Wie aus einem aufbruch ein Kleinkrieg wurde – Neues vom Ohrfunk

Vor einer Woche haben MIBS und Ohrfunk ihre Umwandlung mit einer Mitgliederversammlung abgeschlossen. Doch aus dem Aufbruch ist ein Kleinkrieg und ein Kampf geworden, der mir persönlich an die Nerven geht.

Vor 7 Wochen schrieb ich unter dem Titel Der Ohrfunk erfindet sich neu euphorisch über den Neuanfang in meinem Sender. Dazu stehe ich, es war und ist großartig, mit diesem Team zu arbeiten. Aber an jenem 1. Oktober hatte ich noch gehofft, die Trennung von unserem ehemaligen Vorsitzenden und Chefredakteur, Eberhard Dietrich, den ich als meinen Freund betrachte, würde weniger schmerzhaft sein. Leider ist daraus eine Art Kleinkrieg geworden, den diese Sache nicht verdient hat. Und ich sitze hier und befinde mich in einer Zwickmühle. Ich möchte darüber schreiben, aber ich möchte keine schmutzige Wäsche waschen, keinen Rufmord betreiben, nicht wie einer klingen, der über einen Anderen hetzt.

Versuchen wir es so: Die lange Geschichte des Ohrfunks ist nicht die Geschichte eines engagierten Vereins, der sich frisch ans Werk macht, um einen Radiosender aufzubauen. Es ist die Geschichte eines Mannes, der seinen Radiotraum verwirklichen wollte und einen Verein gründete, weil er damit die besten Fördermöglichkeiten erhielt. Lieber hätte er wohl eine Firma gegründet, deren Inhaber er war. Er hätte alles bestimmen können, und für seine Mitarbeiter, das sage ich ohne jede Ironie, wäre er ein hervorragender Chef gewesen. Weil er so eine starke
Führungspersönlichkeit war, ebbten mit der Zeit alle
Meinungsverschiedenheiten im Verein ab. Der Mann, Eberhard Dietrich, ging seinen Weg, und wir, die Ohrfunkredakteure, folgten ihm und machten Radio. Mehr und mehr wurde Eberhard das Gesicht des Senders. Er unterhielt für den Sender alle Kontakte nach außen, er organisierte Spenden, Veranstaltungen, Kabeleinspeisungen und alle sonstigen Verpflichtungen. Einmal im Jahr, auf der Mitgliederversammlung, informierte er uns in groben Zügen. Und wir wollten den Formalkram immer schnell hinter uns lassen und über Inhalte reden, was leider nur selten geschah. Verständlich ist vielleicht, dass Eberhard Dietrich den Ohrfunk als sein privates Projekt ansah,aber leider war nicht nur er dieser Ansicht, sondern auch die Außenwelt, die mit dem Verein MIBS und dem Sender Ohrfunk immer nur Eberhard in Verbindung brachte, so viel wir anderen Redakteur*innen auch beitrugen und arbeiteten.

Als Eberhard wegen in Wahrheit kleiner Unstimmigkeiten über das künftige Programm im August plötzlich erklärte, er werde zum 30. September zurücktreten und nicht mehr für Ohrfunk Radio machen, sondern sein eigenes Projekt gründen, entstand bei den verdattert zurückgebliebenen, die alles versucht hatten, den Chef zu halten, der neue Teamgeist, und wir machten uns daran, den Sender zu unserem Sender zu machen.

