Heute morgen zwitscherten es die Leitmedien von allen Dächern: Die neue Rezession ist in Deutschland angekommen, noch schöner und größer als zuvor. Genau zum richtigen Zeitpunkt.
Seit Monaten häuften sich die Anzeichen. Da war der Schuldenstreit in den USA, bei dem letztlich die Republikaner gewannen, die weniger Staatsausgaben und keine Steuererhöhungen wollten. Dieser Schuldenstreit führte zu großen Kursverlusten und Unsicherheiten an der Börse, dem wichtigsten Wirtschaftsstandort der Welt, und dann ist da ja noch die anhaltende Eurokrise. Alles zusammen musste ja nun endlich auch dazu führen, dass entgegen den Voraussagen das Wirtschaftswachstum in Deutschland stagniert. Damit sind die guten Jahre nach der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 vorbei, sparen ist wieder angesagt, vor allem für die kleinen Haushalte.
Mal ehrlich: Verstehen Sie im Einzelnen, was da vor sich geht? Ehrlich gesagt, ich auch nicht. Noch so viele Erklärungen der sogenannten Wirtschaftsweisen machen es auch nicht einfacher. Denn sie verstehen es selbst nicht. Die Weltwirtschaft ist nun mal unberechenbar. Man kann nur Vermutungen anstellen. Und die Zahlen, die jetzt veröffentlicht wurden: Haben diese Zahlen im realen Leben überhaupt etwas zu bedeuten? Sind sie nicht vielmehr eine selbsterfüllende Prophezeihung? Ich meine: Wie reagiert denn „die Wirtschaft“, also wie reagieren große Konzerne, Anleger und Käufer, wenn sie hören, dass das Wachstum sinkt und wir demnächst wieder Pleiten haben werden? Sie halten sich sowohl mit dem Kauf, als auch mit der Investition zurück. Und dann? Dann haben wir genau die Pleiten, die vorausgesagt wurden.
Überhaupt ist der Satz: „Das Wachstum sinkt“ ein echtes Problem. Man muss sich das Hirn verknoten um zu begreifen: Unsere Wirtschaftskraft wächst noch, aber nur ganz langsam, und das ist schon schlecht. Früher gab es eine Zeit, in der alles, was Wachstum war, gut war. Inzwischen ist schon wenig Wachstum schlecht und sorgt für Panik. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir plötzlich wieder 5 oder 6 Millionen Arbeitslose haben, es sei denn, wir senken die Löhne und schaffen auch noch die letzten arbeitsrechtlichen Schutz- und Sozialvorschriften ab. Wenn alle Unternehmen von allen Verpflichtungen, von allen Steuern und von jedem Druck befreit sind, dann könnte es sein, dass die Wirtschaft wieder wächst. Es würde zwar dann im Inland keiner mehr genug verdienen, um etwas davon zu merken, aber der Export stimmt, und der sogenannte Wirtschaftsstandort Deutschland ist gesichert.
Aber brauchen wir überhaupt Wachstum? Ist den Leuten nicht klar, dass eine Wirtschaft nicht ewig wachsen kann?
Warum schreibe ich eigentlich? Das alles habe ich doch schon oft geschrieben. Es ist nur, dass ich diese Situation hasse, in der man für Momente glauben könnte, die Wirtschaft könnte sich erholen, neben den Großkonzernen könnte auch der Staat so viel einnehmen, dass er seinen menschenrechtlichen Grundverpflichtungen nachkommen könnte und wollte, nur um dann wieder enttäuscht zu werden, weil plötzlich und unerwartet die nächste Rezession zuschlägt. Ich habe das alles so satt! Und trotzdem, liebe Kommunisten, plädiere ich nicht für eine Mangelwirtschaft, nur um das kurz klarzustellen.
Vielleicht sollten wir es so machen wie die Brasilianer im folgenden Auszug aus einem Beitrag, den meine Freundin Mirien Carvalho Rodrigues einmal für den Ohrfunk schrieb:
„Ein deutscher Student war Anfang der 90er in Brasilien unterwegs, als dort gerade durch Korruption und Hyperinflation unter Präsident Fernando Collor de Mello das Finanzsystem vollends zusammenbrach und die Menschen beinahe alle Ersparnisse verloren, die sie
auf dem Konto hatten. Irritiert fand sich der Student in einer
ausgelassenen Runde wieder, wo man fröhlich zusammen sitzt und sorglos einen
trinkt. „Hey, was ist mit euch los“, fragt er, „in eurem Land hat gerade
eine Bombe eingeschlagen, alles ist zusammen gebrochen, sämtliche
Ersparnisse sind weg, und ihr …“. „Nur die Ruhe, Kumpel“, erklärt ihm
einer aus der Runde lachend, „für uns hat sich nichts geändert, wir hatten
keine Ersparnisse!“.“
Lasst uns also feiern und die neue Rezession begrüßen.
Das mit der Rezession ist Falsch. Eine Rezession sind per Definition mindestens zwei aufeinanderfolgende Quartale mit sinkendem BIP, in den USA verlangt man dafür IMO sogar vier. Allerdings braucht eine moderne Volkswirtschaft ein gewisses Wachstum (irgendwo im Bereich von 2%) um ihr Niveau zu halten, insofern ist die formale Definition nicht allzu hilfreich.
Ja sorry, ich habe nicht recherchiert für diesen Beitrag aus dem Bauch heraus.
Ich habe ein Wirtschaftsverständnis wie ein Spatz, das gebe ich auch offen zu. Ist nicht mein Gebiet, ich spüre nur die Auswirkungen.
Ist es nicht verrückt, dass eine moderne Wirtschaft ständiges Wachstum braucht, um ihr Niveau zu halten? – Wohin soll das denn auf die Dauer führen? Ein ständig wachsendes Niveau, ständig zunehmender Verbrauch von Resourcen und so weiter, das kann es doch nicht sein. Es müsste doch alternativen geben, ohne immer auf Wachstum angewiesen zu sein.
Wie gesagt, ist nur sehr begrenzt mein Thema, ich hatte schon an der Uni Probleme damit.
Ja, das ist teilweise ziemlich contra-intuitiv. Ich hab zum Beispiel sehr lange gebraucht um das Prinzip der Staatsverschuldung wirklich zu verstehen (dank Total War übrigens. Computerspiele bilden eben doch). Die Wachstumskritik als solche gibt’s auch schon ewig, der Gedanke ist zwar naheliegend, aber das Gegenargument ist halt, dass Wirtschaftswachstum nicht zwangsläufig an physisches Wachstum gekoppelt ist.
Ob uns das den Arsch rettet oder nur Pfeifen im Walde ist, ist eine andere Frage…
http://www.suite101.de/content/wirtschaft-und-geldschoepfung-brueder-im-wachstum-a105523
Vielen Dank für die Leseempfehlung, liebe Eva. Hab hier auch noch ein Buch liegen, das ich auch immer mal durchgehen wollte. Wenigstens hab ich mittlerweile die Grundzüge begriffen. 🙂
Sorry… Ladehemmung… 🙂
Ich wunderte mich schon, dass es bei Enter abschickte… Also nochmal zum letzten:
Jetzt get Greenspan auch schon unter die Verschwoerungstheoretiker… >;-)
Und das fehlte noch (ueberlanger Link ggf. zusammenpappen):
http://www.handelsblatt.com/finanzen/rohstoffe-devisen/devisen/greenspan-prophezeit-zusammenbruch-des-euros/4532268.html
Jetzt aber korrekt…