Der folgende Text ist eine Interpretation der Weihnachtsgeschichte, die ich vor einem Jahr schrieb. Hauptfigur ist Atlan, ein unsterblicher Außerirdischer aus der Perry-Rhodan-Saga. Er wurde im Jahre 8000 vor Christus auf die Erde verschlagen und versucht seither, einen Weg zurück zu den Sternen zu finden. Dabei nimmt er an der Geschichte der Menschheit teil und gibt ihr wichtige technisch-wissenschaftliche und moralische Impulse.
Weihnachten steht vor der Tür, und bald ist es so weit. Der Countdown läuft, wie der moderne Mensch sagt. Und überall, in jeder Serie im Fernsehen, laufen jetzt die Weihnachtsfolgen, die man kitschig findet, bei denen man sich aber doch vor Rührung die Augen wischt. Dasselbe gilt für Heftserien, bloß nicht für die, die ich lese. Dabei böte es sich geradezu an. Aber gut, dann schreib ich die Geschichte eben selber!
Er hatte so viele Namen, dass er sich nicht mehr an alle würde erinnern können. Enki, den Gott der Schlachten, nannten ihn die Mesopotamier, Ketzalcoatl, den weißhaarigen aus dem Osten, nannten ihn die Azteken. die Ägypter kannten ihn in der Gestalt vieler hoher Priester, die an der Seite des Pharao das Reich der Binse und der Biene regierten. Der uralte Methusalem war eine der Sagengestalten, in die ihn die Judäer verwandelt hatten. Er hatte den ersten japanischen und den ersten chinesischen Kaiser beraten, er hatte den großen Alexander getötet und die Stadt Assur gebaut. Man würde ihn noch den ewigen Juden nennen, an Saladins Tisch würde er speisen, der Jungfrau von Orleans sollte er noch dienen und viele weitere Abenteuer erleben, bevor seine Geschichte endete. Aber davon wusste er nichts an diesem kalten Winterabend im Königreich Judäa, im zwanzigsten Jahr der glorreichen Regierung des erhabenen Augustus. Dieser brutale julische Machtpolitiker, der einst Octavianus geheißen hatte, hatte sich gut entwickelt, seine positiven Anlagen inzwischen voll zur Geltung kommen lassen. Doch auch er würde diese unseeligen Barbaren nicht weiterbringen. Sie mordeten und bekriegten sich gegenseitig, opferten obskuren Gottheiten, verschwendeten ihr erstaunliches Talent nur dazu, sich gegenseitig den Garaus zu machen. All seine Bemühungen blieben fruchtlos. Er hatte ihnen die Kunst des Städtebaus gezeigt, sie Effizienz in der Verwaltung gelehrt, ihnen technische Errungenschaften nahegelegt, doch alles was sie produzierten waren Waffen, Festungen und Altäre. Er hatte es so satt, und er war des Lebens überdrüssig. Seit undenklichen Zeiten, oh, er wusste genau, dass es 7993 Jahre waren, aber undenkliche Zeiten klangen nun einmal dramatischer und drückten seine Stimmung besser aus, seit undenklichen Zeiten also irrte er über diesen Barbarenplaneten, immer mitten unter ihnen, in ständig wechselnder Gestalt, immer bemüht, ihnen technischen Fortschritt zu bringen, damit sie endlich so weit waren, ihm ein Raumschiff zu bauen, damit er heimkehren konnte. Oh, er würde sie reich beschenken, er würde ihnen alles geben, was sie sich erträumten, wenn sie ihn nach hause brachten. Aber wenn er sich umsah auf dieser Welt, dann hatte er in all der Zeit nichts erreicht. Seine technischen Wunderwerke wurden als Zeichen von Göttern bestaunt, und man stritt sich um dieselben Dinge wie immer schon, und ihr Spaß an der Unterdrückung anderer Menschen war noch gewachsen. Je mehr Macht und Technik sie hatten, desto mehr würden sie sich Leid antun. Er würde nie nach hause kommen, eher vernichteten sie sich selbst. Und es wäre besser, wenn er, sollte er je wieder seine Heimat erreichen, diesen Planeten in Schutt und Asche legte, bevor sie die Raumfahrt entdeckten und ihren Krieg und ihre Zerstörungswut hinaustragen konnten in die unendlichkeit.
Er blieb stehen, atmete tief durch, schüttelte den Kopf mit dem langen, weißblonden Haarschopf und blickte in den Himmel. Der Komet, der die Erde passierte, strahlte sehr hell heute Nacht. Es war ein wunderschönes Bild. So nah waren die Gestirne des Himmels, doch für ihn, den ewig lebenden Einsamen der Zeit, waren sie unerreichbar.
„Entschuldigt, oh Herr, darf ich euch um Hilfe bitten?“ Er zuckte zusammen und blickte in die Richtung, aus der die Stimme zu ihm gesprochen hatte. Vor ihm stand ein junger Mann in ärmlicher Kleidung, der ihn offenbar für einen Römer hielt. Natürlich hielt er ihn für einen Römer, denn er war wie ein Römer gekleidet. Neben ihm stand ein junges Mädchen, das sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.
„Meine Frau muss noch in dieser Nacht gebären, und wir finden nirgendwo einen Platz“, sagte der junge Mann und schlug vor dem Vertreter der Besatzungsmacht die Augen nieder. Endlich löste er sich aus seinen trüben Betrachtungen und sah das Leid, das direkt vor ihm war. Wenn das Mädchen noch lange so weiter durch die Wildnis wanderte, konnte sie ihr Kind verlieren.
