In den letzten Tagen scheint es mir so, als nehme der alltägliche und teilweise von den Behörden geduldete und geförderte Rassismus in beiden Ländern zu, in denen ich mich beheimatet fühle. In den Niederlanden werden Beschwerden über Osteuropäer öffentlich gesammelt, und in Deutschland wird die Bundespolizei zu Kontrollen aufgrund der Hautfarbe ermächtigt. Hier meine Ansicht zu der Entwicklung in Deutschland.
Die Bundespolizei ist ermächtigt, Ausweiskontrollen bei ihren Stichproben zur Verhinderung illegaler Einwanderung auch aufgrund der Hautfarbe eines Reisenden vorzunehmen. Polizeibeamte könnten sich da auf ihre Berufserfahrung verlassen, sagt das koblenzer Verwaltungsgericht. Es wies damit die Klage eines Deutschen ab, der aufgrund seines dunkelhäutigen Aussehens von der Bundespolizei während einer Bahnfahrt kontrolliert worden war. Als er seine Ausweispapiere nicht vorweisen konnte, wurde er zur Feststellung der Personalien vorübergehend festgenommen und sein Gepäck wurde durchsucht. Dagegen hatte der Mann jetzt erfolglos geklagt.
Auf den ersten Blick verstößt die Entscheidung aus Koblenz klar gegen das Grundgesetz. Menschen werden wegen ihrer Hautfarbe und Vorurteilen, die aus eben der Unterschiedlichkeit der Hautfarbe geboren sind, benachteiligt, müssen häufigere peinliche Polizeikontrollen über sich ergehen lassen. Außerdem wird zumindest vorübergehend ihr Ruf bei den Mitreisenden geschädigt. Die sagen dann: „Es wird schon seinen Grund haben, dass die Polizei die Dunkelhäutigen stärker kontrolliert. – Aber man darf ja nichts sagen!“ Über diese gesellschaftliche Wirkung seiner Ermächtigung hat sich das koblenzer Gericht offenbar keinerlei Gedanken gemacht. Damit wird dem behördlich durchgeführten Rassismus in Deutschland ein gerichtlicher Segen erteilt.
Betrachtet man die Angelegenheit etwas genauer, ist sie allerdings nicht so einfach. Die Bundespolizei hat die Pflicht, illegale Einwanderung zu verhindern. Das kann sie nur über Stichproben tun, und zwar in einem Gebiet von 35 Kilometern innerhalb der deutschen Grenzen. Allgemeine, flächendeckende Grenzkontrollen sind ja nun einmal abgeschafft. Welche Möglichkeiten bleiben ihr da, wenn sie ihrer Aufgabe effektiv nachkommen will? Und noch ein weiterer Punkt scheint die Bundespolizei zu entlasten: Eine Gesellschaft kann nur dann funktionieren, wenn wir ehrlich miteinander umgehen. Vor 7 Jahren habe ich mich in diesem Blog bereits dagegen ausgesprochen, dass man aus Gründen der politischen Korrektheit die Wahrheit verschweigt. Damals ging es um die Polizeistatistik in den Niederlanden, die verschwieg, wenn ein Verbrechen von einem Marokkaner oder einer marokkanischen Jugendgang verübt wurde. Das mag verständlich sein, aber es hat auch dazu geführt, dass es kaum Informationen über die sozial schwierigen Verhältnisse gab, in denen die marokkanischen Einwanderer lebten und arbeiteten. Fakten zurückzuhalten fördert weder gesellschaftliche Integration, noch verhindert es rassistische Tendenzen.
Also ist es kein Rassismus, sondern logisch, dass die Bundespolizei Menschen mit dunkler Hautfarbe stärker kontrolliert? Schön wäre es. Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass illegale Einwanderer ein von uns Mitteleuropäern verschiedenes Aussehen haben könnten. Es muss nicht so sein, aber es kann so sein. Da die Polizeikräfte auf Stichproben angewiesen sind, wäre eine solche Handlungsweise vielleicht logisch und verständlich, wenn dahinter nicht ein diskriminierendes Ausländerrecht, eine gnadenlose Abschiebepraxis und eine Festungsmentalität stecken würde, die zumindest teilweise tatsächlich rassistische Ursachen hat. Für mich äußert sich der deutsche Rassismus in diesem Punkt in dem Geist, in dem die Polizei diese Arbeit verrichtet, und in der Intention der Gesetze, die ihr den Auftrag dazu geben. Eine Polizeikontrolle allein muss keine Diskriminierung sein, wenn nicht hinter der Konzentration auf Menschen mit dunkler Hautfarbe ein Generalverdacht steckt, sondern wenn es lediglich um die objektiv nicht zu verleugnende Tatsache ginge, dass illegale Einwanderer mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein anderes Erscheinungsbild haben. Die gesamte politische, rechtliche und polizeiliche Praxis, die Handhabung deutschen Ausländerrechts zeigt aber, dass Rassismus und Diskriminierung zumindest in Kauf genommen werden, teilweise vielleicht auch gewollt sind. Deswegen halte ich die Entscheidung des koblenzer Verwaltungsgerichts für rassistisch und grundgesetzwidrig.
Der Spiegel: Reisende dürfen wegen Hautfarbe kontrolliert werden.
Einerseits jammern jetzt fast alle Politiker, weil die Strafverfolgungsbehörden angeblich nichts vom neofaschistischen Hintergrund der NSU-Mordtaten gewusst haben, andererseits verfolgen gerade diese Behörden Gegendemonstranten gegen Nazi-Aufmärsche oder kontrollieren Menschen allein wegen ihrer dunklen Hautfarbe. Wenn ein Gericht Beamten der Bundespolizei zubilligt, sie hätten da schon den rechten Blick, dann empfinde ich das als puren Hohn.
fjh