Paperblog – ein interessantes Blogportal

Paperblog: Das Beste aus Blogs. – So wirbt eine in Paris ansässige Firma seit neuestem für ihr auch in deutsch aufgesetztes
Blogportal. Es lohnt sich, dem Projekt einen interessierten und auch kritischen Blick zu widmen, denn Paperblog unterscheidet
sich durchaus von bisher bekannten Blogportalen.

5 Jahre lang schreibe ich inzwischen in mein Blog. Immer wieder habe ich Blogger und Bloggerinnen kennengelernt, die – genau
wie ich – gern schreiben, aber nicht besonders bekannt damit werden. Wir sind in erster Linie Schreiber und keine
Marketingspezialisten. Entweder man findet sich damit ab, oder man ändert es. – Oder man geht auf das Angebot eines
Blogportals ein, das einem ein gutes Ranking verspricht oder das eigene Blog mit hohlen Phrasen als „genau richtig für uns“
bezeichnet. Diese Anwerbung geschieht dann mittels massengenerierter E-Mails, gegen die man sich nur mit Hilfe der Löschtaste
wehren kann. Vielleicht wäre es der Mail vom Paperblog-Team in meinem Falle ganz ähnlich ergangen, denn der Inhalt
unterschied sich auf den ersten Blick nicht von anderen Anwerbungen für robot-generierte und werbefinanzierte Blogportale.
Außerdem wurde die Nachricht von einer gewissen „Johanna“ verfasst. Hand aufs Herz: Wieviele Spamnachrichten von Mailadressen
mit mehr oder weniger intelligenten Frauennamen haben Sie schon bekommen? Eben. Was die Sache in meinem Fall interessant
machte, war die Tatsache, dass es sich um einen Kommentar auf mein Blogposting zur Bundespräsidentenwahl, also nicht um eine
E-Mail handelte. Und der Text enthielt eine Entschuldigung dafür, dass man auf diese Weise mit mir Kontakt aufnehme, da man
keine Mailadresse auf meinem Blog gefunden habe, was übrigens korrekt ist. Diese tatsächlich persönliche Ansprache war es,
die mich über die seltsame und eigentlich Spambots vorbehaltene Kombination von Vorname und der Sie-Anrede hinwegsehen ließ.

Ich schaute mir die Seite an und war überrascht. Paperblog ist ein redaktionell betriebenes internationales Blogportal, das
es in Spanien, Italien, Frankreich und jetzt auch in Deutschland gibt. Man versuche, so vermittelte es die Beschreibung, ein
alternatives Medium aufzubauen, in dem das Beste aus der deutschsprachigen Blogosphäre sozusagen auf einem Portal gesammelt,
redaktionell bearbeitet und in verschiedene Kategorien einsortiert werde. Dass man ausgerechnet mich fragte, schmeichelte mir
natürlich, denn allgemein gehört mein Blog nicht zu den Beliebtesten in Deutschland. Welche Kriterien setzte man bei
Paperblog an? Welche Art von Qualität wurde erwartet? Ich beschloss, die Probe aufs Exempel zu machen und meldete mich bei
Paperblog an. Zu diesem Zeitpunkt war ich Blogger, kein Journalist. Ich freute mich einfach nur über das Interesse an meinem
Blog, das eine echte Redaktion offenbar für wertvoll erachtete, in ein Portal aufgenommen zu werden, das „das Beste aus
Blogs“ versammeln wollte. Dass man sich vorbehielt, die Überschrift eines Artikels begrenzt zu verändern, damit sie ins
Corporate Design passte, störte mich nicht besonders, und dass man ankündigte, Rechtschreibfehler zu korrigieren, empfand ich
sogar als angenehm und nützlich.

Natürlich habe ich mir dann auch andere Artikel auf Paperblog angeschaut. Ich wollte wissen, welche Blogs, welche Themen und
welche Artikel man für die Besten in Deutschland hielt. Ich fand durchaus einiges, was auch in meinen Augen qualitativ
hochwertig war. Dann wählte das Paperblog-Team meinen Artikel über das BGH-Urteil zur Präimplantationsdiagnostik zum
Tagesaufmacher, und man teilte mir mit, dass man meine Postings als Bereicherung empfinde. Ich hingegen fragte an, ob ich
Paperblog mit Hilfe eines Interviews auf Ohrfunk.de vorstellen dürfe. Für die Redaktion kein Problem, ich bekam mein
Interview, das allerdings noch nicht veröffentlicht ist.

Für mich stellte sich Paperblog als Bereicherung dar. Rund 100 Blogs sind angemeldet, sie behandeln eine sehr große Palette
an Themen, Stilrichtungen und Meinungen. Aktuelle Ereignisse sind ebenso vertreten wie Lifestyle. Bei einer Recherche halte
ich Paperblog durchaus für einen guten Ansatzpunkt.

