Verzicht auf Nachrichten? Ein interessanter Vorschlag

Als ich mich in den letzten Tagen mit meinem alten Blog befasste, ist
mir aufgefallen, dass ich früher oft über kleine Dinge schrieb, die ich
hörte und erlebte. Das konnten Ereignisse aus meinem Leben sein, aber
auch News, die für den Moment bedeutsam waren. Damals habe ich mir zu
vielen Dingen meine Gedanken gemacht, aber seit ungefähr 10 Jahren
lähmte mich die weltpolitische Großwetterlage immer mehr, und ich hatte
keinen Platz mehr für die kleinen Dinge des Lebens. Das merkte man auch
im Blog. Heute morgen hörte ich in HR1 eines dieser Kurzinterviews,
diesmal mit dem schweizer Schriftsteller Rolf Dobelli, der in seinem
Buch „Die Kunst des digitalen Lebens“ für einen kompletten
Nachrichtenverzicht eintritt. Eine radikale These, die ich aber gut
verstehen kann.

Früher war ich ein Nachrichten-Junkie, doch seit einigen Jahren weiß
ich, dass mir zu viel News-Konsum nicht gut tut. Ich habe meine
täglichen Nachrichten so weit reduziert, dass ich während meines
jährlichen Urlaubs gar keine Nachrichten höre, und im Rest der Zeit nur,
was ich so aufschnappe, oder was mir auf Mastodon mitgegeben wird. Ich
dachte auch immer, ich würde etwas verpassen, wenn ich nicht täglich
mindestens einmal die Radionachrichten hörte, doch das ist ein Irrtum.
Trotzdem fand ich es schwierig, als Rolf Dobelli heute morgen sagte, man
könne vollständig auf den täglichen Nachrichtenstrom verzichten, damit
würde uns ohnehin nur Lebenszeit gestohlen. Was wirklich wichtig sei, so
Dobelli, würden wir schon erfahren. Wenn es uns selbst betreffe, würden
wir informiert werden, und ansonsten wären Hintergrundlektüre und
vertiefende Information über Dinge, die einen wirklich interessieren,
viel besser für unser Wohlbefinden. Die Welt und ihre Nachrichten rauben
uns den Verstand, sagt der Autor. Er hat schon öfter so Ratgeberbücher
geschrieben: „Die Kunst des guten Lebens“ zum Beispiel. Normalerweise
würde ich solche Bücher nicht einmal mit der Kneifzange anfassen, es
schüttelt mich schon beim Titel, ich kann mit Ratgeberliteratur nichts
anfangen. Der Punkt ist hier jedoch, dass Dobelli eine zugegeben heftige
These mit wissenschaftlichen Fakten untermauert, und dass er von seinen
eigenen Erfahrungen berichtet. Er selbst lebt seit rund 15 Jahren ohne
Nachrichtenhäppchen. Ich glaube, ich werde mir dieses kleine Buch mal
durchlesen. Vielleicht lerne ich dabei, wie man auch mal die große,
lähmende Welt abschüttelt und wieder Platz hat für die kleinen,
vielleicht auch mal schönen Dinge im Leben, die Kraft geben, anstatt sie
zu nehmen.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
Dieser Beitrag wurde unter Leben, Politik abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.