Es beginnt der sechste Tag, und jetzt sieht es wirklich finster für die Ukraine aus. Derweil befürchten zwei Drittel der Deutschen eine Ausweitung des Krieges auf ganz Europa.
07:45 Uhr: Bevor ich mich anderen Dingen zuwenden muss, will ich doch kurz noch die Nachrichten lesen. Ein 64 Kilometer langer russischer Convoi bewegt sich auf Kiew zu, und aus dem Osten des Landes werden weitere Truppen herangeführt. Jetzt kommt die große, unüberwindliche Menschen- und Materialmasse des riesigen Landes zum Einsatz. Was für tolle Dinge könnte Russland mit diesen Ressourcen für die ganze Welt bewirken, stattdessen nutzen sie sie zum Krieg. Es muss ja ungeheuren Spaß machen, kleine, im Grunde von anfang an wehrlose Gegner zu zerquetschen. Welches Ego wird da aufpoliert? Welches Leid wird da hervorgerufen? Woran weiden sich die Sadisten? Natürlich muss man diese Frage überall auf der Welt stellen, wo Menschen andere Menschen so massiv unterdrücken. Jedenfalls denke ich, dass am Ende all die Lieferungen und die Solidarität nichts nützen. Die Ukraine ist verloren, wie Herfried Münkler schon am ersten Tag des Krieges in der „Zeit“ schrieb.
Den Rest des Tages werde ich mich mit einigen anderen Dingen befassen müssen. Es wird Zeit, die Gedanken einmal für ein paar Stunden loszulassen.
10 Uhr: Nach einer Tasse Kaffee und etwas Arbeit für den Ohrfunk habe ich einen sehr interessanten Beitrag gelesen, der mein eigenes Dilemma in gute Worte fasst. Er stammt von der umstrittenen Historikerin Hedwig Richter, die derzeit an der Universität der Bundeswehr forscht. In der Wochenzeitung „Die Zeit“ schrieb sie unter Anderem: „Unzählige Expertinnen haben vor der Gewalt gewarnt. Vor aller Augen hatte Putin längst den Krieg angefangen, hat sich wie ein Fürst des 18. Jahrhunderts mit der Krim ein Stück Land geraubt. … Analysten haben es eins ums andere Mal gesagt: Diese Gewalt lässt sich nicht mit Worten und Mikrosanktionen stoppen.
Und doch: Es war nicht vorstellbar. Es lag nicht auf der Hand, dass ein Gewaltherrscher über Europa herfällt und alles zerstören will, was uns lieb und heilig ist: Toleranz, Selbstrelativierung, Rücksicht, die Utopie der Gleichheit, den freien Alltag mit Zeitung und Dialektik und liebevollen Kinderbüchern, Begreifen, Freundlichsein, Abwägen – Demokratie. Dass er es wirklich in diesem Ausmaß tun und nicht nur mit der Drohung, es zu tun, kleinere Ziele erreichen würde. … Europa ist ein Kind eines fast achtzigjährigen sehr weitreichenden Friedens. Der ganze Habitus steht dem Krieg entgegen, und das ist ein kostbares Gut, das nun niemand verdammen und verhöhnen sollte. … In dieser Friedenswelt kann endlich über Rassismus geredet werden, über die Zerbrechlichkeit von sexuellen und sonstigen Identitäten. Kriege fanden auf Netflix und bei Starwars statt. Zugleich weist man unermüdlich auf die Konflikte weltweit hin und auf die eigene Schuld, die der Westen in dieser globalisierten Welt an allen Kriegen trägt. Als Lehre aus seiner Gewaltgeschichte hat Europa gezogen: Suchet den Frieden und jagt ihm nach. Und das ist richtig. Gewalt ist der denkbar größte Gegensatz zur Demokratie, die vom Wort lebt, vom Nachdenken, Überzeugen und Nachgeben. In Deutschland war die Friedenslektion drängender als in anderen Ländern. … Die deutsche Armee hatte verloren, und die Verlierer wollten mit dem Krieg nichts mehr zu tun haben. Doch wer so schändlich zwei Weltkriege verloren hat und am Boden liegt, für den ist der Verzicht auf Krieg eine leichte Übung. Die Konsequenz ist ein herausragend distanziertes Verhältnis zur eigenen Landesverteidigung. Die bundesrepublikanische Armee wurde an den Rand gedrängt, und die Wertschätzung des Dienstes an der Waffe wirkte immer etwas ridikül. Die Politik zeigte sich gleichwohl realistisch: Ohne militärische Abschreckung wäre Willy Brandts Annäherung nicht möglich gewesen. Annegret Kramp-Karrenbauer, eine der ganz wenigen in der deutschen Politik mit sicherheitspolitischem Sachverstand, erklärte zuletzt auf Twitter: „Wir haben die Lehre von Schmidt und Kohl vergessen, dass Verhandlungen immer den Vorrang haben, aber man militärisch so stark sein muss, dass Nichtverhandeln für die andere Seite keine Option sein kann.“
