Engagement in der Behindertenpolitik
Durch Zufall gehörte ich am 20. Mai 1997 zu den Mitgründern eines lokalen Behindertenverbandes. Der Verein nannte sich „Behinderte in Gesellschaft und Beruf (BiGuB) e. V.“. Unser Ziel war es, durch eigene Projekte Menschen mit Behinderungen in Arbeit zu bringen, und wir hatten einige kreative Ideen. Wie gesagt war ich eigentlich nur durch Zufall dabei, damit der Verein die sieben Gründungsmitglieder voll hatte, die zu seiner Gründung notwendig waren. Aber schon wenige Monate später stieg ich voll in die Arbeit ein.
Seit dem 27. März 1996 hatte ich über die Uni Marburg einen Internetanschluss, und obwohl ich nur einen alten Computer aus dem Jahre 1990 mit MSDOS hatte, konnte ich über den Textbrowser Lynx durch das Netz der Netze surfen. Ab September 1996 hatte ich langsam begonnen, mir meine eigene Homepage zu basteln. Am 31. Oktober 1997 erfuhr ich von einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das festlegte, dass behinderte Kinder keinen Rechtsanspruch auf integrative Beschulung haben, wenn es aus organisatorischen, personellen oder sächlichen Zusammenhängen heraus nicht geboten oder möglich erscheint. Dieses Urteil regte mich so dermaßen auf, dass ich im Internet mit einer eigenen kleinen BiGuB-Seite eine Campagne dagegen aufzog. Binnen weniger Tage hatte ich so Kontakte zu anderen Organisationen geknüpft, und unsere Seiten wurden gewissermaßen als Vorreiterangebot in diesem Falle genutzt. Daraufhin beschloss ich, mich um die Internet- und Pressearbeit des Vereins zu kümmern. Der Vorstand nahm diesen Vorschlag an, und so wurde ich Pressesprecher von BiGuB e. V. Ich erstellte die Internetseiten, und ich verbreitete unsere Ansichten, ab Januar 1998 über unsere erste eigene Domain bigub.com. Mir machte die Pressearbeit viel spaß. Ich sprach zu vielen Aktionen, die wir im ersten Jahr durchführten, mit Vertretern anderer Organisationen, Presse, Funk und Fernsehen. Ich übte mich im Schreiben von Pressemeldungen, in der Abgabe von öffentlichen Erklärungen und Interviews. Es gefiel mir, mich politisch zu engagieren. Erst waren es empörende Gerichtsurteile, wie das Schulintegrationsurteil und das sogenannte Maulkorburteil, das einer Gruppe geistig behinderter Menschen den Aufenthalt im eigenen Garten nahezu vollständig verbot, die mich auf die Palme brachten und über die ich berichtete. Dann aber machten wir eigene Aktionen. Wir protestierten gegen die Benennung eines nichtbehinderten Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, wir setzten uns für barrierefreies Internet ein und stritten für ein Behindertengleichstellungsgesetz und vieles vieles mehr. Eng arbeite ich seither mit dem marburger Journalisten Franz-Josef Hanke zusammen. Ab dem 15. November 1998 gründeten wir gemeinsam innerhalb des BiGuB e. V. den Arbeitskreis barrierefreies Internet (AkbI). Er sollte das Thema der allgemeinen Zugänglichkeit des Internets auch für behinderte Menschen mehr auf die Tagesordnung bringen, auch durch die Vergabe eines jährlichen Preises, des sogenannten gordischen Webknotens. Durch unsere Initiative und einen aufsatz von Jan Eric Hellbusch, der fast zeitgleich erschien, wurde man in Deutschland auf das Thema aufmerksam. Seither hat sich viel getan in dieser Beziehung, und die kommerziellen Agenturen haben dieses Feld zu erobern begonnen.
Seit dem 23. Februar 2002 gibt es den AkbI als eigenständigen Verein, und ich bin derzeit noch sein Vorsitzender.
