Restposten – die letzten News rund um die Thronbesteigung in den Niederlanden

Am 30. April 2013 tritt die niederländische Königin Beatrix ab. Ihr Sohn, Kronprinz Willem-Alexander, wird ihr Nachfolger. Aus diesem Anlass berichtet das Wa(H)renhaus in diesen Tagen über dieses Ereignis, über Sinn und Widersinn der Monarchie in der modernen Zeit, über Bundespräsidenten und Parlamentseide, aber auch über Stars, Sternchen, Lieder, Kleider und Lobeshymnen. Vor allem aber über die Niederlande.

Noch genau zwei Tage, dann unterzeichnet Königin Beatrix der Niederlande ihre Abdankungsurkunde und legt damit ihr Amt nieder. 33 Jahre Geschichte eines Landes finden dann ihr Ende. Vermutlich wird man keine Epoche nach ihr benennen, es wird keine beatricische Zeit geben, ihr eigener Stil bleibt höchstens im Bezug auf ihre Hüte und ihre Frisur erhalten. Man hat sie die „Geschäftsführerin des Konzerns Niederlande“ genannt, und viele glauben, dass da was dran ist. Jedenfalls sorgt sie bis zuletzt für Kontroversen und Gesprächsstoff. Gerade beschwerte sich die jüdische Gemeinde des Landes. Am 14. September wird es ein Dankesfest zu Ehren von Beatrix geben, an dem es viele künstlerische und gesellschaftliche Aktivitäten gibt. Leider fällt dieses Datum mit dem höchsten jüdischen Feiertage, dem Jom Kippur zusammen. Es ist ein Fastentag, an dem gesellschaftliche Aktivitäten praktisch zum Erliegen kommen, und viele, auch nichtreligiöse Juden halten sich an die Vorschriften. Darum sind sie erbost, dass der Dankestag, den sie natürlich ebenfalls begehen wollen, auf diesen Feiertag ihrer Religion fällt. Der königliche Palast und die Regierung entschuldigen sich, ihnen war das Problem offenbar bewusst, sie sahen aber keinen anderen Ausweg: Nur an diesem Tag konnten sie das große Festgelände Ahoy in Rotterdam buchen, sonst wäre es zu spät im Jahr gewesen für Aktivitäten im Freien, heißt es.

Nicht nur die Juden wenden sich in diesen letzten Tagen noch einmal an die Königin. Flüchtlinge, die in Amsterdam und Rotterdam in mehreren Kirchen untergekommen sind, bitten Beatrix, sich noch einmal ihrer anzunehmen und bei der Regierung ein gutes Wort für sie einzulegen oder noch einmal öffentlich etwas zu ihrer Situation zu sagen. Diese Menschen kämpfen teilweise seit Jahren darum, in den Niederlanden bleiben zu dürfen. Die Königin könnte sich in ihrer letzten Ansprache, die sie morgen abend über Rundfunk und Fernsehen hält, Möglicherweise auch mit diesem Thema befassen.

Das Fernsehen zeigt schon seit Tagen immer wieder Sendungen, die mit der bevorstehenden Thronbesteigung zusammenhängen. Ein Porträt von Beatrix hier, ein Interview mit Willem-Alexander dort, Bilder aus den letzten 33 Jahren hier, eine Gala und ein Konzert dort. In der Schule wurden die Königsspiele durchgeführt, Sport und Spiel für die ganz Kleinen im Land, die man ausführlich über die Thronbesteigung informierte. In manchen Schulen wurde das große Ereignis nach- oder besser vorgespielt. Alle scheinen im Oranjefieber zu sein.

Da wirkt das Bekenntnis des Bürgermeisters von Amsterdam wie ein Missklang. Eberhard van der Laan, Sozialdemokrat, bezeichnet sich als Republikaner und fügt hinzu: „Genau wie 60 oder 70 % aller Niederländer.“ Das ist besonders pikant, weil der Bürgermeister der Hauptstadt bei der Amtseinführung und beim Abschied der bisherigen Königin eine wichtige zeremonielle Rolle spielt und zusätzlich auch die reale Verantwortung für alle Ereignisse während des großen Staatsakts trägt. Doch der Missklang legt sich sofort wieder und zeigt, wie die Niederländer mit ihrem Staatsoberhaupt umgehen, selbst wenn van der Laan recht haben sollte. Denn der Bürgermeister erklärt in einem Interview: „Wir sind alle sehr beeindruckt, wie kooperativ, entgegenkommend und volksnah die Oranier mit der Situation umgehen, unter Anderem deshalb bin ich der dienstwillige Diener der Königin und wohl auch ihres Nachfolgers.“ Im Klartext: Was ist, das ist, und solange sie ihre Aufgabe gut machen, protestiere ich nicht, obwohl ich ein Republikaner bin.

Andere werden schon protestieren. Auf der Nachrichtenplattform Indymedia wurde ein Aufruf zu massenhaften Protestkundgebungen veröffentlicht, die am 30. April stattfinden sollen. An 6 Stellen hat die Stadt Amsterdam Protestkundgebungen am Krönungstag erlaubt, sogar auf der Prachtstraße „De Dam“ in der Nähe des Palastes dürfen Menschen in weißer Kleidung gegen die Monarchie protestieren. Bei der Amtseinführung von Königin Beatrix am 30. April 1980 kam es zu Straßenschlachten zwischen radikalen Hausbesetzern und der Polizei, bei denen es einige Schwerverletzte gab. Die Proteste standen damals unter dem Motto: „geen woning, geen kroning (keine Wohnung, keine Krönung)“. Die Frage ist, ob die Proteste auch diesmal gewalttätig werden könnten. Die Situation ist ganz anders als im Jahre 1980, aber Personen und Gruppen, die gerne mal eine zünftige Randale anstoßen, gibt es auch heute noch.

Und zum Schluss noch etwas Kurioses zum Königslied. Der ganze Aufruhr, den ich in einem meiner letzten Berichte beschrieb, hat interessante Folgen. Es gibt jetzt einen Troonrap, ein Königslied eher satirischer Natur, ein Königslied der surinamischstämmigen Niederländer, ein Karnevallsstück zu Ehren der scheidenden Königin, einen Krönungswalzer und einige weitere Lieder zu diesem Anlass, neben den zwei Popstücken, die extra für die künftige Königin Maxima geschrieben wurden. Der Sender My Radio hat eine eigene
„Königsliedstation“ eingerichtet, einen Internetsender, auf dem ausnahmslos die Königslieder laufen. Und man kann abstimmen, welches einem am besten gefällt. Auch das offizielle Königslied, das so sehr geschmäht wurde und jetzt doch zur Aufführung gelangen wird, ist dabei und hat noch die Chance, die Abstimmung zu gewinnen. Immerhin ist es gestern auf Platz 4 der berühmten niederländischen Top 40 eingestiegen. In den Mega Top 50, der offiziellen Verkaufshitparade des Landes, landete das Königslied sogar sofort auf Platz Nr. 1.

Also dann: Leve de Koning! Es wird nicht einfach, sich umzugewöhnen.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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