Neben der Umgestaltung des Programms, der inneren Struktur einer Redaktion und ähnlichen Dingen, die zunächst im Vordergrund standen, mussten wir uns auch um die Finanzen des Vereins kümmern. Ohne Moos nix los! Dazu mussten wir die Papiere des Vereins von Eberhard in die hand bekommen. Und hier begannen die Schwierigkeiten. Er hielt und hält immer noch einige Papiere des Vereins zurück, die er sich noch kopieren wollte. Er nutzte eine Weile über seinen Rücktritt hinaus
Softwarelizenzen des Vereins, er begann schon vor dem Ende seiner Tätigkeit bei Ohrfunk damit, dieselben Sponsoren, die er bislang für Ohrfunk angeworben hatte, für sein neues Projekt zu verpflichten. Er hatte mir sogar offen gesagt, er werde in Konkurrenz zu uns treten, aber beseelt von unserem neuen Teamgeist hatte mir ein kameradschaftliches Nebeneinander vorgeschwebt. So kam es, dass wir uns plötzlich, als wir einen Teil der Vereinsakten endlich bekamen, ohne Sponsoren
wiederfanden. Für neue Anträge für 2020 war es zu spät im Jahr. Schlimmer aber noch war, dass wir dadurch die Kabeleinspeisung für 2020 nicht mehr gewährleisten konnten. Für eine Kündigung aber war es ebenfalls zu spät, die hätte bis zum 30. September, Eberhards rücktrittstag, erfolgen müssen. Er wusste bei seinem Weggang, dass wir wahrscheinlich keine Sponsoren haben würden, um die Kabeleinspeisung zu bezahlen, unternahm als damals allein berechtigter Vorsitzender aber nichts, um die Kosten durch Kündigung der Kabeleinspeisung zu senken.

Vielleicht finden wir aus diesem Dilemma eine Lösung, aber noch sieht es offiziell so aus, dass Ohrfunk wahrscheinlich im Mai 2020 seine Pforten schließen muss, weil wir ja keine Schulden machen dürfen.

Die Enttäuschung bei unserem Team wurde noch größer als wir feststellen mussten, dass unser ehemaliger Vorsitzender für sein neues Projekt zum großen Teil die Internetseite des Ohrfunks kopierte, bewusst ähnliche oder gar gleiche Namen für seine Sendungen wählte und den Eindruck erweckte, er sei das Original, während wir die Abtrünnigen waren. Aus seiner Sicht ist das vielleicht sogar nachvollziehbar, denn für ihn war er allein immer der Ohrfunk, und er hatte sich nur ein paar Helfer geholt. Welche rechtlichen Verbindlichkeiten ein Verein einging, welche Eigentumsverhältnisse dem zugrunde lagen, das hat er vielleicht nie verstehen wollen.

Der letzte Punkt, den ich kurz erwähnen muss, ist die Tatsache, dass in dem neuen Projekt, das sich Ohrsicht nennt, alte Ohrfunksendungen ausgestrahlt werden, ohne deren Macher*innen um Erlaubnis zu fragen. Einer der Sendungsmacher hat inzwischen Konsequenzen angekündigt.

Dies alles enttäuscht mich sehr und drückt die Freude über unser Team, seine Arbeit und seine Erfolge. Wir haben für diesen Sender wie die Hauselfen geschuftet, und nun könnte alles einfach so zu Ende gehen, weil wir sozusagen in den Ruin gelockt oder zumindest nicht über die Probleme informiert wurden. Warum nutzt jemand die Akten eines Projekts, aus dem er sich zurückzieht, um sein neues, persönliches Projekt aufzubauen und sein altes Projekt, weil die Leute ihm nicht mehr blind folgen, in den Ruin zu treiben?

Ich kann das nicht verstehen und ich kann es immer noch kaum glauben. Ich bin kein Konkurrenzdenker, ich hasse dieses Platzhirschgehabe. Mir wäre eine Zusammenarbeit unter Freunden mit unterschiedlichen Schwerpunkten lieb gewesen. Wir hätten uns ergänzen und gegenseitig helfen und beraten können. So lange haben wir zusammengearbeitet, und ich bewundere Eberhard für seinen Radiotraum, seine
Durchsetzungsfähigkeit und seine unerschöpfliche Energie. Aber ich kann über dieses unfaire Spiel, das sich mir als bewusste Handlung darstellt, nicht hinwegsehen.

Wie dem auch sei: Damit der Ohrfunk weiterhin bestehen kann, und damit die Arbeit von uns allen nicht einfach so verpufft, haben wir einen Spendenaufruf veröffentlicht. Vielleicht hat ja die eine oder der Andere Lust, uns mit ein paar Euro zu unterstützen.