Am 9. Februar 1998 gründeten damals fünf engagierte Personen verschiedener Behindertengruppen die Kooperation Behinderter im Internet (KoBI). Das war ein einfacher Informationszusammenschluss, der sich nach und nach zu einer Nachrichtenagentur von und für Behinderte weiterentwickelte, die heute als Kobinet-Nachrichten bekannt und geschätzt ist. Von Anfang an habe ich an diesem Projekt mitgearbeitet, und seit August 2002 habe ich die Ehre, das Angebot auf meinem Mail- und teilweise Webspace zu hosten.
Genau zu dem Zeitpunkt, zu dem ich mit meiner Arbeit im BiGuB begann, im Oktober 1997, wurde meine Mutter schwer krank. Drei Jahre lang ging es nur bergab mit ihr, erst mitte 2000 begann sie langsam, sich wieder zu erholen. Ich wohnte zwar viele Kilometer entfernt, war aber fast der einzige Ansprechpartner aus der Familie, der ihr zuverlässig geblieben war, da meine Schwester zu uns den Kontakt ziemlich und ab 2000 vollständig abgebrochen hatte. So lag es an meiner Freundin und mir, meiner Mutter zu helfen und sie zu begleiten. Wir sahen mit Freude, dass sie sich wieder etwas erholte, und deshalb kam ihr plötzlicher Tod am 24. November 2002 für uns völlig überraschend. Wieder ereilte mich eine Depression, und ich stellte nahezu alle meine Aktivitäten ein, auch die Arbeit an meinen Internetseiten. Als ich am 3. November 2003 erfuhr, dass die hessische Landesregierung beabsichtigte, das Landesblindengeld um 30 % zu kürzen, das an blinde Menschen als Nachteilsausgleich gezahlt wird, da schrekte ich aus meiner Lethargie auf und kämpfte gegen diese Absicht. Wir erreichten immerhin, dass die Kürzung nur 15 % betrug. Meine Unzuverlässigkeit während meiner Depression kostete mich allerdings meine intensive Arbeit bei den Kobinet-Nachrichten. Es war auch die Zeit, in der sich BiGuB e. V. nach knapp 6 Jahren Arbeit auflöste.
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Mit Begeisterung und innerer Anteilnahme habe ich“ Über mich“ gelesen.
Auf Ihre Webside bin ich durch einen Link Hinweis in einem Kommentar bei Ad sinistram gekommen.
Ihre Biographie ist sehr spannend, interessant und hat mich sehr nachdenklich gestimmt. – Mein Geburtstag ist ebenso der 12. Februar !
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Frau weiterhin viel Mut und Zuversicht im Leben.
Ihren Blog werde ich jetzt öfter besuchen !
Gruß
Hartmut
Hallo, falls Sie am 30. April Zeit haben, würde ich Sie und Ihre Frau gerne nach Siegen ins Apollo-Theater einladen. Da läuft ab 19 Uhr die 34. und letzte Vorstellung unserer Eigenproduktion „Ich habe einen Traum“, ein Martin-Luther-King-Konzert. Näheres findet sich unter http://www.apollosiegen.de – es würde mich freuen, Sie kennenzulernen. Mit freundlichen Grüßen, Jan Vering (PS: Dieses ist garantiert der falsche Weg, Sie zu erreichen, aber ich weiß es leider nicht besser)
Hallo,
von unserer gemeinsamen Freundin Katrin bin ich auf diese Seite hingewiesen worden und lese mit Bestürzung und Bewunderung los. Würde mich sehr über einen Austausch freuen,
viele Grüße von Kirsten
Herr Vering,
ich bin zutiefst berührt von Ihren Geschichten aus dem Leben auf dieser Seite „Über mich“. Genießen Sie die Schönheiten Ihres Lebens gemeinsam mit Ihrer Frau.
Alles Gute wünscht Ihnen,
nossy