Service-Beitrag zum Corona-Virus

Den folgenden Beitrag habe ich für den Ohrfunk am 10. März geschrieben, er ist größtenteils noch aktuell.

Dies ist ein Servicebeitrag zum Thema Corona-Virus.

In den letzten Tagen habe ich häufig gehört, dass man an einer Grippe viel einfacher sterben könne als an dem neuen Virus, um das ein so großer Hype gemacht werde. Natürlich schießen gleichzeitig auch die Verschwörungstheorien ins Kraut, die nicht beweisbar sind, die aber von Wissenschaftler*innen weltweit abgelehnt werden. In unserer Gesellschaft sind derzeit nur zwei Reaktionen auf die so plötzlich aufgetretene Krankheit denkbar: Demonstrative Gelassenheit oder Panik. Die einen tätigen Hamsterkäufe, die Anderen machen sich darüber lustig.

Soeben habe ich auf einem niederländischen Liveblog die Maßnahmen gelesen, die die italienische Regierung ab heute für das gesamte Land ergriffen hat:
Ich möchte sie hier übersetzt aus dem Niederländischen zitieren: „1. Reisen ist nur noch aus gesundheitlichen Gründen und wegen dringender, gefährlicher und unaufschiebbarer Arbeitsaufträge erlaubt. Personen, bei denen das coronavirus festgestellt wurde, dürfen ihre Wohnung überhaupt nicht mehr verlassen. Jeder, der Fieber, Husten oder Atemprobleme hat, sollte ebenfalls zu Hause bleiben und keinen Kontakt zu Anderen aufnehmen, einschließlich der Hausärzt*innen.
Arbeitgeber*innen wird dringend angeraten, ihre Mitarbeiter*innen von zu Hause aus arbeiten zu lassen oder in Urlaub zu schicken. Die italienische Regierung hat alle Zusammenkünfte im öffentlichen Raum oder in öffentlich zugänglichen Gebäuden verboten. Dies gilt auch für alle Sportereignisse bis zum höchsten Niveau.
2. Schwimmbäder, Kurorte, Sporthallen, Skipisten und ähnliche Einrichtungen sind geschlossen. Restaurants und Cafés dürfen nur zwischen 6 und 18 Uhr öffnen, um die Menschen zu ermutigen, zu Hause zu bleiben. Außerdem dürfen sie nur öffnen, wenn sie so groß sind, dass Kunden einen minimalen Abstand von 1 Meter voneinander halten können. Alle Museen und Kultureinrichtungen sind geschlossen, das gilt auch für Kinos, Theater, Kasinos und Nachtclubs. Supermärkte dürfen öffnen, müssen aber an Feiertagen und dem Tag davor geschlossen bleiben. Schulen und Universitäten sind und bleiben geschlossen, alle Prüfungen sind abgesagt. Kirchen, Moscheen und andere Gotteshäuser dürfen öffnen, wenn die Gläubigen und Messebesucher*innen mindestens einen Meter Abstand voneinander halten können. Feierlichkeiten wie Hochzeits-, Tauf- und Begräbniszeremonien dürfen derzeit nicht durchgeführt werden. Diese Maßnahmen gelten zunächst bis zum 3. April 2020.“

Täglich werden derzeit mehr als 3000 neue Fälle der Corona-Erkrankung offiziell bestätigt, die Dunkelziffer liegt wohl erheblich höher. Die Todesrate liegt in China bei rund 4 %, in Italien bei rund 5 %, weltweit derzeit offiziell bei 3,52 %. Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass sie letztlich wegen der hohen Dunkelziffer bei den Fallzahlen bei rund 1 % liegen wird. Zum Vergleich: Die Todesrate bei der Grippe beträgt in den normalen Jahren rund 0,1 %. Selbst im günstigsten Fall ist die Corona-krankheit zehnmal tödlicher als die normale Grippe, und die Ansteckungsgefahr ist nicht geringer, auch wenn es am Anfang so ausgesehen hat. Es gibt Schätzungen, nach denen in den nächsten Jahren zwischen 40 und 70 % aller Menschen an dem Coronavirus erkranken könnten. Bei diesem Zahlenmodell könnten in den nächsten Jahren bis zu 32 Millionen Menschen weltweit an diesem Virus sterben, und ich habe jetzt den günstigsten Fall gewählt: Nur 40 % der Bevölkerung erkranken, die Todesrate liegt bei 1 %.