Vor einer Woche haben MIBS und Ohrfunk ihre große Umwandlung mit einer Mitgliederversammlung abgeschlossen, deren Ergebnisse wir auf unserer Homepage veröffentlichten. Neuer Vorsitzender des Trägervereins MIBS e. V. ist Rainer Damerius aus Siegen. Mit seiner Frau Anja, die sozusagen eine Art Geschäftsführung übernimmt, meiner Liebsten Bianca und unserer Chefredaktion Markus Bruch wird es hoffentlich ein schlagkräftiger Vorstand sein, der uns neue Quellen erschließt und die Existenz des Radiosenders auch über Mai 2020 hinaus sichert. Schade ist nur dieser Kleinkrieg, den ich um jeden Preis verhindern wollte.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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2 Antworten zu Wie aus einem aufbruch ein Kleinkrieg wurde – Neues vom Ohrfunk

  1. Bedia sagt:

    Und warum konnte Eberhard sich so in aller Seelenruhe über Jahre vernetzen? Weil er dafür seinen ehemaligen Arbeitsplatz und seine Arbeitszeit genutzt hat. Es ist ja in Berlin ein offenes Geheimnis, dass es so war, ja dass er dafür sogar ermahnt wurde. Was für eine Sauerei für die Menschen, die für den ABSV spendeten um auch sicherzustellen, dass die Berliner Hörbücherei genug Geld für ihre Produktionen bekam. Nicht nur gegen Dummheit kämpfen Götter vergebens, sondern auch gegen Schahmlosigkeit. Ich habe es immer bedauert und bedauere es bis heute, dem Ohrfunk den Rücken gekehrt zu haben. Aber nun, wo ich den Werdegang des Ohrfunks nach dem 30.09. verfolge, ist mir Herr D. nichzt mal einen Gruß wert. Ich würde jede Sachlichkeit verlieren, und er ist es mir nicht Wert, mich auf ein solches Niveau zu begeben. Hoffe, nur, dass der betreffende Kollege doch die Konsequenzen nicht nur ankündig, sondern auch durchzieht. Manche begreifen halt erst, wenn sie besiegt am Boden liegen und sich nicht mehr rühren können.

    Ja, ich bin noch immer wütend, hat es mir doch so viel gegeben, für den Ohrfunk ehrenamtlich tätig zu sein. Aber für einen Neuanfang ist es wohl zu spät? Denn etwas anderes in meinem Leben, was ich immer schon machen wollte, aber nie durfte, steht im Vordergrund, Gitarre lernen. „Jeder Abschied kann ein neuer Anfang sein“ spielte meine liebe Kollegin Bianca auf meinen Wunsch hin zu meinem Abschied. Dem habe ich nun Taten folgen lassen. Aber wirklich darüber hinwegkommen werde ich wohl erstmal nicht.. Und wenn ich den Kontakt zu den früheren Kollegen nicht mehr gesucht habe, dann nur desshalb, damit es heilen kann.

    Ich wünsche Euch alles Liebe, vor allem aber Gerechtigkeit. Finanziell werde ich euch mit einer Spende unter die Arme greifen, und Euren Spendenaufruf auf http://www.nebenan.de teilen. Irgendwie hoffe ich ja einen Anwalt zu finden, der Euch unentgeltlich vertreten würde, wenn Ihr es wünscht.

    Alles Gute
    Bedia

  2. Hallo Bedia! Schön, von dir zu lesen. – OOPS? – Eberhard ist mal ermahnt worden? OOPS, diese offenen Geheimnisse sind wohl nie aus Berlin herausgekommen, und sie sind vielleicht auch nichts für dieses Blog. 🙂 Wenn du irgendwann der Meinung bist, mit uns wieder Kontakt aufnehmen zu können, sollten wir unbedingt mal telefonieren. Danke für deine Hilfe bezüglich unseres Spendenaufrufes. – Und für Mitarbeit ist es nie zu spät. Heute muss man für Ohrfunk nicht mehr so viel und so regelmäßig schuften wie früher. 🙂

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