Tatsächlich ist die Wehrhaftigkeit der Demokratie die zweite Lehre aus den Weltkriegen – neben dem Frieden. Europa schien diese Lektion weitgehend vergessen zu haben und Deutschland hat sie seit den Achtzigerjahren systematisch verdrängt. Das hat auch damit zu tun, dass diese zweite Lehre moralisch widersprüchlicher und ästhetisch weniger ansprechend ist. … Nach langem Zögern und einem wirklich atemberaubenden und in seiner Schnelligkeit auch Respekt heischenden Lernprozess hat der Bundeskanzler im Parlament nun allerdings eine „Zeitenwende“ angekündigt. Die bittere Einsicht wird durch zwei schmerzliche Entwicklungen bestärkt und unumgänglich. Die kleinere davon ist die Tatsache, dass die USA schon bald wieder von Trump geführt werden kann, dem die Demokratie keine fünfzig Helme wert ist. Europa muss sich selbst verteidigen können, so unrealistisch das noch klingt. Doch noch mehr geht die Einsicht einher mit der ökologischen Transformation. Die Veränderungen und die Zumutungen müssen kommen, damit nicht der Planet und mit ihm jede Menschlichkeit und Demokratie zugrunde gehen. … Und doch sollte jetzt nicht die andere Lehre aus den Weltkriegen in Vergessenheit geraten: Der Frieden ist kostbar – und mit ihm sein Klima der Gendersterne und Schneeflöckchen. Wenn wir diese Friedenswelt vergessen, wenn wir ihre Diskurse dekadent nennen, hätte Putin, der Freiheitsfeind, in vielerlei Hinsicht gewonnen. Es ist nicht ganz einfach, den Friedenswunsch und den Verteidigungswillen in Einklang zu bringen. Und es ist absolut verständlich, dass sich nach vielen Generationen des Friedens die Menschen damit schwertun. Aber es ist notwendig.“
Ich bin nicht mit allem einverstanden, was sie sagt. Zu deutlich klingen mir die Mantren meiner Freunde im Ohr, die gewaltfreie Kommunikation und deeskalation predigen, die davon überzeugt sind, dass die eigene Gewaltlosigkeit auf die Dauer jeden überzeugt. Wenn ich mir doch da noch immer genauso sicher wäre. Es ist ja noch komplizierter. Man muss nicht nur stark genug sein, sich wehren zu können, dem Verhandlungspartner Respekt einzuflößen, sondern man muss auch souverän und kühl und friedlich genug sein, um nicht zu drohen, um während der Verhandlungen tatsächlich gewaltfrei zu sein und seine Stärke nicht in Übervorteilung zu verwandeln. Wenn man aber so gefestigt und souverän ist, nötigt man dann nicht dem Anderen allein schon dadurch genug Respekt ab? Oder wird er, wenn er auf dem Feld der Diplomatie zu verlieren droht, dann doch zur Gewalt greifen?
Falls ich heute Abend Zeit habe, werde ich noch einen anderen Aspekt dieser Frage beleuchten.
18:30 Uhr: Russland bombardiert die Fernsehtürme in der Ukraine. Das Ziel ist es, die ukrainischen Medien durch seine Propagandasender zu ersetzen. Ich habe auf der zu Springer gehörenden amerikanischen Tageszeitung Politico ein Interview über Putin gefunden. Interviewt wurde Fiona Hill, die sowohl in demokratischen, als auch in republikanischen Administrationen gearbeitet hat. Das Interview ist extrem lang, aber ich übersetze mal, was sie zum Einsatz von Nuklearwaffen gesagt hat:
„Reynolds: Und dann ist da noch das nukleare Element. Viele Menschen sind der Meinung, dass es nie zu einem großen Bodenkrieg in Europa oder zu einer direkten Konfrontation zwischen der NATO und Russland kommen wird, weil dies schnell zu einem nuklearen Konflikt eskalieren könnte. Wie nahe sind wir dem gekommen?
Hill: Nun, wir sind genau da. Im Grunde genommen hat Präsident Putin in den letzten Tagen ganz klar gesagt, dass jeder, der sich in der Ukraine einmischt, mit einer Reaktion rechnen muss, die es in seiner Geschichte noch nie gegeben hat“. Und er hat Russlands Atomstreitkräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Er macht also sehr deutlich, dass der Einsatz von Atomwaffen möglich ist. … Reynolds: Glauben Sie wirklich, dass er eine Atomwaffe einsetzen wird?
