Der folgende Bericht ist der erste in einer Reihe, der für deutsche Leser die Regierungsbildung in den Niederlanden ausführlich darstellen soll. Ein Ziel dieser Reihe ist es, darzustellen, dass man diesen Prozess auch relativ transparent durchführen kann, ohne dabei vertrauliche Informationen weiterzugeben. Außerdem hoffe ich, dass politisch interessierte Menschen, die sich für die Niederlande interessieren, diesen Bericht aufschlussreich, interessant und bereichernd finden.„Das Kabinett der Königin teilt mit: Ministerpräsident Dr. J. P. Balkenende hat, wie es üblich ist, ihrer Majestät der Königin im Zusammenhang mit den Wahlen zur zweiten Kammer der Generalstaaten den Rücktritt aller Ministter und Staatssekretäre angeboten. Die Königin wird das Rücktrittsgesuch in Erwägung ziehen und hat die Minister und Staatssekretäre ersucht, auch weiterhin Dasjenige zu erledigen, was sie im Interesse des Königreiches für notwendig erachten.“
Mit dieser Mitteilung begann am Mittag des 9. Juni 2010 die Bildung der neuen niederländischen Regierung. Während in Deutschland die Regierungsbildung in der Regel in Hinterzimmern oder auf den Titelseiten der Bildzeitung vonstatten geht, handelt es sich in den Niederlanden um einen zumindest formal durchschaubaren Prozess, der sich an die immer gleichen Traditionen und Abläufe hält. Das hat Vorteile, bringt aber in der Flexibilität des Ablaufes auch Nachteile mit sich. Trotzdem ist es ungemein spannend. Vor 4 Jahren habe ich schon einmal versucht, die Regierungsbildung in den Niederlanden für deutsche politikinteressierte Menschen zu beschreiben, habe aber nach meinem ersten Eintrag aufgegeben, weil ich keine Zeit mehr hatte, das Thema entsprechend zu verfolgen. Ich will es noch einmal versuchen.
Am Tag der Wahlen ist es üblich, dass der Ministerpräsident, nachdem er selbst gewählt hat, zur Königin geht und ihr den Rücktritt der Regierung anbietet. So tat es Jan Peter Balkenende auch am Mittag des 9. Juni 2010. Er wusste vermutlich schon, dass er einen herben Verlust an Stimmen hinnehmen musste, und dass er kaum Gelegenheit haben würde, erneut mit der Regierungsbildung beauftragt zu werden. Da ein Land nun einmal eine Regierung braucht, nahm die Königin das Rücktrittsgesuch zwar entgegen, bat aber die Regierungsmitglieder, auch weiterhin ihre Aufgaben wahrzunehmen. In Deutschland ist eine Regierung auch nach dem Wahltag voll handlungsfähig, sie tritt erst zurück, wenn die neue Regierung ernannt wird. In den Niederlanden ist ein sogenanntes demissionäres Kabinett nur noch eingeschränkt handlungsfähig. Es kann die laufenden Geschäfte führen, aber keine Initiativen mehr zu Gesetzesänderungen oder Verordnungen einbringen. Das politische Leben liegt im Grunde nach einer Wahl in den Niederlanden still, bis die neue Regierung im Amt ist. Und das kann schon mal 3 oder 4 Monate dauern. Zumal in diesem Falle das Wahlergebnis echte Probleme mit sich brachte.
Stärkste Partei wurde die rechtsliberale VVD mit ihrem Spitzenkandidaten Mark Rutte. Rutte war früher Manager bei Unilever und gilt als Wirtschaftsliberaler. Er hat klar gesagt, dass in den kommenden Jahren gespart werden muss. Trotzdem haben 20 Prozent der Bürger ihm ihre Stimme gegeben. Nur knapp hinter Rutte rangiert die sozialdemokratische PVDA mit Job Cohen als Spitzenkandidat. Der ehemalige amsterdamer Bürgermeister ist ein pragmatischer und deshalb beliebter Mann. Allerdings ist er bei Debatten eher unauffällig und nicht besonders schlagfertig, was ihn in den ersten Wochen der Campagne viele Stimmen kostete. Bei seiner Benennung zum Spitzenkandidaten sagten die Umfragen nämlich noch einen klaren Vorsprung für die Sozialdemokraten voraus. Drittstärkste Kraft ist der Rechtspopulist Geert Wilders. Er war früher in Ruttes Partei, wurde dann aber zum unversöhnlichen Islamgegner und Populisten. Auch mit der Demokratie hat er es nicht so, denn er ist das einzige Mitglied seiner Partei, und darum kann er über