Über die Aufgaben des Bundespräsidenten habe ich am Wahltag, dem 23. Mai einen meiner Meinung nach sehr interessanten und lesenswerten Kommentar für ohrfunk.de verfasst und in der Sendung „Audiogramm“ veröffentlicht.
Der britische Monarch bzw. seit knapp 60 Jahren die britische Monarchin, bot die Vorlage für das Amt des Bundespräsidenten. Aus den schlechten Erfahrungen der Weimarer Zeit, wo der Reichspräsident mit Notverordnungen die Nazis unterstützen konnte, hatte man gelernt. Deshalb sollte der Bundespräsident weitgehend zeremonielle, aber keine politischen Aufgaben mehr wahrnehmen. Im Gegensatz zur britischen Königin ist er nicht einmal nominell Oberbefehlshaber der Streitkräfte, und im Verteidigungsfall darf er nur feststellen, dass ein Krieg ausgebrochen ist, mehr nicht. Hauptaufgabe des Bundespräsidenten ist die Repräsentation der Bundesrepublik nach innen und nach außen. Er empfängt und verabschiedet also ausländische Botschafter, beglaubigt deutschlands Botschafter in anderen Ländern, unterschreibt beschlossene Gesetze, ernennt und entlässt ohne eigenes Mitspracherecht die Regierungsmitglieder, die Bundesrichter, die hohen Beamten und die Offiziere. Nur in drei Fällen hat er unter bestimmten Umständen einen gewissen Ermessensspielraum. Zum Einen übt er für den Bund das begnadigungsrecht aus. Zwar muss er sich die Bestätigung durch den Justizminister holen, aber die Entscheidung gebührt dem Bundespräsidenten allein. Zweitens kann er unter bestimmten Umständen den Bundestag aus eigener Erwägung heraus auflösen und Neuwahlen anordnen, und drittens kann der Bundespräsident bei Zweifeln über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen die Unterschrift verweigern. Die Juristen streiten sich lebhaft darüber, wie weit sein Ermessensspielraum geht, ob er sich nur auf die Form des Gesetzes, oder auch auf dessen Inhalt bezieht.
So bleibt dem Bundespräsidenten nur noch ein, allerdings sehr indirektes, Mittel, um auf die Tagespolitik Einfluss zu nehmen: Das Wort. Es ist eine der unbestrittenen Stärken dieses Amtes, dass es dem politischen Tagesgeschäft weitgehend entrückt ist, dass also der Bundespräsident zumindest theoretisch über den Parteien steht. Nach dem gewachsenen Amtsverständnis des Grundgesetzes darf sich der Bundespräsident zu tagespolitischen Themen nur dann äußern, wenn er auf allgemein gesellschaftliche Entwicklungen hinweisen oder das Gemeinschaftsgefühl ansprechen will. Dabei muss er natürlich vorsichtig sein und darf keine Spaltung in der Gesellschaft hervorrufen. So kommt es, dass sich der Bundespräsident nur sehr selten zu aktuellen politischen Entwicklungen äußert. Die kleine Bonzenschelte von Johannes Rau oder der Aufruf zur Bildungspolitik von Horst Köhler mögen hierfür Beispiele sein. Oder auch die Rede von Roman Herzog, in der er forderte, dass wieder ein Ruck durch unser Land gehen müsse. Immer, wenn ein Bundespräsident solche Äußerungen tut, gibt es jene, die behaupten, er habe seine Kompetenzen überschritten. Aber da ein Respekt vor dem Amt, wenn schon nicht vor der Perrson, angebracht ist, halten sich solche Schimpfkanonaden in der Regel in Grenzen, und man verspricht wenigstens, über die Worte des Staatsoberhauptes nachzudenken.
Hier liegt aber auch eine der größten Schwächen des Amtes. Der Bundespräsident soll der Präsident aller deutschen sein, wird aber nicht von den deutschen selbst, sondern von einer obskuren Bundesversammlung gewählt, die nur indirekt eine demokratische Legitimation hat, genau wie das Grundgesetz selbst, nachdem sich der Bundespräsident richtet. Dieses wurde ebenfalls nicht von den Menschen, sondern von den Parlamenten beschlossen. Und so ist die Vorstellung, der Bundespräsident sei dem politischen Tagesgeschäft entrückt, nur ein frommer Wunschtraum. Um seine Wahl rankt sich das Geschacher und Gezänk der Parteien, hier werden Koalitionen aufgekündigt und neu gebildet, zumindest werden Signale gesetzt. Und da der Bundespräsident in der Regel früherer Minister, Fraktionsvorsitzender, Verfassungsrichter, Wirtschaftsfachmann oder sogar Ministerpräsident war, kennen die Bürgerinnen und Bürger auch die Einstellung des Staatsoberhauptes zu allgemeinen politischen Themen, auch wenn sie nicht mehr geäußert werden. Das Interesse für das Amt des Bundespräsidenten sinkt. Nur wenn er singend, wandernd oder spendend durchs Land zieht, erregt er eine gewisse Aufmerksamkeit und kann Ansehen zurückgewinnen. Tausende die ausgelassen feiern und Spalier stehen, wenn die britische Königin ihren Geburtstag feiert und die Parade abnimmt, wenn sie versucht, zur Parlamentseröffnung das Unterhaus zu betreten und hinausgeworfen wird, damit man sich dann im Oberhaus versammelt, all dies gibt es in Deutschland nicht. Das Amt des Bundespräsidenten wird von einer tagespolitischen Funktionalität bestimmt, die verhindert, dass es etwas Besonderes ist, und dass das Staatsoberhaupt in der Lage ist, von allen respektiert auf Missstände hinzuweisen, wie gerade jetzt auf die drastische Armutszunahme. Horst Köhler, der ehemalige Direktor des Weltwährungsfonds, schweigt zu diesem Thema, denn: Der Markt wirds schon richten.
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Autor: Jens Bertrams