Hill: Die Sache mit Putin ist die: Wenn er ein Instrument hat, will er es auch einsetzen. Warum sollte man es haben, wenn man es nicht kann? In gewisser Hinsicht hat er bereits eine Atomwaffe eingesetzt. Russische Agenten haben Alexander Litwinenko mit radioaktivem Polonium vergiftet und ihn in eine menschliche schmutzige Bombe verwandelt, und das Polonium wurde in ganz London an jedem Ort, den der arme Mann besuchte, verteilt. Er starb infolgedessen einen schrecklichen Tod.
Die Russen haben bereits ein waffenfähiges Nervengift, Nowitschok, eingesetzt. Sie haben es möglicherweise mehrmals eingesetzt, mit Sicherheit aber zweimal. Einmal in Salisbury, England, wo es auf die Türklinke von Sergei Skripal und seiner Tochter Yulia gestreut wurde, die zwar nicht starben, aber das Nervengift verseuchte die Stadt Salisbury, und jeder, der damit in Berührung kam, erkrankte. Novichok tötete eine britische Staatsbürgerin, Dawn Sturgess, weil die Attentäter es in einer Parfümflasche aufbewahrten, die in eine Spendenbox für wohltätige Zwecke geworfen wurde, wo sie von Sturgess und ihrem Partner gefunden wurde. Die Flasche enthielt genug Nervengift, um mehrere tausend Menschen zu töten. Das zweite Mal war es in der Unterhose von Alexander Navalny.
Wenn also jemand glaubt, dass Putin nicht etwas einsetzen würde, das er hat und das ungewöhnlich und grausam ist, dann sollte er noch einmal nachdenken. Jedes Mal, wenn Sie denken: „Nein, das würde er nicht tun, oder?“ Nun, ja, er würde. Und er möchte natürlich, dass wir das wissen.
Es geht nicht darum, dass wir uns einschüchtern lassen und Angst haben sollen. Das ist genau das, was er will, dass wir es tun. Wir müssen uns auf diese Eventualitäten vorbereiten und herausfinden, was wir tun werden, um sie abzuwenden.“
Dieses Interview bestätigt, was ich in den letzten Tagen auch über Putin gedacht habe. Er ist nicht verrückt, sondern er hält den Rest der Welt für schwach und nutzt es aus.
Wladimir Putin hat etwas gesagt zu seinen Bedingungen.
„Russlands Präsident Wladimir Putin hat seine Bedingungen für eine Beendigung der Invasion in der Ukraine nach Angaben der russischen Regierung bekräftigt. Die Regierung in Kiew müsse die selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk sowie Russlands Souveränität über die Schwarzmeer-Halbinsel Krim anerkennen, teilte die Regierung im Kreml mit. Zudem müsse die Ukraine entmilitarisiert und in einen neutralen Status überführt werden, hieß es in der Mitteilung zu einem Telefonat Putins mit Venezuelas Präsidenten Nicolás Maduro.“
Was heißt denn für ihn ein neutrales, entmilitarisiertes Land? Es wäre doch eben eines, das jedem Zugriff seinerseits ausgeliefert ist. Warum sollte man ihm jetzt noch vertrauen? Glaubt irgendwer, der russische Präsident würde die Ukraine in Ruhe lassen, nachdem er jahrelang von russifizierung geredet hat? Und er tut es noch! In einer Kolumne bei der Taz schreibt eine namentlich nicht genannte Autorin:
„Was weißt du schon vom Krieg, mein Kind? Du bist: In eine Zeit und einen Ort des Friedens hineingeboren, oder mindestens in die Abwesenheit von Krieg. Was für ein unfassbares Glück. … Du hast gehört, dass das unfair ist, du hast das sogar gespürt. Aber dann hast du gelernt, mit den Schultern zu zucken. Betroffen den Kopf zu schütteln und zu sagen: Die Welt ist eben ungerecht. … Du weißt nichts vom Krieg. Und doch siehst du alles. … Du siehst Angst, Mut und Widerstand. Leute, die sehnsüchtig auf die Auferstehung eines Helden warten. Hunderttausende, die für den Frieden auf die Straße gehen.
Und welche, die jetzt ihre Chance sehen, in eine Welt zurückzufallen, die wir mit so vielen Kräften zu überwinden versuchen. … Du weißt: Von deiner Festung aus interessiert nicht jeder Krieg gleich und auch nicht jedes Leben.
Du wünschtest, niemand müsste etwas wissen vom Krieg. Das ist naiv, aber so sollen Wünsche sein. Sie sind schwer zu verteidigen in diesen Zeiten, vor anderen und vor dir selbst. Genau wie diese Gewissheiten: Aus Gewalt wächst kein Frieden, Aufrüstung schafft keine Sicherheit, was nötig ist, ist nicht gleich gut.“
Das sollte es noch einmal verdeutlichen, dass eben nicht jede*r, der/die die Waffenlieferungen und die militärische Hilfe an die Ukraine verteidigt, ein Kriegshetzer ist.