alles allein bestimmen, vor allem über die Liste der Kandidaten für die Wahl. Erst auf Platz 4 landeten die bislang stärksten Christdemokraten unter Balkenende. Sie büßten die Hälfte der Sitze und Stimmen ein. Balkenende zog auch gleich am Abend die Konsequenz und trat als Parteiführer zurück. Als geschäftsführender Ministerpräsident bleibt er bis zur Ernennung der neuen Regierung im Amt. Vermutlich wird er sich dann aus der Politik zurückziehen. Während die Sozialistische Partei 10 Sitze verlor und damit ebenfalls rund 40 Prozent ihrer Stimmen, kletterten Linksliberale und Grüne in der Wählergunst. 2 kleine christliche Parteien und eine kleine Tierschutzpartei vervollständigen den Reigen der Parteien im Parlament. Natürlich war nun die Frage zu stellen, welche Koalitionsmöglichkeiten es gab. Die Spekulateure kamen auf drei mögliche Koalitionen. Zunächst das „Kabinett über Rechts“. Es bestünde aus Rechtsliberalen, Rechtspopulisten und Christdemokraten. Traditionsgemäß wird der Führer der stärksten Fraktion mit der Regierungsbildung beauftragt bzw. erhält seine Partei den Vorzug beim Versuch, eine Regierung zu bilden. In dieser Regierung sollen nach Möglichkeit auch die größten Gewinner sitzen. In diesem Falle wären das die Rechtsliberalen und die Rechtspopulisten. Sie allein verfügen aber nur über 55 der 150 Sitze im Parlament, also müsste noch eine dritte Partei her. Hier kommen nur die Christdemokraten in Betracht, die sich programmatisch mit den beiden anderen Parteien einigen könnten. Allerdings ist es widerum traditionsgemäß so, dass eine Regierungspartei, die so stark verliert wie die Christdemokraten, in die Opposition gehen muss. Eine weitere Möglichkeit für eine Regierungsbildung wäre so etwas wie eine große Koalition mit Rechtsliberalen, Christdemokraten und Sozialdemokraten. In Deutschland wären das CDU, SPD und FDP zusammen. Ein sogenanntes „nationales Kabinett“ hätte auch die Mehrheit, aber gerade zwischen Rechtsliberalen und Sozialdemokraten gibt es in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik fast unüberbrückbare Unterschiede. Als drittes käme noch eine Regierung mit der Bezeichnung „Lila plus“ in Betracht. An ihr würden die Rechtsliberalen, die Sozialdemokraten, die Linksliberalen und die Grünen teilnehmen. Linksliberale und Grüne hatten schon im Wahlkampf offen für eine solche Regierung geworben, doch auch hier stellt sich das Problem der programmatischen Unterschiede zu den Rechtsliberalen, die ja immerhin die stärkste Partei geworden sind. Das war die Ausgangslage, als die Vorbereitungen zur Regierungsbildung begannen.
Donnerstag, 10. Juni 2010 – Tag 1
In den morgenstunden versammelten sich die neuen Fraktionen des Parlaments, um ihre Fraktionsvorsitzenden zu wählen. In den Niederlanden tritt das Parlament schon 8 Tage nach der Wahl zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Außerdem spielen die Fraktionsvorsitzenden, die im allgemeinen Sprachgebrauch auch „politische Führer“ genannt werden, eine große Rolle bei der Regierungsbildung. Alle Spitzenkandidaten wurden bestätigt, mit Ausnahme von Balkenende. Statt seiner wurde erwartungsgemäß der noch amtierende Außenminister Maxime Verhagen zum Fraktionsvorsitzenden der Christdemokraten gewählt. Allerdings kann er derzeit noch nicht diese Aufgabe wahrnehmen, in den Niederlanden ist es nämlich verboten, gleichzeitig Mitglied in Parlament und Regierung zu sein. Dasselbe gilt für den Vorsitzenden der Fraktion der Christenunion, einer der beiden kleinen christlichen Parteien. André Rouvoet ist derzeit auch noch Minister, da die Christenunion der letzten Regierung Balkenende angehörte.
Dieser erste Tag ist traditionell ein ruhiger Tag. Die Fraktionsvorsitzenden werden gewählt, lassen sich in der Regel aber nicht über ihre Koalitionswünsche aus. Die Königin hat das Wort, und die Fraktionsvorsitzenden beraten mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, welchen Rat sie ihr geben sollen.
