Weitere Stimmen gegen das Zustrombegrenzungsgesetz

Heute wird im Bundestag über das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz abgestimmt – ein Gesetz, das nicht nur inhaltlich fragwürdig ist, sondern auch mit Hilfe der AfD beschlossen werden soll. Ich habe bereits einen offenen Brief an unseren CDU-Bundestagsabgeordneten veröffentlicht. Nun möchte ich auch einige Stimmen aus meinem Freundeskreis zu Wort kommen lassen, die sich mit großer Besorgnis zu diesem Thema geäußert haben.

Stimme 1:
„Bei mir lebt meine 96-jährige Oma. In diesem Alter ist die Vergangenheit sehr präsent, und deshalb höre ich fast täglich Geschichten vom Zweiten Weltkrieg. Ich frage mich: Haben Friedrich Merz und andere in der CDU nie solche Geschichten gehört?
Was ist gerade bei der CDU/CSU los? Ihr müsst doch wissen, was passieren kann, wenn man die Rechten mit einbezieht. Ich bin fassungslos über einen Antrag, der nur mit Hilfe der AfD angenommen wurde.
Natürlich dürfen Attentate wie das in Aschaffenburg nicht passieren. Das ist mehr als klar. Aber es sind nicht alle gleich. Es gibt überall eine kleine Minderheit von Menschen, die Böses tun – unabhängig von ihrer Nationalität. Doch eine ganze Gruppe pauschal zu verurteilen, ist nicht tragbar.
Ich könnte endlos weiterschreiben … aber das Wichtigste ist: Lassen Sie nicht zu, dass weitere Gesetze mit der AfD beschlossen werden! Wohin soll das führen? Wieder zu den Geschichten, die meine Oma täglich erzählt?“

Stimme 2:
„Ich lebe gern in einer jungen und vielfältigen Stadt und arbeite als Dolmetscherin und Übersetzerin. Dadurch habe ich Kontakt zu den unterschiedlichsten Menschen, was mein Leben ungemein bereichert.
In denselben Tagen, in denen die letzten Holocaust-Überlebenden uns mit erschütternden Erzählungen daran erinnern, was passieren kann, wenn Rechtsextreme Macht und Einfluss gewinnen, fragt Alice Weidel öffentlich, ob wir noch wissen, wie schön Deutschland einmal war. In solchen Zeiten kann es nur ein richtiges Signal geben: Alle demokratischen Parteien müssen sich ohne jeden Zweifel gegen die AfD positionieren.
Ich war nie ein ängstlicher Mensch, doch die Art und Weise, wie sich diese rechtsextreme Partei allen Erkenntnissen und Gerichtsurteilen zum Trotz Stück für Stück mehr Macht erobert, macht mir Sorgen. Bitte helfen Sie mit, unsere Demokratie zu erhalten, und stimmen Sie nicht mit der AfD!“

Stimme 3:
„Ich bin Erzieherin und ehrenamtlich in der Blinden-, Hörsehbehinderten- und Taubblindenselbsthilfe tätig. Ich bitte Sie inständig, Ihr Gewissen sprechen zu lassen und sich klar von einer Zusammenarbeit der CDU mit der AfD zu distanzieren!
Rechtsextremes Gedankengut ist wie ein schleichendes Gift. Es sickert langsam von den Rändern in die Mitte der Gesellschaft, bis es das Denken und Handeln immer mehr beeinflusst – besonders bei Menschen, die Angst um ihre Zukunft haben.
Bitte stellen Sie sich klar gegen die AfD und lassen Sie nicht zu, dass sie als Teil einer demokratischen Parteienlandschaft akzeptiert wird. Machen Sie dem „C“ und „D“ im Parteinamen der CDU Ehre – mit christlichen Werten wie Nächstenliebe, ohne Missgunst und Falschaussagen.
Ich mache mir Sorgen, dass das Gleiche passiert wie vor 92 Jahren.“

Stimme 4:
„Ich bitte Sie eindringlich, nicht für das Zustrombegrenzungsgesetz zu stimmen. Es ist nicht nur unmenschlich und in Teilen verfassungswidrig – es ist einer demokratischen Partei unwürdig, sich eine Mehrheit durch eine rechtsradikale Partei zu sichern. Besonders, wenn es in Ruhe Kompromisse mit anderen demokratischen Parteien geben könnte.
Es gibt keinen nationalen Notstand, der rechtfertigt, dass Herr Merz mit dem Feuer spielt. Deutschland ist eines der letzten europäischen Länder, in denen eine konservative Partei noch stärker ist als die extreme Rechte. Doch die Strategie, sich immer weiter nach rechts zu orientieren, funktioniert nicht – das zeigen die Beispiele aus Italien, Frankreich, den Niederlanden und Österreich. Überall hat die extreme Rechte die Mitte längst überholt.
Bitte beteiligen Sie sich nicht an diesem gefährlichen Machtspiel! Und bitte instrumentalisieren Sie nicht das Attentat von Aschaffenburg. Es ist grausam, dass die Nationalität des Täters derart hervorgehoben wird, während kaum jemand erwähnt, dass das zweijährige Opfer ein marokkanisches Kind war, für das die Trauergebete in einer Moschee gesprochen wurden.
Die Zahl der Asylanträge ist im letzten Jahr um 30 % gesunken, die Abschieberate um 20 % gestiegen. Es gibt keinen Notstand! Es gibt aber zahlreiche Beweise dafür, welche gefährlichen politischen Vorstellungen die AfD vertritt.
Als behinderte Frau und als Mitarbeiterin in einer Beratungsstelle erinnere ich mich gut an eine Anfrage der AfD im Bundestag, in der sie die Anzahl von Behinderten in Deutschland hinterfragte – mit der Vorannahme, dass Inzest und die „Vermehrungsquote“ von Migranten mögliche Gründe dafür seien. Zudem bezeichnet die AfD jede Art von Inklusion als „überflüssige Modeerscheinung“. Was wird noch kommen, wenn sie an Macht gewinnt?
Dieses Gesetz wird ohnehin nicht ohne weitere Kompromisse beschlossen werden. Ist es das wirklich wert, unsere Demokratie für ein kurzfristiges Manöver aufs Spiel zu setzen?
Ich habe mehr Angst als je zuvor in meinem Leben. Denn eines weiß ich sicher: Diesmal wird keine Kavallerie kommen, um uns zu retten. Es gibt keine Alliierten mehr, die ein verirrtes Volk befreien könnten. Und von den USA brauchen wir gar nicht erst zu reden.
Bitte helfen Sie mit, Deutschland als weltoffenes Land zu bewahren – das Land, das wir nach dem Zweiten Weltkrieg sein wollten. Stimmen Sie nicht für dieses Gesetz!“

Dieser Beitrag stellt unterschiedliche Stimmen von Bürgerinnen und Bürgern dar, die sich gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD und für den Erhalt unserer Demokratie aussprechen. Gerade jetzt ist es wichtig, nicht zu schweigen. Allein hier in Marburg haben über 900 Menschen an den Abgeordneten geschrieben, der – wie ich inzwischen weiß – für die Linie von Friedrich Merz stark Werbung macht und vermutlich nicht umzustimmen sein wird. Aber wir haben es wenigstens versucht.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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