Nach der Elefantenrunde habe ich mir heute die Umfragen der Meinungsforschungsinstitute angesehen und war entsetzt. Zwei von sechs Institute sehen noch gestern eine schwarz-gelbe Mehrheit!
Nach meiner allmählichen und langsamen Besinnung auf das kleinere Übel bei dieser Wahl empfinde ich die Bedrohung mit schwarz-gelb wirklich als existenziell. Nicht nur, dass uns ein extrem vereinfachtes Steuermodell droht, auch in der Außen-, Arbeitsmarkt- und Behindertenpolitik sehe ich schwarz.
Was das Steuermodell betrifft, habe ich ja gar nicht so viel Angst vor Herrn Kirchhof, wie die Medien sie verbreiten. Kirchhof zeigt nur die zukünftige Maximalposition der Union an, nicht das, was jetzt durchsetzbar ist. Die Union will ihr Steuerkonzept durchsetzen von weiter gesenkten Einkommenssteuern, vor allem beim Spitzensteuersatz. Aber auch dieses Modell ist wirklich gefährlich. Für die unteren Einkommensschichten bedeutet es im Endeffekt eine Mehrbelastung, denn es sollen viele Zuschläge gestrichen werden. So muss der Verlust der Einkommenssteuereinnahmen durch weniger Steuerfreibeträge bei den unteren Einkommensschichten wettgemacht werden.
Arbeitsmarktpolitisch graust es mir wirklich. Die Agenda 2010 war ein Witz dagegen, was die Union vor hat. Kürzungen der ALG-II-Leistungen, erhöhung der Zumutbarkeitsgrenzen, keine Zusatzleistungen, straffere Kürzungen bei Langzeitarbeitslosigkeit. Arbeitslose werden noch viel mehr als jetzt wie faule nichtstuer in unserer Gesellschaft behandelt werden.
Die Behindertenpolitik ist natürlich für mich und meine Freunde sehr wichtig. Nachdem wir unter rot-grün eine Zeit lang den Eindruck hatten, es könnte sich bessern, müssen wir jetzt damit rechnen, im allgemeinen Kostendämpfungstrubel unterzugehen. Das wird nach und nach vollkommen abgeschafft, und das ist wirklich ein Jammer, es beendet faktisch unsere einigermaßen gleichberechtigte Teilhabe am Gesellschaftsleben, denn wir werden zwar genug zum Leben haben, aber nicht genug für die behinderungsbedingten Mehraufwendungen, die wir zu leisten haben. Wir werden nicht am Hungertuch nagen, aber wir werden uns praktisch nichts mehr leisten können, was über das absolut zum Leben notwendige hinaus geht, von der Blindenuhr bis zum Computer mit Sprachausgabe und dem Farberkennungsgerät oder der Prägezange, um Lebensmitteldosen zu beschriften, vom Vorleser der Post oder der Aufschriften auf Lebensmitteldosen ganz zu schweigen.
Was die künftige Außenpolitik angeht, so können wir uns an Frau Merkels Reaktion im sogenannten Kanzlerduell vor einer Woche die Zukunft ausmalen. Ja und Amen zu allem, was Amerika macht. Deutsche Truppen in jedem Abenteuer der USA. Und wenn noch stimmt, was ich heute irgendwo gelesen habe, dass nämlich die USA beabsichtigen, die Schwelle für den Einsatz der Nuklearwaffen herunterzusetzen, dann muss ich sagen, steuern wir mit dieser wahnsinnigen Großmacht – zumindest unter Bush – so langsam auf eine absolute Katastrophe zu. Dabei können wir nicht mitmachen!
Liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs: Gehen Sie unbedingt wählen! Ich rufe Sie auf:
- Gehen sie Wählen!
Jede Stimme, die nicht abgegeben wird, ist eine Stimme für schwarz-gelb, und sie führt zu noch mehr Armut, noch mehr Elend und sozialer Kälte. Sie führt zu Willfährigkeit gegenüber den USA, einem ungerechten Steuersystem, und sie führt zu einer Bioethik, die therapeutisches Klonen ebenso erlauben wird, wie die genetische Veränderung von Lebensmitteln, Tieren und Menschen.
- Wählen Sie SPD, Grüne oder Linkspartei mit Ihrer Zweitstimme!
Nur diese Parteien können eine schwarz-gelbe Mehrheit verhindern, deren einzige Klientel die reichen Wirtschaftsmagnaten und die der Wirtschaft dienenden Wissenschaftler sind. Eine Stimme für Parteien, die nicht in den Bundestag kommen werden, ist verloren, weil sie nicht gezählt wird, solange die entsprechende Partei unter der fünf-Prozent-Hürde bleibt.
- Wählen Sie mit der Erststimme wenn möglich den Kandidaten der SPD, es sei denn, sie leben in einem Wahlbezirk, wo der Vertreter der Linkspartei eine Chance hat, und dieser Kandidat oder diese Kandidatin gefällt Ihnen besser!
Das ist keine Parteiwerbung, das ist Wahltaktik. Das deutsche Wahlrecht kennt die sogenannten Überhangmandate. Jede Erststimme, die an einen Direktkandidaten gegeben wird, der nicht die meisten Stimmen erhält, ist verloren. Es hat sich gezeigt, dass nur SPD und CDU oder in wenigen Bezirken die PDS in der Lage sind, direkt gewählt zu werden. Deshalb verschenken Sie Ihre Stimme nicht. Wenn Sie die SPD wählen, besteht die Möglichkeit, dass sie mehr Direktkandidaten in einem Bundesland erhält, als sie nach den Zweitstimmen haben dürfte. Das führt dazu, dass der Bundestag um diese Überhangmandate vergrößert wird, sie darf die entsprechenden Mandate behalten. Damit kann man sich bei knappen Mehrheitsverhältnissen doch noch die Mehrheit sichern. Bedenken Sie das bitte bei Ihrer Wahlentscheidung!
- Bei Protestwahl wählen Sie bitte die Linkspartei!
Natürlich sollen und müssen Sie die Linkspartei auch wählen, wenn Ihnen ihr Programm gefällt, wie es bei mir größtenteils der Fall ist. Aber wenn Sie nur aus Protest den großen Parteien und ihren kleinen Koalitionspartnern keine Stimme geben wollen, dann wählen Sie doch die Linkspartei. Sie wird nämlich in den Bundestag einziehen, und damit ist Ihre Stimme nicht verloren. Bei anderen Parteien, die Sie aus Protest wählen könnten, wählen sie faktisch die CDU. Das wäre nicht im Sinne des Erfinders, nehme ich an.
Aber bei allem, was Sie tun bitte ich Sie herzlich darum: Gehen Sie wählen, und verhindern Sie eine schwarz-gelbe Mehrheit! – Sie werden es sich selbst danken!
Copyright © 2005, Jens Bertrams.