Gegen nachmittag dann die nächste Meldung:
„Das Kabinett der Königin teilt mit: Ihre Majestät die Königin wird heute Abend (Donnerstag 10. Juni 2010) Im Palast Noordeinde, wie nach Wahlen üblich, ihre festen Berater empfangen: Drs. p. René h. M. van der Linden, den Vorsitzenden der ersten Kammer der Generalstaaten, Frau Gerdi A. Verbet, die Vorsitzende der zweiten Kammer der Generalstaaten, und Herrn Herman d. Tjeenk Willink, den Vizepräsidenten des Staatsrates.“
Dies ist traditionell der erste Schritt zur Bildung einer neuen Regierung. Die „festen Berater“ der Königin sind die Parlamentsvorsitzenden und der Vizepräsident des Staatsrates. Der Staatsrat ist ein Gremium, das die Königin berät und von ihr eingesetzt wird. Es handelt sich zumeist um altgediente Politiker, die keine öffentlichen Ämter mehr ausüben und allgemein als Weise betrachtet werden, und natürlich als überparteilich. Präsidentin des Staatsrates ist übrigens die Königin selbst. Mit diesen dreien bespricht das Staatsoberhaupt die politische Situation, die Schwierigkeiten der Regierungsbildung, die programmatischen Unterschiede der Parteien, aber natürlich auch die wirtschaftliche Situation des Landes. Sie fragt ihre drei Berater, wem sie welchen Auftrag zur „Information“ geben soll. Die „Informationsphase“ dient dazu, herauszufinden, welche Regierungskonstellationen überhaupt möglich sind. Die Königin, die sich ja eigentlich nicht in die Tagespolitik einmischen soll, hört in der Regel auf ihre Berater, die ja selbst aus der Politik kommen. In diesem Jahr ist Eile geboten. Das Land braucht so schnell wie möglich eine neue handlungsfähige Regierung. Natürlich will die Königin die Meinung der einzelnen Parteien und Fraktionen einholen, und so kam auch an diesem Donnerstag wieder, wie üblich nach Wahlen, folgende Meldung:
„Königin Beatrix hat am Donnerstagabend nacheinander ihre festen Berater empfangen. … Die Vorsitzende der zweiten Kammer hat der Königin mitgeteilt, dass im Parlament kein Bedarf an einer Debatte über den Wahlausgang besteht. Die Königin wird am Freitag (11. Juni 2010) im Palast Noordeinde die Fraktionsvertreter der politischen Parteien konsultieren. Die Reihenfolge der Audienzen wird wie üblich nach der Größe der Fraktionen vorgenommen. …“
Es ist möglich, dass die zweite Kammer den Wahlausgang diskutiert, wohl gemerkt die neue zweite Kammer, die erstmals am 17. Juni zusammentritt. Frühestens am 18. Juni wäre dann eine solche Debatte möglich. Bis dahin müsste die Königin dann warten, um einen Auftrag zur Konsultation über eine Regierungsbildung zu erteilen. Eventuelle Gespräche sollen dem Parlament nicht vorgreifen, darum würde eine Woche lang gar nichts passieren. Deshalb einigten sich die Fraktionen darauf, auf das Parlamentsrecht zur Diskussion über den Wahlausgang zu verzichten. Wer nun gehofft hat, man würde etwas über den Inhalt der Gespräche zwischen der Königin und ihren Beratern erfahren, sah sich, wie immer, getäuscht. Da die Königin strikt überparteilich arbeitet, hört man von ihr und ihren engsten Beratern niemals eine politische Meinung. Sie arbeiten für das gesamte Land und halten sich mit Meinungen über mögliche Koalitionen zurück.
Freitag, 11. Juni 2010 – Tag 2
Das Defilé der Fraktionsvorsitzenden bei der Königin begann um 9 Uhr. Mark Rutte, der Wahlsieger, war der erste. Journalistten warteten neugierig auf eine Aussage über eine Koalition, die seine Partei eingehen wolle, doch Rutte hielt sich zurück. Er sagte lediglich, dass er der Königin vorschlagen werde, eine schnelle Runde von Vorgesprächen zu führen mit einem Informateur, der herausfinden sollte, ob eine Koalition möglich ist, an der seine VVD und Wilders PVV beteiligt sein könnten, und die eine Mehrheit im Parlament haben würde. Vermutlich sagte er der Königin schon, welche Koalition ihm selbst am liebsten wäre. Es ist in den Niederlanden gute alte Tradition, dass man zuerst immer mit der Partei spricht, die die meisten Zuwächse bekommen hat. Es ist eine Art Wertschätzung. Aber man konnte den Eindruck gewinnen, dass Rutte tatsächlich daran dachte, mit Wilders zusammenzuarbeiten. Grüne und Linksliberale hatten Rutte schon im Wahlkampf aufgefordert, sich vom diskriminierenden Menschenbild Wilders zu distanzieren und eine Koalition mit ihm auszuschließen. Aber sowohl die Christdemokraten, als auch Ruttes VVD wollten sich die Möglichkeit offenhalten, mit Wilders zu regieren. Rutte bat die Königin, einen Informateur aus den Reihen seiner Partei zu benennen, der zuallererst herausfinden solle, ob eine Rechtskoalition möglich wäre. Genauer gesagt solle es Aufgabe des Informateurs sein, eine Koalition ausfindig zu machen, die eine „arbeitsfähige parlamentarische Mehrheit“
hinter sich bringen könne. Der Presse gegenüber lobte Rutte auch die Christdemokraten wegen ihrer langen Tradition und Kontinuität, und weil man sich mit ihnen über die Notwendigkeit auf sozialem Gebiet zu sparen, einig sei. Wer wollte, konnte daraus ablesen, dass Rutte ernsthaft positiv über eine rechte Regierung nachdachte.
