Es ist tiefste Nacht. Die Menschen schlafen schon, nur wir beide sitzen noch auf der Holzbank am Seeufer, drei Meter vom Wasser entfernt. Hinter uns liegen rechts und links schicke Einfamilienhäuschen, tagsüber herrscht hier verhaltenes, aber wahrnehmbares Treiben. Jetzt aber ist alles still. Nach vorn weiten sich der Blick, das Gehör und das Herz hin zu dem kleinen See, auf dem Kinder im Sommer mit ihren Schlauchbooten fahren, und in dem sie planschen und schwimmen. Umgeben ist der See an vielen Stellen durch Hochwald. Steht man an seinem Ufer, hat man das Gefühl, in einen riesigen, vom Wald ausgesparten, glitzernden Hohlraum zu schauen oder zu lauschen.
Tagsüber gehören Wald und See den vielen Vogelarten, die hier beheimatet sind. Im Frühling denke ich manchmal, dass auch die Menschen nur Beiwerk sind im göttlichen Vogelkonzert. Ich liebe es, gerade am frühen Morgen vor dem Haus zu sitzen und den Vögeln zu lauschen, viele neue Vogelstimmen zu hören und zu genießen.
Nachts aber, wenn die Vögel im Frühling endgültig verstummt und die Menschen ins Bett gegangen sind, gehört die riesige Halle Wald und See den Fröschen und ihrem Quaken. Warum, so fragen wir uns, während wir Hand in Hand am Seeufer sitzen, hat noch niemand eine Ode an die Frösche und ihren Gesang verfasst? Wie ein mächtiges Gespräch, mal murmelnd, mal diskutierend, mal fröhlich plaudernd, immer aber den riesigen leeren Raum füllend, entfaltet sich das Froschkonzert. Mit Macht steigt jeder einzelne Ton empor und hebt mich mit hinauf auf seiner Reise, und es sind viele und vielfältige Töne.
Meine Liebste und ich hatten eine schwere Zeit. Davon habe ich nicht berichtet, und es ist auch nicht so wichtig. Aber wir haben uns schon Wochen lang auf die herrliche Erhabenheit unseres Froschdomes gefreut. Wenn Gott für mich eine Stimme hätte oder hat, dann liegt sie in diesen Nächten verborgen, in denen wir ganz allein am Seeufer sitzen und den Fröschen lauschen. Schon vor 30 Jahren, als meine Familie hier ein Haus besaß, habe ich nachts die Frösche gehört und ihr Konzert als spannend und beruhigend zugleich empfunden. Alle anderen Geräusche hatten sich verabschiedet, fröhlich und mächtig hatten die Frösche ihre nächtliche Herrschaft angetreten. Doch wenn man direkt am Wasser sitzt, entfaltet der vielstimmige Chor aus Quaken, Rufen, Murmeln und all den anderen Geräuschen erst seine volle Pracht. Für mich stiftet dieses Geräusch frieden, wie der leere Raum und der Wald ein leichtes Echo erzeugen, wie die Luft voll ausgefüllt wird.
Bis vor kurzem haben wir noch da gesessen, mitten in der Nacht, auf einer Bank am See, leise, damit die Menschen im Haus nebenan nicht erwachen. Vor drei Jahren haben wir das erstmals getan und uns eine Portion Frieden und Gelassenheit abgeholt, die wir lange im Alltag nutzen konnten. Jetzt war unser Akku vollkommen leer, und es wurde wieder Zeit für eine Nacht im Froschdom. Romantik, Frieden und Wohlbefinden finden wir dort im Überfluss, wie es so die Art der natur ist, wenn sie ihr Füllhorn über uns ausschüttet.
Nachts um zwei Uhr über menschenleere Wege zu wandern, wo nur ab und an ein Hund bellt, wenn man vorbei geht, ist auch etwas sehr entspannendes. Und während das Froschkonzert immer leiser wird, macht sich das Geschenk der Lebensfreude im Herzen breit und entzündet seine Flamme.
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern einen Ort zum Ausruhen und Kraft Tanken.
Ja, die Frösche haben ihre eigene Magie. Man muss sie nur entdecken.