Das Eva-Prinzip – Gedanken vor dem Lesen

Hin und wieder lese ich ein aktuelles Buch. Mein nächstes Projekt ist sicherlich „das Eva-Prinzip“ von Eva Herman. Kaum ein anderes Buch hat so viel Aufruhr in der Deutschen Gesellschaft in den letzten Monaten verursacht. Es geht um die Rolle der Frau im Gesellschaftsleben.


Sie wehrt sich vehement, wenn man ihr vorwirft, sie wolle die Frauen zurück an den Herd schicken. Eva Herman, lange Jahre beliebteste Nachrichtenmoderatorin Deutschlands, beklagt in ihrem Buch „Das Eva-Prinzip“ die Kinderlosigkeit in Deutschland und rechnet konsequent mit Feminismus und Emanzipation ab. Die Emanzipation der Frau, so kann man zwischen den Zeilen lesen, ist ein Irrtum der Geschichte. Frauen können am Besten ein Nest bauen, Netzwerke gründen und für Mann und Kinder ein Heim errichten und schön machen. Dass die Männer sich immer mehr von den Frauen abwenden, so Frau Herman, braucht die Damenwelt nicht zu verwundern, denn die Schöpfung sehe die Männer nun einmal als starkes, kreatives, beschützendes und aktives Geschlecht vor, und wenn Frauen zu Männern in Konkurrenz treten wollten, würden sich die Herren mit den breiten Schultern, an die man sich doch so gerne lehnen würde, zurückziehen. Dabei sehne sich doch jede Frau im tiefsten Innern ihrer Seele nach einem starken Beschützer. Die Frau von Heute, sagt Eva Herman, kann sich kaum noch leisten, zu hause zu bleiben, schon allein aus finanziellen Gründen, und weil die Gesellschaft von ihr die sogenannte Selbstverwirklichung verlange. Wer „nur Hausfrau und Mutter“ sei, werde abgelehnt. Schuld trage der Feminismus und die Emanzipation, die die Frau dazu gezwungen habe, maskuline Lebensentwürfe anzunehmen. Wer glaube, jahrtausende alte, biologisch gewachsene Gesellschaftsentwürfe umwerfen zu können, sei einem riesigen Irrtum aufgesessen.

Diese Ausschnitte und Argumente habe ich gehört, bevor ich das Buch lese. Sicher ist, dass Frau Herman Punkte benennt, über die man unbedingt nachdenken muss. Was macht unser Land so unattraktiv für Familien mit Kindern? Und wenn es Kinder gibt, warum haben sie so viele Defizite? Eine Frage, die ganz klar mit unserem Bildungssystem und unserer unbändigen Sparwut zu tun hat, zumindest was die öffentlichen Haushalte angeht. Eva Herman verlangt die Anerkennung der häuslichen Arbeit der Frau, und in diesem Punkt bin ich mit ihr vollständig einer Meinung. Bei den Gesellschaftsentwürfen allerdings rollen sich mir die Zehnägel auf.

Ist es wirklich so, dass sich alle Frauen tief in ihrer Seele nach einem starken Beschützer sehnen, einem um jeden Preis aktiven, führenden Mann? Eva Herman glaubt, dass die Männer unsicher werden, wenn die Frauen sie nicht mehr als starke, führende Beschützer haben wollen. Warum eigentlich, wenn sie doch so selbstbewusst sind? Nach Meinung der ex-Moderatorin sind Männer zum Beispiel nicht für die Hausarbeit gemacht, sie reißen sich nicht darum, machen es nicht freiwillig, und man sollte sie auch nicht zwingen. Käme mir entgegen, ich hasse Hausarbeit. Aber ich finde nun einmal, dass man in einer Partnerschaft die auf Gegenseitigkeit beruht, sich die anfallenden Arbeiten möglichst effektiv teilen sollte.

Männer, so sagt Frau Herman, geraten unter Druck, wenn sie nicht ihre angestammte Rolle spielen können, und Frauen geraten unter Druck, wenn sie in den Beruf gehen müssen. Ich habe über diesen Umstand eine Weile nachgedacht und sage hier etwas, was für Frau Herman vermutlich sehr überraschend klingt: Bei mir ist der Druck größer, wenn ich die aktive, beschützende, führende Rolle immer und überall ausführen muss. Ich bin von Natur aus eher ein passiver Mann, zumindest in sexueller Hinsicht, und ein Mensch, der in einer Partnerschaft mehr auf Kooperation setzt als darauf, immer alles allein und zum Wohle aller entscheiden zu müssen. Ein Heimchen am Herd, das nicht besonders gebildet ist – denn Frauen sollen Bildung und Arbeit außerhalb der Familie nur in Maßen machen -, würde mir ehrlich gesagt überhaupt nichts bringen, ganz im Gegenteil. Ich finde aktive, starke, selbstbewusste Frauen einfach wunderbar.

Was ist das für ein Sehnen, das in Eva Herman steckt, und vielleicht in vielen Frauen. Was für eine Idylle wünschen sie sich zurück in einer Zeit, in der es eine große Verantwortung zu tragen gilt. Ist es vielleicht das? Keine Verantwortung tragen zu wollen? Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, obwohl Eva Herman mir recht geben würde: Frauen, die es versucht haben, die im männlichen Arbeitsleben mitzuhalten versuchten, scheiterten kläglich und sind allzumeist am Ende, sagt sie.

Schade: Den Männern gewöhnt man nach und nach ab, Frauen als etwas Minderwertiges zu betrachten, und es dauert Ewigkeiten, bis es da überhaupt einen Erfolg gibt, und jetzt sind es ausgerechnet Frauen, die sich eine solche Welt wieder wünschen. Oder habe ich Frau Herman missverstanden? Ich sollte mal versuchen, mit ihr ein Interview zu bekommen. Und zunächst einmal sollte ich überhaupt das Buch lesen.

Copyright 2006, Jens Bertrams.


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Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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Eine Antwort zu Das Eva-Prinzip – Gedanken vor dem Lesen

  1. Das Nest sagt:

    Ich finde, selbst wenn man davon ausginge, daß Frauen mehr zum Nest- und Netzwerkbau taugen und Männer zu Beschützern und ruhenden Polen, legt das noch lange nicht ihre Rolllen fest. Da kann sich noch viel tun, auch wenn es im Moment sowohl für Männer als Hausmänner und Väter als auch für Frauen als Berufstätige in unserer Gesellschaft noch sehr schwierig ist, sich zu behaupten. Ich finde, unsere Berufswelt könnte gut eine gesunde Portion mehr TEamgeist, Vernetzung und wärme gebrauchen, was sie nicht weniger effektiv machen würde – ehr im Gegenteil. Und die Kinder könnten in unserer verwirrenden, reizüberfluteten, oft komplizierten Welt sehr gut einen beherzten Beschützer gebrauchen. Möge sich doch jeder und jede aussuchen, welche rolle sie spielen wollen.

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