Der Nächste im Reigen war Job Cohen von den Sozialdemokraten. Beinahe hätten sie mit den Liberalen gleich viele Sitze erhalten, den ganzen Wahlabend über sah es danach aus. Aber Cohen war ein guter Verlierer. Auch er schlug der Königin vor, einen Informateur aus den Reihen der Liberalen zu benennen. „Aufgrund der Wirtschaftskrise ist es wichtig, dass so schnell wie möglich eine Regierung antritt, die die notwendigen Beschlüsse für ein soziales und starkes Land fassen kann“, schrieb Cohen der Königin in seinem Brief. Der Informateur sollte nach Cohens Meinung den Auftrag erhalten, in einer ersten Phase zu erkunden, welche Koalition sowohl dem Wahlausgang gerecht würde, als auch auf eine breite Unterstützung in und eine fruchtbare Zusammenarbeit mit beiden Kammern des Parlaments bauen könne. Ein Rechtskabinett, soviel war klar, wurde diesen Anforderungen nicht gerecht. Von einer breiten Unterstützung konnte bei einer Stimme Mehrheit keine Rede sein, und weil es immer wieder Abweichler und kleine Skandale in Wilders PVV gegeben hatte, war auch eine „fruchtbare Zusammenarbeit“ aus Sicht der Sozialdemokraten nicht zu erkennen. Dass sie selbst auf keinen Fall mit Wilders zusammenarbeiten wollten, hatten sie schon vorher klar gemacht. Außerdem würde diese Koalition nicht über eine Mehrheit in der ersten Kammer verfügen. Während Mark Rutte sich mit eigenen Koalitionsaussagen und – Wünschen offiziell zurückhielt, erklärte Job Cohen in seinem Ratschlag an die Königin: „Unsere Präferenz ist natürlich ein möglichst progressives Kabinett unter Beteiligung – neben unserer eigenen Partei – der Grünen und der Linksliberalen D66.“ Allerdings fühgte er hinzu, dass es in der jetzigen Situation auf der Hand liege, zuerst die Möglichkeit eines Kabinetts auszuloten, an dem sowohl die Rechtsliberale VVD, als auch Wilders PVV beteiligt wären.
Geert Wilders hatte einen klaren Standpunkt, als er, begleitet von einem riesigen Medienecho, zur Königin ging. Auffallend sei, so teilte er dem Staatsoberhaupt mit, dass alle Parteien der bisherigen Koalition mehr oder weniger stark verloren hätten, und dass seine PVV am meisten Stimmen hinzugewonnen und die VVD die meisten Stimmen insgesamt erhalten habe. Seiner Meinung nach müsse nun so schnell wie möglich untersucht werden, ob ein Mehrheitskabinett gebildet werden könne. Womöglich seien dazu erst Orientierrungsgespräche nötig, angesichts der schwierigen politischen Lage. Es sei ein guter alter Brauch, dass die größte Partei zur Regierungsbildung die Initiative ergreifen solle. Der Informateur solle die Möglichkeit eines mitte-rechts-Kabinetts untersuchen.
Alle warteten nun mit Spannung auf Maxime Verhagen von den Christdemokraten. Wilders hatte sie ja als dritten Koalitionspartner ins Auge gefasst, und auch Mark Rutte ging davon aus, dass sie programmatisch am Besten zusammenpassen könnten. Problem war eben nur, dass der CDA, die Partei Balkenendes und Verhagens, die Hälfte ihrer Sitze eingebüßt hatte. Und Maxime Verhagen hatte schon öffentlich gesagt, dass seiner Partei angesichts des Wahlausganges Bescheidenheit gut anstehe. Ob das allerdings bedeutete, dass er nicht an einer Regierung mit VVD und PVV teilnehmen wollte? Wie alle anderen Fraktionsführer sagte er der Presse nichts. Es würde die später notwendigen Gespräche nur vergiften. Cohen und Wilders konnten ohne Probleme ihre Präferenzen öffentlich äußern, für Rutte und Verhagen war das schwer. Legten sie sich einmal auf eine Koalition fest, und zwar öffentlich, und war diese Koalition dann später nicht möglich aus programmatischen oder ideologischen Gründen, würde es für sie viel schwieriger sein, den Kurs zu wechseln. Außer einem rechten Kabinett gab es für Mark Rutte noch andere Möglichkeiten, und Verhagen war sich seiner Rolle als Zünglein an der Waage vermutlich von Beginn an bewusst. Wenn er „nein“ sagte, konnte das rechte Kabinett nicht zustande kommen, und es ist weise, dies nicht zu früh zu tun. Verhagen, 54 Jahre alt und Doktorand der Geschichtswissenschaft, ist schon seit 20 Jahren im politischen Geschäft