27 Mitglieder der Linksfraktion des Bundestages werden vom Verfassungsschutz beobachtet, darunter Gregor Gysi und mehrere Politiker, die als Realos gelten. Vielleicht ist diese Nachricht nicht wirklich neu, aber sie wirft einen bezeichnenden Blick auf den Zustand und die Paradoxien deutscher Politik und Verfassungswirklichkeit.
Die Linkspartei ist nicht verboten. Es mag Meinungen geben, ein solches Verbot anzustreben, aber bislang ist allen Politikern klar, dass sich ein solches Verbot auf rechtsstaatlichem Wege nicht durchsetzen lassen kann. Die Linkspartei mag andere Vorstellungen von einem künftigen System haben, das ist ihr gutes Recht. Sie muss lediglich das jetzige System anerkennen und mit seinen Mitteln versuchen, es zu verändern, auf legalem, gewaltfreiem Wege. Und sie muss sich dazu bekennen, niemals bestimmte ewige Garantien des Grundgesetzes anzutasten: Die Menschenwürde, die Gewaltenteilung, das Sozialstaatsprinzip, die Demokratie, den Pluralismus, die Republik und den Föderalismus. Das reicht, und die Linkspartei scheint damit keine Schwierigkeiten zu haben. Sie will ein anderes Wirtschaftssystem, und natürlich gilt das vielen Konservativen und nicht wenigen Sozialdemokraten, allen Liberalen und manchen Grünen als Verbrechen. Sie definieren diesen Staat ideologisch ausschließlich über sein Wirtschaftssystem. Deshalb will jeder, der ein anderes Wirtschaftssystem fordert, nach ihrer Ansicht den Staat aus den Angeln heben. Da das rechtlich durch nichts gestützt wird, kann man die Linkspartei nicht verbieten. Aber man kann sie, zumindest noch, durch den Verfassungsschutz beobachten lassen. Auch immune Volksvertreter. Das ist eine Grauzone, die nur schwer zu ertragen ist.
Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, für den Erhalt der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Sorge zu tragen, er soll die Verfassung schützen. Natürlich kann er unter gesetzlich bestimmten Umständen Personen und Organisationen beobachten, die befürchten lassen, dass sie diese Ordnung zerstören wollen. Wenn die Linkspartei aber verfassungswidrige Ziele verfolgen würde, wäre der richtige Weg, sie vor dem Verfassungsgericht verbieten zu lassen. Dafür reicht es aber unter keinen Umständen, die Linkspartei bekennt sich zu dieser derzeitigen Ordnung als jetzigem Entwicklungsstand in diesem Land, den man natürlich langfristig ändern können soll.
Also kann man nur die Frage stellen, ob die Linkspartei verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Verfassungsfeindlich ist ein Begriff, der in keinem Gesetz steht. Er wurde durch das Verfassungsgericht entwickelt, um Bestrebungen auszudrücken, die gegen die Ordnung gerichtet sind, im Geiste, die sich aber mit den Mitteln und auf dem Boden der jetzigen Verfassung vollziehen. Trotzdem dürften die Abgeordneten des Bundestages nur bei begründetem Verdacht beobachtet werden. Alles andere ist undemokratisch und meines Erachtens nach unrecht.
Andererseits: Wir würden ja auch rechte Parteien und Gruppierungen beobachten lassen, zum Beispiel die NPD, und das ist mir weniger Suspekt. Vielleicht, weil die Linke kein Terrorregime errichten will? Vielleicht, weil die Linke tatsächlich für die Rechte und das lebenswürdige Auskommen der vom Kapitalismus enttäuschten massen garantieren will? Weil ihr Anspruch ein humanistischer Anspruch ist?
„Wer einen Systemwechsel in Deutschland fordert, über Wege zum Kommunismus schwadroniert und sich mit Diktatoren solidarisiert, muss sich nicht wundern, wenn er vom Verfassungsschutz beobachtet wird“, sagte eine CDU-Größe. In der Tat ist die Solidarisierung mit dem syrischen Machthaber Assat nicht nur unglücklich, sondern fast schon kriminell. Und es ist nicht der einzige Fettnapf, in den die Linken getreten sind. Trotzdem ist es ein Unding, demokratisch gewählte und gesetzes- und verfassungstreue Bürger beobachten zu lassen, während derselbe Verfassungsschutz den rechten Terrorgruppen Material und Schützenhilfe liefert.