Den folgenden scherzhaften Beitrag habe ich am 1. April für Ohrfunk geschrieben. Er greift einen Aprilscherz der Tagesschau auf.Liebe Hörerinnen und Hörer: die gute Nachricht ist, dass es auch noch andere Dinge als das Internet gibt. Die schlechte Nachricht ist, dass unendlich viele Menschen auf das Internet angewiesen sind. Die Abschaltung des Internets für einen Tag ist ein schwerwiegender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Einbruch, der hätte verhindert werden können. Für uns Onlinejournalisten und Redakteure hat das Ganze ja auch etwas gutes: Wir können mit der Familie frühstücken, müssen nicht im Studio sitzen, und wenn das Wetter schön ist, können wir auch mal wieder ein Picknick machen. Aber damit endet auch schon die Möglichkeit, die Internetkatastrophe schön zu reden. Morgen früh um 9 Uhr deutscher Zeit werden alle Internetverbindungen gekappt, die Root-Server der Icann, der sogenannten Internetregierung, werden abgeschaltet. 24 Stunden werden die Techniker benötigen, um auf ein neues Internetprotokoll umzustellen, voraussichtlich jedenfalls. Dabei wäre in den letzten Jahren genügend Zeit dafür gewesen. Doch aus Furcht vor technischem Versagen, aus Investitionsscheu oder schlicht aus Gewinnsucht haben die Provider die notwendigen Umstellungen vernachlässigt. Der Hintergrund ist folgender: Jedes Gerät, das ans Internet angeschlossen wird, ist an einer eindeutig vergebenen sogenannten IP-Adresse erkennbar. Diese Adressen bestehen aus 4 durch Punkte getrennten Zahlen zwischen 0 und 255. Warum nur diese Zahlen möglich sind, liegt an einem alten Computerstandard, und außerdem konnte man noch nicht ahnen, wie sehr das Internet boomen würde. Zwar ist die Zahl der möglichen Adressen eigentlich sehr hoch, aber viele Bereiche sind für bestimmte Anwendungen oder Personengruppen reserviert. Nun hat die ICANN bekannt gegeben, dass alle möglichen IP-Adressen vergeben sind. Das Internet ist quasi voll. Sie können zwar noch immer Ihren Rechner benutzen, aber nur, weil er sich auf bereits bestehende Adressen einwählt. Jede neue Firma oder Institution, die eine eigene Adresse haben will, ist zum Warten verurteilt, es gibt einfach keine mehr. Aber warum gleich das Internet abschalten? Nun: Die Maßnahme ist ein Teil der Problemlösung. Schon seit 10 Jahren warnen die Experten vor der Überfüllung des Internets, und sie haben einen neuen Adressstandard entwickelt, das sogenannte IPV6-Protokoll. Unter diesem Protokoll sind so viele Adressen möglich, dass man vermutlich auf Jahrzehnte hinaus keine Sorgen mehr haben muss. Während ganz neue Geräte wie Computer mit Windows Vista oder Windows 7 diesen Standard bereits verwenden können, auch der neueste Mac ist dazu in der Lage, gucken Inhaber von Rechnern mit Windows XP oder älter in die Röhre. Denn morgen, am Internetfreien Freitag, werden die Root-Server bei ICANN auf den neuen Standard umgestellt. Von da an können nur noch Rechner ins Netz, die den neuen Adress-Standard benutzen können. Für viele von Ihnen heißt das vermutlich, dass Sie sich einen neuen Rechner kaufen müssen, oder sie verwenden ein Zusatzgerät wie einen Router, der den Standard des IPV6 bereits unterstützt. Nun, da das Kind in den Brunnen gefallen ist, fordern die Provider natürlich Hilfe von der Politik, denn auch sie müssen ihre gesamte Infrastruktur umstellen, ebenfalls an diesem Osterwochenende. Den Meisten Großprovidern wird es gelingen, aber viele lokale Provider werden morgen früh für längere Zeit ihren Betrieb einstellen müssen, bis sie neue Hard- und Software installiert haben. Paul Twomay, der Direktor der ICANN, zeigte sich selbst überrascht, dass die Katastrophe nun so schnell gekommen ist. Vor allem aus China habe es in den letzten 2 Jahren einen erheblichen Registrierungszuwachs an IP-Adressen gegeben, sagte er. Das ist natürlich nicht von der Hand zu weisen. Und eigentlich hätte man es wissen müssen. Nun werden alle für die unverantwortliche Hinhaltepolitik der Provider bezahlen: Unternehmen, Institutionen und Privatpersonen. Aber nicht zuletzt auch die Provider selbst, die sich in ihren Verträgen den Kunden gegenüber zu einer 99-prozentigen Erreichbarkeit ihrer Angebote verpflichtet haben, und auf die nun eine Prozesslawine zurollen dürfte.
Wenn morgen früh um 9 Uhr der Ohrfunk abschaltet, atmen Sie erst einmal tief durch, genießen Sie den internetfreien Tag und denken Sie genau darüber nach, was Sie nun an Hard- und Software brauchen, ob Sie Ihren Provider wegen Vertragsverletzung verklagen können, oder warum der ICANN-Direktor die Maßnahme erst letzte Nacht bekannt gegeben hat. Wir vom Ohrfunk bedanken uns jedenfalls herzlich bei Ihnen für die treue Hörerschaft, was wir auch gerade am ersten Geburtstag von 17-20 noch einmal betonen wollen. Ob Sie allerdings je wieder einem Provider oder einem Rundfunkredakteur vertrauen sollten, diese Frage und ihre Beantwortung überlasse ich ganz Ihnen. Frohe Ostern!
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Hallo,
einen Ausfall des Internets hat es vor einigen Tagen wirklich gegeben. Alle „.de“-Domains waren für Stunden nicht erreichbar.
Das war für einige – auch für mich – ausgesprochen problematisch. Hätte das länger gedauert, hätte ich alt ausgesehen.
Dagegen fand ich den Ausfall des Flugverkehrs aufgrund von Vulkan-Asche in der Luft sehr erholsam. Leider hört der isländische Vulkan inzwischen wieder auf, der Luftfahrt in die Suppe – besse´r: Route – zu spucken.Schade!
Aprilscherze sollte man übrigens ausschließlich am 1. April selbst veröffentlichen. Und auch da gibt es Grenzen. Beispielsweise die Geschichte von Marburg als Hansestadt fand ich ziemlich daneben. Nachzulesen ist sie bei http://www.marburgnews.de unter dem Datum 31.04.2010 Am folgenden Tag findet man dort auch einen bösen Kommentar dazu.
So viel einstweilen.
Liebe Grüße
fjh.