und kennt sich aus. Obwohl er der Presse vor und nach seinem Gespräch mit der Königin nichts wesentliches mitteilte, hat er in seinem Brief an das Staatsoberhaupt doch einiges gesagt, wenn man ihn denn zu lesen versteht. Zu Beginn wiederholte Verhagen, dass seiner Fraktion Bescheidenheit anstehe. Doch dann fuhr er fort: „Die Komplexität des Wahlausgangs gibtt mir Anlass vorzuschlagen, dass ein Informateur aus den Reihen der VVD benannt wird, der eine Untersuchung durchführt über die Möglichkeit des Zustandekommens einer stabilen Regierungskoalition, die auf eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der zweiten Kammer des Parlaments bauen und eine Antwort auf die Finanz- und Wirtschaftskrise finden kann. Verhagen war also in diesem Brief mit einer Koalition zufrieden, die nur eine Mehrheit in der zweiten Kammer hat, nicht auch in der ersten Kammer. Beide Kammern sind am Gesetzgebungsverfahren beteiligt, aber weil die erste Kammer im nächsten Jahr neu gewählt wird, ist es für große Gesetzesvorhaben, die einige Zeit zur Ausarbeitung benötigen, noch nicht so wichtig, ob die Regierungskoalition schon jetzt auch die Mehrheit in der ersten Kammer hat. Sowohl die rechte Koalition, als auch die Variante „Lila Plus“ würden in der ersten Kammer derzeit nicht über die Mehrheit verfügen. Ob der Umkehrschluss erlaubt ist, kann ich derzeit noch nicht sagen, dass Verhagen nämlich mit seiner Formulierung eine Koalition der drei großen Parteien, also Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale, ausschließen wollte. Diese nämlich würde über eine Mehrheit in beiden Kammern verfügen. Welche Koalition eine Antwort auf die Wirtschafts- und Finanzkrise geben kann, ist unter Beobachtern umstritten. Viele gehen davon aus, dass VVD und PVV durchaus dazu in der Lage seien, denn die PVV sei ja aus der VVD entstanden. Andere glauben, dass Verhagen mit diesem Zusatz andeutete, dass eine Regierung mit der PVV zusammen kaum möglich ist, weil sie auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialpolitik eher den Sozialdemokraten und Sozialisten nahe stehe. Auch Verhagen teilte aber mit, dass zunächst Orientierungsgespräche zwischen den Rechtsliberalen und den Rechtspopulisten um Geert Wilders geführt werden sollten.
Eine völlig andere Meinung vertrat Emile Roemer, der Fraktionschef der sozialistischen Partei. In der Öffentlichkeit hörte praktisch niemand auf ihn. Die SP hatte 10 Sitze verloren. Allerdings war ein viel größerer Verlust vorausgesagt worden, und Emile Roemer hatte in den letzten Wochen als neuer Fraktionschef einiges an Boden wieder gut gemacht. Der 48jährige Lehrer betreibt zwar schon 15 Jahre Lokalpolitik, ist aber erst seit 4 Jahren Parlamentsmitglied und machte sich in seiner Partei schnell einen Namen. Erst seit März, also praktisch mitten im Wahlkampf, ist er Fraktionsvorsitzender. Roemer war in seinem Schreiben an die Königin der Meinung, dass eine stabile Regierung, die sich auf eine wirksame Mehrheit im Parlament stützen könne, schwer zu bilden sein würde. Eine Regierung zumal, an der sowohl die Rechtsliberalen, als auch die Rechtspopulisten beteiligt sein sollten, hielt Roemer für unmöglich, da keine dritte Partei mit ihnen zusammengehen würde, die genug Stimmen brächte. Er schlug daher vor, in einer ersten Gesprächsrunde auszuloten, welche Koalitionsmöglichkeiten die Parteien und Fraktionen überhaupt für sich sahen. Dann könne das Parlament über das Thema diskutieren, und aufgrund der Diskussion im Parlament könnte dann ein Informateur eingeschaltet werden, der eine Regierung im Sinne der Parlamentsdiskussion bilden könnte. Die Sozialisten waren noch nie an einer Regierung beteiligt, ihnen schwebt immer mal wieder ein linkes Kabinett aus Sozialdemokraten, Linksliberalen, Grünen und Sozialisten vor. Allerdings hätte dieses Kabinett derzeit auch keine Mehrheit im Parlament. Um die Möglichkeit unterschiedlicher Koalitionen offen zu halten, schlug Roemer auch öffentlich einen zweiten Informateur vor, nämlich den Vizepräsidenten des Staatsrates, Herman Tjeenk Willink.