Natürlich stößt Paperblog auch auf Kritik in der Blogosphäre, kein Projekt, das dieses Schicksal nicht teilt. Doch die
Kritik, stellte ich fest, als ich wieder zum Journalisten wurde, hat Hand und Fuß und muss bedacht werden. In drei Artikeln
auf Zivilschein, Kasse4 und Offensichtlich wurden die Hauptkritikpunkte gut zusammengefasst. Paperblog will seine Blogger
nicht bezahlen, obwohl man sich vorbehält, ausgewählte Artikel später auch als Buch herauszugeben. Die Redaktion versichert
jedoch, dass die entsprechenden Blogger, deren Artikel veröffentlicht werden sollen, selbstverständlich gesondert um
Erlaubnis gebeten werden und diese Erlaubnis selbstverständlich verweigern dürfen. Außerdem wurde kritisiert, dass Paperblog
den Inhalt eines Blogartikels verändern darf. Dies gilt aber, widerum nach Auskunft der Paperblogredaktion, ausschließlich
zum Einpassen ins corporate Design der Seite und zur Verbesserung von Rechtschreibfehlern.

Der dritte Kritikpunkt war für mich der Schwerwiegendste. Durch die AGb von Paperblog verpflichtet man sich, unter Umständen
Schadenersatz zu zahlen, wenn man als Autor Paperblog verlässt, also seine Veröffentlichungszustimmung zurückzieht. Man
bekomme also kein Geld, müsse sich an seinen Artikeln herumpfuschen lassen und dürfe bei einer Beendigung der Zusammenarbeit
noch Schadenersatz zahlen, wird die Kritik zusammengefasst. Gedacht ist der Passus in den AGB’s von Paperblog aber für einen
anderen Fall. Nach Auskunft des Unternehmens geht es darum, dass jemand einer Printveröffentlichung seines Artikels zunächst
zustimmt, diese Zustimmung aber nach der Veröffentlichung zurücknimmt. Nur in einem solchen Falle könne Paperblog überhaupt
ein Schaden entstehen, den man dann dem Blogger in Rechnung stellen könne, bei der Onlineveröffentlichung wäre dies nicht
möglich. Eine einfache Mail genüge, und das Blog werde selbstverständlich aus dem Verzeichnis entfernt.

Noch hat Paperblog in Deutschland relativ wenige Leser, und der Bekanntheitsgrad des Portals hält sich noch in Grenzen. Auch
im Ursprungsland Frankreich hat man das Projekt wohl anfangs kritisch betrachtet, in Spanien und Italien sei die Begeisterung
größer gewesen. Inzwischen hat sich das Portal aber in allen drei Ländern etabliert. Ich selbst finde die Idee wirklich gut,
ein redaktionell betreutes Portal mit guten Artikeln aus der Blogosphäre zu füllen, und so auch zu zeigen, dass die oft
verschmähten Blogger auch relevante und journalistisch hochwertige Beiträge liefern können, bei aller ihnen eigenen
Unterschiedlichkeit, die ich für sehr positiv halte. Allerdings ist Paperblog ganz eindeutig nichts für Bloggerinnen und
Blogger, die ihren Lebensunterhalt mit dem Bloggen verdienen wollen oder müssen. Und weil die Einladung zum Portal offenbar
sehr weit verbreitet wurde, ist auch nicht von einer besonders handverlesenen Auswahl der teilnehmenden Autoren auszugehen,
denn viele Blogger meldeten, sie hätten ebenfalls eine Einladung erhalten. Ich glaube, dass Paperblog eine Bereicherung ist,
um sich im Bloggerjungle zurechtfinden zu können.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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14 Antworten zu Paperblog – ein interessantes Blogportal

  1. Jochen Hoff sagt:

    Ich habe auf Duckhome auch ein paar Mails von diesem Verein bekommen. Ich fand das Niveau der Anschreiben schon so schlecht, dass ich auf weiteres verzichtet habe. Da ist nur wieder einer mehr, der mit unseren Texten Geld verdienen will.

    Nein Danke.

  2. Eva sagt:

    Da ich vorwiegend auf Englisch blogge, werde ich wohl in absehbarer Zeit keine Einladung von diesem Dienst erhalten, unabhängig von der Qualität meiner Beiträge. Aber ich finde es schon bedenklich, was sich die Betreiber in ihren AGB herausnehmen.. Schön und gut, wenn sie die Bedingungen aus recht vernünftig klingenden Gründen so gestaltet haben, aber nun stehen sie einmal so da, und eine nachträgliche Uminterpretation ist durchaus möglich, so dass in die Beiträge in Zukunft noch mehr eingegriffen ewerden könnte. da kann inhaltlich so einiges im Nachhinein „angepasst“ werden, und das ist sicher weder im sinne der Blogger noch im Sinne der Leser.