Bei diesen Zahlen verbietet sich ein besserwisserisches Lachen, aber es verbieten sich auch Hamsterkäufe, denn sie nehmen den medizinischen Einrichtungen die dringend benötigte Ausrüstung weg und horten sie bei Menschen, die sie akut gar nicht brauchen. Wir alle, jeder und jede Einzelne von uns, kann etwas tun, was die Situation verbessert. Das Ziel unserer Anstrengungen kann nicht mehr sein, das Virus auszurotten, das geht nicht mehr, zumindest nicht, bis ein wirksamer Impfschutz gefunden ist. Wir müssen jetzt die Kurve verflachen, müssen Zeit gewinnen, damit dieser Impfschutz gefunden werden kann. Bis zu einer solchen Entwicklung werden aber viele Monate vergehen, denn selbst wenn man ein Mittel gefunden hat, das in der Lage ist, Antikörper zu produzieren, ohne die Krankheit auszulösen, muss dieses mögliche Medikament vor einem flächendeckenden Einsatz ausgiebig getestet werden. Das braucht Zeit, wir müssen mit 1,5 bis 2 Jahren rechnen. Das bedeutet aber nicht, dass wir völlig hilflos sind. Ein paar Verhaltenstipps sollten uns helfen, mit ein wenig gesundem Menschenverstand für uns und unsere Nächsten mehr Sicherheit zu erreichen.

1. Niesen Sie in die Armbeuge und waschen Sie sich gründlich mit Seife die Hände. Diese Hinweise hört man derzeit schon überall, und sie sind wirklich sinnvoll. Das Virus wird durch Tröpfchen übertragen, setzt sich aber wahrscheinlich nicht auf unbelebten Flächen wie Haltestangen und Geländern ab, zumindest nicht lange. Somit ist mangelhafte persönliche Hygiene tatsächlich der Hauptübertragungsweg, und hier haben wir selbst viel Einfluss.
2. Verzichten Sie aufs Händeschütteln, so schwer es Ihnen auch fallen mag. 3. Gehen sie nur aus dem Haus, wenn es absolut notwendig ist. Das schließt leider Kulturveranstaltungen oder Sportevents mit ein. 4. Gehen Sie auf keinen Fall zur Arbeit, sobald Sie auch nur leichte Erkältungssymptome verspüren. Ärzte erteilen Ihnen inzwischen bei Anruf eine einwöchige Krankschreibung. Bei trockenem Husten, Fieber oder Atembeschwerden wenden Sie sich telefonisch an die Gesundheitsämter. 5. Treten Sie keine Reisen an, meiden sie so weit wie möglich öffentliche Verkehrsmittel.
6. Da das Virus eine Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen hat, beginnen Sie mit diesen Maßnahmen bereits jetzt, auch wenn Sie keine Symptome verspüren.
7. Informieren Sie sich auf den Seiten des Robert-Koch-Instituts oder des Gesundheitsministeriums über weitere tipps und Maßnahmen.

In China sinken derzeit offiziell die Zahlen der neu erkrankten, und es gibt Stimmen, die behaupten, das Virus sei nun auf dem Rückzug. Das ist aber falsch. In China sinken die Zahlen, weil die chinesische Führung die Provinz, in der die Infektion zuerst aufgetreten ist, vollkommen von der außenwelt abgeschottet hat. Es brauchte einige Tage, bis das gelang, doch inzwischen wird das durchgehalten.

Trotz all dieser Entwicklungen kann man selbst etwas tun, um sich so gut wie möglich zu schützen, und außerdem verläuft die Infektion in 4 von 5 Fällen so mild, dass man in häusliche Quarantäne gehen kann und nicht ins Krankenhaus muss. Doch auch mit nur 20 % der Infizierten, die eine stationäre Behandlung brauchen, werden die Krankenhäuser in den nächsten Monaten sehr viel zu tun haben. Wir alle können sie durch unser verantwortungsvolles Handeln entlasten.

Und zum Schluss ein Rat: Geraten Sie nicht in Panik, sondern bleiben Sie ruhig und überlegt. Eine Mentalität, in der jeder und jede nur an sich selbst denkt, ist fatal und hilft am Ende niemanden. Gerade jetzt ist Mitmenschlichkeit und Solidarität gefragt, gegenüber den
Familienmitgliedern, den Nachbarn und der ganzen Gesellschaft. Wer in panik verfällt, schaltet das rationale Denken aus, das ist sehr schädlich, auch für die Person selbst. Bleiben Sie ruhig und besonnen, informieren Sie sich, helfen Sie sich und Ihren Angehörigen, Freunden und Nachbarn.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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