Einer der interessantesten Politiker der Niederlande ist wohl Alexander Pechtold. Er ist 44, hat eigentlich Kunstgeschichte und Archäologie studiert, arbeitete eine Zeit lang als Auktionator und ist erst seit 10 Jahren politisch tätig. Eine Weile lang war er Minister für eine Verwaltungsreform, seit 2006 führt er die kleine linksliberale Partei der „Demokraten 66“ an. Die hatte im letzten Parlament nur 3 Sitze, und doch wurde Alexander Pechtold als heimlicher Oppositionsführer betrachtet. Zweimal wählten ihn die Journalisten in Den Haag zum Politiker des Jahres, wegen seiner Gradlinigkeit und Klarheit. Die Demokraten 66, oder D66, wie sie abgekürzt werden, sind in den sechziger Jahren als eine Protestpartei entstanden, die sich für eine Verfassungsreform und Modernisierung in den Niederlanden einsetzte. Sie verbinden die bürgerrechtsliberalen Standpunkte klassischer liberaler Parteien mit den sozialen Visionen der Sozialdemokratie und können durchaus als sozialliberal bezeichnet werden. Im Wahlkampf hatte sich Pechtold ausdrücklich für eine sogenannte Lila-Koalition stark gemacht, wie sie in den neunziger Jahren existiert hatte. Ihr gehörten damals die Rechtsliberalen, die Sozialdemokraten und die D66 an. Eine solche Konstruktion hätte heute keine Mehrheit, aber zusammen mit der grünlinken Partei käme man auf 81 der 150 Sitze. Unter der Führung Pechtolds kamen die D66 bei dieser Wahl von 3 auf 10 Sitze. „Auch wegen der Wirtschaftskrise werden Reformen notwendig sein“, schrieb Pechtold in seinem Brief an die Königin und fuhr fort: „Ein tatkräftiges Kabinet wird diese Reformen aufgrund einer gemeinsamen Zukunftsvision realisieren müssen. Ein Kabinett, dass maßgeblichen Einfluss auf Parlamentt und Gesellschaft ausübt und beide in seine Zukunftsvision und seine Entschlüsse einbindet. Für meine Fraktion ist es besonders Wichtig, dass in den Bereichen Bildung und Forschung, Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt, Nachhaltigkeit und Staats- und Verwaltungsreform ein Durchbruch erzielt wird. Ein Lila-Kabinett würde diese Veränderungen bewerkstelligen können.“ Allerdings gab Pechtold der Königin anschließend ebenfalls den Rat, einen Informateur aus den Reihen der VVD zu benennen, der zuerst die Möglichkeit eines Kabinetts mit VVD und PVV untersuchen sollte. In jedem Falle müsse das Kabinett reformgesinnt und stabil sein, tatsächlich etwas bewirken können und vertrauensvoll mit dem Parlament zusammenarbeiten, erklärte Pechtold.
Seit den neunziger Jahren gibt es in den Niederlanden eine stabile grüne Partei. Auch wegen ihrer Fraktionsvorsitzenden, der 44jährigen Sozialwissenschaftlerin Femke Halsema, ist sie überall respektiert. Halsema ist seit 8 Jahren Fraktionsvorsitzende und ähnlich wie Alexander Pechtold bei Bürgern und Journalisten geachtet und beliebt. Wegen ihrer kurzen, prägnanten und interessanten Nachrichten hat sie beim Kurznachrichtendienst Twitter 50.000 Verfolger. Selbst die Jugendorganisation der rechtsliberalen VVD hat Halsema vor 2 Jahren zur „Liberalen des Jahres“ gewählt. Und das, obwohl die Partei „Grünlinks“, wie sie tatsächlich heißt, nicht von ihrer Verbundenheit mit den anderen linken Parteien abgewichen ist. Femke Halsema gilt als eine integrierende Politikerin, die trotzdem klar und deutlich ihre Meinung vertritt. Ihre Präferenz, schrieb Femke Halsema an die Königin, liege bei einer lilagrünen Koalition. Sie bestünde aus drei Parteien mit Zugewinnen, nur die Sozialdemokraten hätten leichte Verluste hinnehmen müssen. „Da diese (4) Parteien sowohl linke als auch rechte Wähler vertreten, müsste diese lilagrüne Koalition eine breite Basis in der Gesellschaft herstellen können“, schrieb Femke Halsema weiter. Der Meinung, dass zuallererst ein mögliches Rechtskabinett untersucht werden müsse, schloss sich aber auch die grünlinke Fraktionsvorsitzende an. Vermutlich wollten die linken Politiker diese Option ein für allemal vom Tisch haben, bevor sie mit ihrer eigentlichen Arbeit anfingen. Es könnte aber sein, dass dieser Schuss nach hinten los geht, wenn es nämlich tatsächlich gelingen sollte, eine solche rechte Koalition zu schmieden. Dies kann aber nur der Fall sein, wenn sowohl Mark Rutte als auch Maxime Verhagen daran tatsächlich interessiert sind.
André Rouvoet, der noch amtierende Minister für Jugend und Familie, der derzeit auch das Bildungs-, Kultur- und Wissenschaftsministerium mit übernimmt, trat als nächster bei der Königin an. Er ist Fraktionsvorsitzender der Christenunion, einer christlich-sozialen Partei, die bei diesen Wahlen einen Sitz verloren hat und nur noch 5 Sitze im Parlament einnimmt. Der 48jährige Jurist ist schon seit 25 Jahren in der Politik und hat eine Menge Erfahrung gesammelt. Sein Vorschlag klingt einfach und logisch, widerspricht aber dem sonst überall geäußerten Credo, so schnell wie möglich eine Regierung zu bilden. Er schlug eine erste Runde von aufklärenden Gesprächen darüber vor, ganz offen, welche Parteien unter welchen Bedingungen in welche Koalition eintreten würden. Danach könne man in einer zweiten Phase einen spezifischeren Auftrag formulieren. Obwohl die Christenunion an der bisherigen Regierung beteiligt war, nahm die Öffentlichkeit kaum noch Notiz von den Äußerungen Rouvoets. Er wird nicht mehr in der nächsten Regierung sitzen.
