grundlage für einen Eingriff in diese Rechte ist. Außerdem stellt sie nach meiner Auffassung eine ungerechtfertigte Diskriminierung aufgrund meiner Behinderung dar. Sie soll aufgehoben werden.
Begründung.
Ich bin privat und beruflich an das Internet angeschlossen. Mein Computer wird privat und beruflich (ehrenamtlich) genutzt; Soweit ich den Computer privat nutze, befinden sich auf meiner Festplatte eine große Zahl sehr persönlicher Daten, die keinesfalls für Dritte bestimmt sind und zum vom BVerfG postulierten „Kernbereich der privaten Lebensgestaltung“ zu zählen sind. Beispielsweise seien hier private Briefe, Aufzeichnungen (auch Tagebuchaufzeichnungen), E-Mail-Korrespondenz usw. genannt. Als Nutzer eines an das Internet angeschlossenen Computers bin ich potentiell von der verdeckten Online-Durchsuchung betroffen, da der Staat aufgrund der oben genannten Dienstanweisung auf meinen Rechner zugreifen kann.
Es ist mir nicht möglich, meine private Korrespondenz ohne Hilfe eines Computers abzuwickeln, da ich blind bin und beim Lesen von Briefen und dem selbstständigen Führen meiner Korrespondenz auf eine Sprachausgabe (Screenreader) angewiesen bin. Es kann von mir billigerweise nicht verlangt werden, dass ich auf den Computer als wichtigstes Hilfsmittel zu meiner informationellen Selbstbestimmung verzichte. Zwar gibt es theoretisch die Möglichkeit, dass eine Person meines Vertrauens mir Briefe und andere Korrespondenz vorliest, hierfür müsste ich aber einen Entgelt entrichten, der für mich als Bezieher des Arbeitslosengeldes II nur schwer aufzubringen ist. Außerdem gehört für mich zu einem selbstständigen Leben, und damit zu einem Leben in Würde, die möglichst eigenständige Bearbeitung meiner Korrespondenz.
Im Übrigen ist zu beachten, dass immer mehr Unternehmen Ihre Rechnungen als E-Mail an ihre Kunden senden, was bei einer Ausspionierung meines Computers den staatlichen Behörden ermöglichen würde, meine finanziellen Gegebenheiten in Erfahrung zu bringen. Da ich als behinderter Mensch auf den Computer als Hilfsmittel angewiesen bin, stellt die Onlinedurchsuchung für mich persönlich auch eine ungerechtfertigte Diskriminierung im Sinne des Art. 3, Abs. 3 Satz 2 GG dar.
Die Verletzung der oben genannten Rechte ergibt sich aus dem Wesen der verdeckten Online-Durchsuchung, unter der auch vom Bundesinnenministerium offenbar die heimliche, mit Hilfe von Datenübertragung über das Internet vorgenommene Durchsuchung des Inhaltes von Computerfestplatten und -arbeitsspeichern verstanden wird. Eine solche heimliche Kenntnisnahme des Staates von persönlichsten Daten verletzt mein Recht auf Informationelle Selbstbestimmung, da ich weder weiß noch kontrollieren kann, welche meiner höchstpersönlichen Daten dem Staat zur Kenntnis gelangen. Es verletzt mein Recht aus dem Telekommunikationsgeheimnis, da nicht auszuschließen ist, daß auch Online-Kommunikation, die nicht im Rechner gespeichert wird (bspw. Chats), während sie stattfindet, vom Staat „mitgelesen“ wird. Schließlich verletzt sie mein Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, da der Staat durch den Zugriff auf Daten, die auf einem in meiner Wohnung befindlichen Computer gespeichert sind, zwar nicht physisch, aber vermittels der Datenübertragung in meine Wohnung eindringt.
Im Übrigen mache ich mir die Argumentation zu Eigen, derer sich der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung zur verdeckten Online-Durchsuchung (StB 18/06) bedient hat.
Ich bitte, über den Antrag auf Einstweilige Anordnung alsbald zu entscheiden, da ich die mit einem heimlichen Zugriff des Staates auf meine privatesten Daten verbundenen, ohne ausreichende gesetzliche Grundlage vorgenommenen Grundrechtseingriffe für erheblich halte.
Mit freundlichen Grüßen
Ich werde den Text Anfang der Woche losschicken. – Kommentare und Meinungen erwünscht.
Copyright 2007, Jens Bertrams.
Na dann viel Glück – ich glaube nicht dass es wirklich was bringt aber wie heißt es noch wegen Dunkelheit und Kerzen? 🙂
Ad Astra
@Prospero: Ich habe auch keine große Hoffnung. Aber soll man es deswegen gar nicht machen? – Eben drum mache ich es und warte ab, ob sie mich wenigstens eines Antwortbriefes für Wert erachten:-). – Mal sehen, was passiert.
Lieber Jens,
wahrscheinlich wird Deine Klage an der Zulässigkeit scheitern. Du müsstest sie deswegen vielleicht auch an ein Verwaltungsgericht richten.
Das Üble ist aber, dass ja niemand weiß, ob sein Rechner online durchsucht wird oder worden ist. Insofern kann man einen konkreten Bezugspunkt hier ja gar nicht angeben.
Insofern ist auch ein Gerichtliches Verfahren vor den normalerweise zuständigen Gerichten hier ja gar nicht möglich, weil es an einer kon´kret vorliegenden, gegen Dich gerichteten, Verwaltungsverfügung mangelt.
Wolfgang Schäubles Generalangriff gegen die Freiheitsrechte bedarf indes jeder erdenklichen Kritik und Gegenwehr, solange sie sich freiheitlich und demokratisch verhält. Eigentlich ist das ein Putsch gegen das Grundgesetz, was er da betreibt.
Deswegen dürften die anderen auch nicht tatenlos zuschauen in Berlin. Doch Dietr Wievelspütz (SPD) springt ihm ja auch noch bei, wenngleich auch nur teilweise.
Versuch also Dein Glück, auch wenn es formal eng werden könnte!
Liebe Grüße
fjh
Pingback: Nur mein Standpunkt » links for 2007-04-30
Leider ist die Mehrheit der Bevölkerung sich nicht der Gefahr bewußt, der durch schrittweisen Abbau des Datenschutz ausgeht. Nach dem Motto: „Ich habe ja nichts zu verbergen“. Wer wegen der Sicherheit seine Freiheit aufgibt wird Sicherheit und Freiheit verlieren.
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Im freiheitlich demokratischen Rechtsstaat hat es ungesetzliche Online-Durchsuchungen gegeben. Für die Gesetesverletzer gibt es offenbar keine Konsequenzen.
Schade. Schade für unser Grundgesetz. Schade für den Rechtsstaat.
Wird wieder einmal weggesehen?
So fängt es an mit dem Unrechtsstaat …