„Natürlich helfe ich dir, junger Freund“, sagte er und straffte sich. „Folge mir, ich werde dir einen geeigneten Platz zeigen.“ Sie gingen die wenigen hundert Meter zu der Herberge, in der er die letzte Nacht verbracht hatte. Die junge Frau, fast noch ein Kind, konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, und ihr Mann bemühte sich liebevoll um sie. Es tat gut, einfach zwei Menschen zu treffen, denen er helfen konnte.
Die Herberge selbst war voll, und auch die Autorität, die er als römischer Soldat Tiberius Julius Abdes Panthera besaß, vermochte nicht, den beiden armen Menschen einen Platz im Innern zu sichern. Der Wirt hatte nur noch einen Platz im Stall anzubieten.
„Es ist so kalt“, sagte der junge Mann, „mein Kind wird erfrieren.“ Tiberius, nennen wir ihn weiterhin so, schüttelte energisch den Kopf.
„Bring deine Frau in den Stall“, sagte er, „ich werde für Wärme, Licht und Hilfe sorgen.“
Und so kam es, dass in dieser unscheinbaren Nacht in der Nähe von Bethlehem im judäischen Lande in einem Stall ein Kindlein geboren wurde. Ein ganz normales Kindlein, das in einer Welt leben sollte, in der es kaum eine Überlebenschance besaß. Der hilfreiche römische Soldat ging zu ein paar Hirten, die in der Nähe lagerten. Er bat sie um Decken aus Schafswolle, um Milch für Mutter und Kind, um Stroh für ein Lager. Die einfachen Männer halfen ihm gern, nicht, weil er Römer war, sondern weil er freundlich war, und weil sie wussten, dass das Kind sonst sterben würde. Im Eingang zu der Grotte, die meistens als Stall diente, entzündete der Römer ein helles Feuer, das nicht erlosch und nicht nachgefüllt werden musste, aber die Kälte der Nacht von dem jungen Paar mit dem kleinen Kindlein abhielt. Und dann half er bei der Geburt mit, denn es war niemand da außer ihm. Und es war eine schwere Geburt, denn die junge Frau, die sich Maryam nannte, war noch sehr jung. Jossip, ihr Mann, bestaunte das Wunder des neuen Lebens mit großen Augen.
„Oh Gott“, sagte er, „gib unserem Kind ein langes und glückliches Leben.“ Und nachdem er mit Tiberius Mutter und Kind versorgt hatte, sagte er zu dem stattlichen Römer: „Du bist ein guter Mensch, ich danke dir von Herzen. Wir werden dich nie vergessen.“
„Ich danke dir und deiner Familie, Jossip, mein Freund“, antwortete da der Römer und sprach: „denn siehe, Ihr habt mir die Hoffnung zurückgegeben. Es sind immer Kinder da, neue Chancen für ein besseres Leben. Dein kleiner Junge dort, angeschmiegt an die glückliche Mutter, das ist Leben, das ist Zukunft, das ist Hoffnung. Ich bin viel durch die Welt gereist, und bei all dem Elend hatte ich die einfachen Dinge des Lebens fast vergessen. Ich danke euch dafür, dass ich in euch den Sinn meines Lebens wiederfand.“
Dann trat er hinaus, wo die Hirten lagerten. Sie sahen einen großen, stattlichen Mann mit weißblondem Haar, der von einer Aura umgeben schien, von neuer Kraft und Zuversicht. Und er trat mitten unter sie und sprach die Worte: „Dank euch. Ihr habt dem Kind sehr geholfen. Ja, dort im Stall ist gerade ein Kindlein geboren, und es ist das Licht dieser Welt, die Hoffnung auf ein besseres Leben. Solange Kinder geboren werden, solange Menschen helfen, das Leben zu schützen, solange sie es auch bewahren und nicht nur zerstören, solange gibt es Hoffnung für Frieden auf Erden. Ich wünschte, alle Menschen würden so sein wie ihr und helfen, wenn es nötig ist. Aber wir können es nur selbst immer wieder tun. Wir können nur selbst ein Beispiel geben. Und wenn ihr zum Himmel schaut, dann ist da dieser helle Stern. So hell wie dieser Stern fühle ich mich, wenn ich an dieses Kind denke und daran, wie wir gemeinsam verhindert haben, dass es stirbt. Es passiert ständig auf dieser Welt, aber diesmal nicht, nicht hier und heute.“ Was für ein wunderlicher Mann, dachten die Hirten, und sie dachten es noch lange, nachdem er ihren Blicken wieder entschwunden war.
Tiberius Julius Abdes Panthera aber hat die Familie aus Judäa nie vergessen. Zu jedem Geburtstag des Jungen, den sie Jeshua genannt hatten, machte er ihm Geschenke, und er war oft Gast im Hause der Familie in Nazareth. Und als Jeshua zu einem jungen Mann heranwuchs, lehrte er ihn, genau wie seine Eltern, sich für andere Menschen einzusetzen, gegen Gewalt und Krieg zu kämpfen und mit Liebe und Verständnis anderen Menschen zu begegnen. Vielleicht, so hoffte Tiberius, würde ja diese Saat aufgehen. Vielleicht konnte dieser junge Mann ein Anfang sein, ein Anfang für Frieden und Gerechtigkeit und eine Zukunft ohne Hass, Krieg und Gewalt.