Als Vorletzter stellte sich am Freitagabend Kees van der Staaij bei der Königin ein. Der 42jährige Rechtsanwalt ist Fraktionsvorsitzender der staatspolitisch reformierten Partei (SGP). Diese Partei gehört zu den Kuriositäten des niederländischen Vielparteiensystems. Sie ist weit rechts einzuordnen und extrem christlich und antikatholisch eingestellt. Es handelt sich um die älteste noch existierende Partei, sie wurde 1918 gegründet und hat seit 1922 immer mindestens einen Sitz im Parlament. Meistens sind es 2. Zu den Kuriositäten rund um die SGP gehört, dass sie zum Beispiel das Frauenstimmrecht ablehnt, sowohl aktiv als auch passiv, weil sie das Regieren nicht für eine Berufung der Frau hält, deren Mann das Haupt der Familie sei und allein die Berechtigung zur Wahl habe, dass sie aber andererseits die Regierung Ihrer Majestät der niederländischen Königin durch die Gnade Gottes anerkennt. Normalerweise würde sich das politische Den Haag mit dieser Partei kaum befassen, ihr kommt aber derzeit eine interessante Rolle zu. Zwar war sie bislang nicht an Regierungen beteiligt, allerdings könnte sie eine Regierung aus VVD, PVV und CDA tolerieren und damit für eine etwas größere Mehrheit sorgen. Voraussetzung ist natürlich, dass die neue Regierung danach strebt, die Gebote Gottes zu verwirklichen und nach seinem Wort zu leben. In seinem Vorschlag an die Königin erklärte van der Staaij, der übrigens einer der jüngsten Parteiführer ist, dass eine Regierung mit CDA und PVDA keine Grundlage für Tatkraft und Harmonie sei, und dass eine Regierung mit PVDA und VVD aufgrund programmatischer Unterschiede in der Wirtschafts- und Sozialpolitik auch keine Lösung biete. Also schlug die SGP-Fraktion ebenfalls ein rechtes Kabinett vor, auch wenn nicht sicher sei, wie stabil die PVV derzeit sei. Allerdings solle der Informateur aus den Reihen der VVD auch einen Plan B in der Tasche haben, indem alle nach ihren möglichen Koalitionspartnern gefragt werden sollten.
Die Letzte Parteichefin an diesem Freitagabend war Marianne Thieme. Die 38jährige Rechtsanwältin ist die Vorsitzende der Tierschutzpartei. Auch sie ist eine umstrittene Persönlichkeit. War die Partei ursprünglich von vielen Menschen gegründet worden, die den Tieren eigene Rechte geben wollten und in der Regel nicht religiös waren, gehört Marianne Thieme seit 2006 den Siebenten-tags-adventisten an. Kritiker werfen ihr vor, dass sie aufgrund ihres Glaubens Einfluss auf das Parteiprogramm nimmt. So soll ein Passus, der die Evolutionstheorie als Grundlage der verschiedenen Arten nenne, auf ihre Veranlassung hin gestrichen worden sein. Marianne Thiemes Schreiben an Königin Beatrix ist das ausführlichste und lebendigste überhaupt. „Der zurückliegende Wahlkampf kannte nur ein Thema: Die wirtschaftliche Krise und die notwendiggen Entscheidungen, die getroffen werden müssen, um diese Krise zu beenden. Die Krisen, die sich jedoch hinter der Wirtschaftskrise verbergen sind von solchem Umfang, dass sie die jetzige Wirtschaftskrise überschatten und auch zu neuen Wirtschaftskrisen führen können: Die Süßwasserkrise, die bevorsteht (nach Meinung des Weltwasserforums haben 2017 70 % der Weltbevölkerung ein ernstes Süßwasserproblem; Ich weiß, dass dieses Problem Eure Aufmerksamkeit genießt), die bereits laufende Krise der Artenvielfalt, die größer werdende Weltlebensmittelkrise, die Phosphatkrise, die Klimakrise, die zunehmenden Tierkrankheiten, all diese Probleme verlangen nach einem zusammenhängenden Vorgehen durch ein entschlossenes, einmütiges Kabinett. In einer Zeit, in der Wasser ins Schiff eindringt, die Ladung hin und her rutscht und erst das Leck gestopft werden muss, bevor man einen neuen Kurs bestimmen kann, zählen Begriffe wie Backbord und Steuerbord nichts. Es ist lebensnotwendig, dass alle Kräfte gebündelt werden. Es ist keine Zeit zu verlieren.“ Auch Marianne Thieme schlug einen Informateur aus den Reihen der VVD vor, doch sie nannte einen Namen, nämlich Pieter Winsemius, der früher einmal Minister für Wohnungsbau, Stadtplanung und Umwelt war. „Wir haben eine starke Präferenz, dem Informateur den Auftrag zu erteilen, nach einer Koalition Ausschau zu halten, in der Nachhaltigkeit ein führendes Prinzip sein kann“, schrieb die Vorsitzende der Tierschutzpartei. Zum Schluss drückte Frau Thieme ihre Vorliebe für eine Koalition aus Rechtsliberalen, Linksliberalen, Sozialdemokraten, Sozialisten, Grünen und Tierschutzpartei aus. Zugegeben, es wäre eine sehr breite Koalition, und vielleicht wäre sie den Problemen des Landes und der europäischen Union angemessen, doch eine solch breite Zusammenarbeit kann man sich auch in den Niederlanden wohl kaum vorstellen.
