Es ist die zweite Nacht in folge, in der ich nicht gut schlafe. US-Präsident Trump hat einen Einreisestopp für Muslime aus sieben Ländern verhängt, sogar solche, die Bürger der USA sind und eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen. Das ist schlicht ein Bruch der Verfassung und ein Grund für künftigen Terror. Doch am meisten beschämt und entsetzt mich die deutsche Regierung.
Am Samstag, 28. Januar 2017, haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump erstmals miteinander telefoniert. Liest man die gemeinsame Presseerklärung, dann herrschte in allen Punkten vollste Einigkeit: NATO bleibt wichtiges Bündnis, amerikanisch-deutsche Zusammenarbeit soll vertieft werden, die Ukraine-Krise muss gelöst werden. Kein Wort verlor die Kanzlerin über die menschenrechts- und verfassungswidrige Zurückweisung der Muslime, die Trennung von Familien, die geplante Rückkehr der US-Regierung zu Foltermethoden, die Einschränkung der Meinungsfreiheit der Medien und marginalisierter Gruppen und die internationalen Spannungen, die durch Trumps Administration hervorgerufen werden. Diese volle Übereinstimmung, dieses Kuschen vor der faschistoiden Trump-Regierung, ist mit der Appeasement-Politik der damaligen Westmächte gegenüber Adolf Hitler zu vergleichen. Es ist eine Schande, dass Angela Merkel, die von vielen heute die Führerin der freien Welt genannt wird, kein einziges Wort für die Bedrängten und Verfolgten findet, gegen die antisemitische und rassistische Grundhaltung der US-Regierung und ihre polizeistaatlichen Methoden. Stolz geben Bundespresseamt und weißes Haus eine gemeinsame Erklärung heraus, während sich Millionen von Menschen von der „Führerin der freien Welt“ verraten fühlen müssen.
Der scheidende französische Staatspräsident Francois Hollande hingegen hat es gewagt, Donald Trump auch öffentlich zu kritisieren. Daher hat das weiße Haus auch keine Erklärung über das Gespräch veröffentlicht, nur die französische Regierung. Hollande warnte Trump, dass er die demokratischen Prinzipien achten müsse, und die Mitmenschlichkeit.
Ich schäme mich für die deutsche Regierung, die in einem so wichtigen Augenblick der Weltgeschichte den Tyrannen und Faschisten wieder einmal nicht die Stirn bietet. Sie mag ihr Schweigen als Diplomatie verstehen, doch nichts schadet den Feinden der Demokratie mehr als öffentlicher Protest. Nichts verkraften sie weniger! Ich bin entsetzt über den demonstrativen Schulterschluss mit einer Regierung, die den Holocaust verschweigt, die Menschenrechte mit Füßen tritt und die Meinungsfreiheit einschränkt. Klare, deutliche Worte wären geboten, kein diplomatisches Gemauschel.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich damit zur Erfüllungsgehilfin einer unmenschlichen, ja menschenverachtenden Politik gemacht, wo es ihre Pflicht gewesen wäre, dagegen aufzustehen, wie es die Regierungen Kanadas, Frankreichs und Schottlands getan haben.
Wir dürfen nicht länger schweigen!!!
Update 31.01.17: Der Wahrheit die Ehre. – Inzwischen hat Merkel Trumps Pläne verurteilt. Es kam spät, aber es kam. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es mit dieser Administration keine Gemeinsamkeiten geben kann.
Merkel möchte nicht anecken, sondern nur Kanzlerin sein und bleiben.
Lieber Jens,
Angela Merkel war und bleibt eine Taktikerin. Im Zweifel ist ihr eine gemeinsame Erklärung mit Donald Trump zur NATO und deutsch-amerikanischer Zusammenarbit strategisch wichtiger als öffentliche Kritik an Trump. Das heißt nicht, dass sie ihm nichts dergleichen gesagt hat, sondern nur, dass sie es offenbar nicht so deutlich gesagt hat, dass eine gemeinsame Erklärung zu gemeinsamen Positionen dadurch unmöglich geworden wäre. Das nennt man „Diplomatie“.
Francois Hollande ist im Gegenteil zu Merkel in der glücklichen Situation, dass er nicht mehr lange französischer Präsident bleiben wird. Er konnte das sagen, was Merkel sich wohl – zumindest in dieser Deutlichkeit – verkniffen hat.
Allerdings hat sich Merkel mit ihrem Verhalten genau derjenigen Kritik ausgesetzt, die Du formuliert hast. Im Inland kann das ihr sehr schaden.
Wenn man allerdings Horst Seehofer hört, der seine CSU offenbar wohl schon auf Trump einschwört, dann beschleicht mich die Sorge, dass die von Dir zu Recht angeprangerte Appeasement-Politik sich ausbreiten könnte bei Regierenden und Möchtegern-Gästen im Weißen Haus oder im Trump Tower. Deswegen müssen wir Merkel innenpolitisch unter Druck setzen, damit sie sich zum Rassismus von Trumps Politik klar äußert.
Erfreulich ist, dass mittlerweile zwei US-Gerichte dem rassistischen Einreiseverbot die Rote Karte gezeigt haben. Wer gültige Einreisepapiere besitzt, darf damit auch weiterhin in die USA einreisen.
Wichtig ist, dass Du mal etwas zur Ruhe kommst. Wer die Nächte jetzt nicht schläft, wird nachher nicht ausgeschlafen sein, wenn es wirklich darauf ankommt, hellwach zu sein.
fjh