  3. Sehr interessanter Beitrag. Aber wie Du schon schreibst: „… entweder findet man sich damit ab, oder man ändert es…“

    Wenn man es ändern will, dann kann man es ändern, ich hab’s geändert und es funktioniert – ich schreibe immer noch gerne und viel und ich mache erfolgreich Marketing für mein Blog.

    Kommt doch mal bei mir vorbei!

    Herzliche Grüße Jürgen Schnick

  4. Pingback: Einladung zu Paperblog? « Windwellenwörter

  5. rimbao sagt:

    Johanna ist allgegenwärtig…

    ich werde nicht mitmachen

    rimbao

  6. Der Zuendedenker sagt:

    Paperblog kann man schlicht und ergreifend vergessen! Die Einzigen die davon etwas haben sind die Betreiber von Paperblog selbst – und sonst niemand!

    Paperblog „klaut“ (mit Erlaubnis der Urheber) komplette Artikel aus deren blogs und veröffentlicht diese. Dadurch spart man bei Paperblog natürlich Unmengen an Zeit und Aufwand, da man selbst keinerlei Artikel zu verfassen braucht.

    Die blogger die dort mitmachen haben davon hingegen absolut nichts!

    Zwar wird ziemlich versteckt ein link zu der Seite gesetzt, von welcher der Artikel stammt, doch wer sollte Interesse daran haben diesen anzuklicken, wenn Paperblog bereits den kompletten Artikel auf seinen Seiten veröffentlicht hat!?

    Richtig! NIEMAND hat daran Interesse.

    Von daher: Lasst es besser! Die Arbeit die ihr euch macht ist schlicht und ergreifend zu wertvoll um andere unentgeltlich davon profitieren zu lassen, indem ihr ihnen erlaubt, eure Artikel aus eurem blog zu klauen!

  7. stscherer sagt:

    Moin,
    ich blogge seit Ende August 2010. Ich habe keinerlei finanzielle Interessen an den von mir veröffentlichten Artikeln, möchte aber durchaus, dass meine Blogeinträge wahrgenommen werden und dies dann für meine eigene Profession positiv ist.
    Über Paperblog sind in dieser kurzen Zeit meine Artikel 2.200x aufgerufen worden, und mein Blog hat auch schon über 4.700 Zugriffe.
    „Joanna“ ist eine Nette, ich hatte schon ein paar Mal mit ihr (d.h., mit Paperblog) wegen Änderungen an den Artikeln Kontakt, alles unproblematisch.
    Die Hinweis auf die den eigenen Blog finde ich schon auffällig genug.
    Natürlich hat auch Paperblog etwas davon, aber wie heisst es schön: Nehmen und Geben!
    Deinen Blog finde ich übrigens sehr informativ und habe ihn verlinkt.
    Einen schönen ersten Advent!
    stscherer

  8. Jaddar sagt:

    Hallo, danke für deinen ausführlichen Erfahrungsbericht. Ich wurde auch angeschrieben und bin nach kurzem Suchen auf deinen Blog gestoßen. Ich sehe das Ganze aber wie FILMGAFFER: Mein Blog!

  9. Soleil sagt:

    Ich wurde schon mehrmals angeschrieben, weil ich auf andere Mails aus Zeitgründen bisher nicht reagiert habe. Das erste was ich las waren die AGBs und die finde ich erschreckend.
    Es gibt eine ganze Menge solcher Portale, die meisten sind themenmäßig nicht so weit gefasst, aber ähnlich aufgebaut. Ich für meinen Teil finde, dass die Einzigartigkeit und die Individualität eines jeden angemeldeten Bloggers mit der Zeit deutlich nachlässt. Man schreibt nicht mehr für sich, sondern für andere. Bei uns Buchbloggern ist das gut zu beobachten, wenn plötzlich alle das gleiche lesen oder die gleichen Nachrichten weitergeben.
    Die einzigen, die marketingtechnisch etwas von solchen Aktionen haben, sind diese Portale – und ich habe schon ein paar Erfahrungen gemacht.
    Die Kunst am bloggen ist, nicht möglichst viele Besucher zu bekommen, sondern solche, die sich auch zu Wort melden.
    Außerdem lese ich PB gerade, dass Blogger oft einsame Schreiber sind. Wer so etwas behauptet, hat nie selbst gebloggt und kennt sich nicht aus.

  10. Pingback: gruebler bloggt: Das Recht am eigenen Text « gruebelei.de – Ansichten eines Basketballfans

  11. martin sagt:

    es bleibt nach wie vor eine tatsache, dass paperblog keinen nutzen für einen blogger bringt, ihn aber dafür bindet und ihn verpflichtungen eingehen lässt. Für was als Gegenleistung, Johanna?

  12. Pingback: Einladung zu Paperblog? | wort-weise

  13. Pingback: Wie Paperblog Geld mit (euren) Blogs macht – Alicja Laura

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