Kaum waren die Gespräche mit den Fraktionsvorsitzenden beendet, empfing die Königin noch einmal Herman Tjeenk Willink, den Vizepräsidenten des Staatsrates. Über die Gespräche der Königin mit ihren festen Beratern erfährt die Presse nie etwas, schon gar nicht, wenn es sich um ein vier-Augen-Gespräch handelt. Allerdings teilte die niederländische Nachrichtenagentur gegen 2 Uhr in der Nacht mit, dass am Morgen die Entscheidung der Königin erwartet werde. Und nur wenige Minuten später veröffentlichte der Reichsinformationsdienst die Mitteilung: „Königin Beatrix empfängt am Samstagmorgen (12. Juni 2010) Herrn Prof. Dr. Uri Rosenthal zu einem Gespräch. Dies hat das Kabinett der Königin mitgeteilt.“ So konnte die Presse schon einmal lesen, wer der mögliche Informateur wurde.
Samstag, 12. Juni 2010 – Tag 3
Uri Rosenthal ist 65 Jahre alt, von jüdischer Abstammung und nicht religiös. Er ist Professor für Politikwissenschaft und Verwaltungskunde. Seit 1999 ist er Mitglied der ersten Kammer, und seit 2005 der Fraktionsvorsitzende der rechtsliberalen VVD dort. Da er sich in seinem beruflichen Leben auch mit Sicherheitsfragen, aber vor allem auch mit Krisenmanagement befasst, gehörte er zu den VVD-Politikern, die für alle Parteien als Informateur gut anzuerkennen sind. Nachdem er am Samstagmorgen bei der Königin war, teilte der Reichsinformationsdienst mit: „Königin Beatrix hat am Samstag, dem 12. Juni 2010, Prof. Dr. Uri Rosenthal ersucht, auch auf Grund der schwierigen Situation, in der sich unser Land befindet, kurzfristig zu untersuchen, welche Möglichkeiten auf Grundlage des Wahlergebnisses für die Bildung eines Kabinettes vorhanden sind, das auf eine fruchtbare Zusammenarbeit mit den Generalstaaten bauen kann. Hierzu soll als erstes die Möglichkeit eines Kabinetts untersucht werden, an dem sowohl die größte Partei, als auch der größte Gewinner beteiligt sind.“ Als ich diesen Text las, hielt ich ihn für einen der üblichen Aufträge der Königin zur Regierungsbildung. Es stellte sich aber später heraus, dass der Text viel mehr aussagt, als man im ersten Moment glaubt.
Natürlich wollte die Presse nach der Ernennung eine Menge Fragen stellen, aber Uri Rosenthal wimmelte die Journalisten ab. Er werde zu Beginn seiner Tätigkeit am Montag eine Pressekonferenz geben, ließ er lediglich wissen. Und während er sich fürs Wochenende zurückzog und die verschiedenen Briefe und Dokumente studierte, um sich in seine Aufgabe einzuarbeiten, spulten die Nachrichtenagenturen belanglose Meldungen herunter. „Wenn die Bürger den Wahlausgang gekannt hätten, hätten sie anders abgestimmt“, lautete eine dieser Schlagzeilen. Oder: „Wären am kommenden Mittwoch Wahlen, würden die Sozialdemokraten gewinnen.“ Man musste die sprachlose Zeit des Wochenendes irgendwie überwinden, denn selbst Geert Wilders, der sonst immer für eine Schlagzeile gut ist, schwieg. Die eigentliche Arbeit zur Regierungsbildung begann erst jetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt war es das übliche Vorgeplenkel, bei dem inhaltliche Fragen keine besondere Rolle spielen. Die ersten Tage dienen dazu, die politischen Standpunkte einzunehmen und einen möglichst von allen akzeptierten Informateur zu finden. Uri Rosenthal ist in erster Linie Wissenschaftler, und das merrkt man ihm auch an.
Hallo,
netter blog. Gibt’s schon was Neues?