Ich merke schon, dass ich in eine regelrechte Rechtfertigungsschleife komme, weil ich mir selbst nicht vergeben kann, dass ich für starkes, und jetzt in der Not auch militärisches, Auftreten gegen Putin bin. Ich finde es regelrecht erleichternd, dass die NATO heute noch einmal jede militärische Beteiligung am Krieg kategorisch ausgeschlossen hat.
Auf der russischen Seite sieht das ganz anders aus:
„Russische Atom-U-Boote sind zu Manövern in der Barentssee in der Arktis ausgelaufen und in Sibirien übten strategische Raketenstreitkräfte mit mobilen Raketenwerfern. Die russische Nordmeerflotte erklärte, mehrere ihrer Atom-U-Boote probten das Verhalten unter Sturmbedingungen.
Kriegsschiffe, die die russische Halbinsel Kola und deren Marinestützpunkte schützen sollen, würden sich den Manövern anschließen. In der Region Irkutsk im Osten Sibiriens hätten Einheiten Raketenwerfer in Wäldern verteilt, um eine unauffällige Stationierung zu üben, erklärte das Verteidigungsministerium.“ So steht es auf dem Liveblog der Wochenzeitung „Die Zeit“, das von der DPA und dem Redaktionsnetzwerk Deutschland versorgt wird. Russische Truppen sind in einige weitere Städte eingedrungen, das ukrainische Fernsehprogramm ist wohl lahmgelegt, und die russische Armee setzt wohl sogenannte Vakuumbomben ein. Dabei handelt es sich um nach der Genfer Konvention verbotene Kriegswaffen, die Sauerstoff aus der Umgebung verbrennen und fast ein Vakuum erzeugen, das sich dann explosionsartig wieder mit Luft füllt und damit noch größere Zerstörungen als herkömmliche Bomben anrichtet. Wenn ich bedenke, dass bereits mehr als eine halbe Million Menschen auf der Flucht sind, wird mir ganz anders. Und viele halten Tag und Nacht an den Grenzübergängen aus. Und selbst dort wird an der EU-Grenze rassistisch gesiebt: Afrikanische Studenten dürfen nicht nach Europa einreisen. Das ist menschenverachtend.
Gestern vor dem Schlafengehen habe ich einen sehr interessanten Beitrag bei der Taz gefunden. Er besagt, dass es ein sozialwissenschaftliches Theorem gibt, nachdem sich Kooperation zwischen zwei Partnern oder Gegnern in einer schwierigen Situation auf die Dauer für beide mehr lohne, als Konfrontation. Dies war durch die experimentelle Wissenschaft der Spieltheorie 1984 als These aufgestellt und mehrfach untermauert worden. Neuere Forschungen zeigen aber, dass sich eine Auseinandersetzung für den am meisten lohnt, der in Einzelfällen den Erpresser und Aggressor gibt, sich in allen anderen Fällen aber kooperativ verhält. Diese halb kooperativen, halb erpresserischen „Mitspieler“ werden „Extortioner“ genannt. „Übertragen auf die politische Bühne fühlt man sich sofort an einige solcher Extortioner-Vorfälle erinnert: die Besetzung der Krim (Russland bleibt ansonsten friedlich), die Aufkündigung des Klimavertrags durch Trump (die USA erfüllen sonst alle anderen Verpflichtungen), die Aushebelung einer unabhängigen Justiz (Polen und Ungarn arbeiten sonst in der EU normal mit) und, aktuell, Putin führt krieg gegen die Ukraine, liefert aber weiterhin Gas und bleibt für „Diplomatie“ gesprächsbereit. Diese politischen Ereignisse geschehen oft auf Anordnung autokratisch regierender Personen wie Putin, Trump, Orbán, die Extortioner-Strategien anwenden“, schreibt die Taz. Da ist was dran. Die Extortioner in der Politik erwecken den Eindruck, nur auf einem bestimmten Gebiet Forderungen zu stellen, ansonsten aber sehr kooperativ zu sein. Es fällt erheblich schwerer, diesen Leuten die Stirn zu bieten, als wenn sie durch und durch ablehnend eingestellt wären. So erreichen sie mit wenig Widerstand ihre Ziele. Der Taz-Bericht fährt fort: „Die zunächst rein mathematischen oder durch Computer erzeugten Ergebnisse werden in der experimentellen Spieltheorie daraufhin überprüft, wie wirkliche Menschen mit DilemmaÂsituationen umgehen. Experimente sind es, weil die Kooperationsprobleme nun statt durch Computersimulationen von einzelnen Personen oder Gruppen ausgehandelt werden. Mit solchen Experimenten haben die Forscher Manfred Milinski und Christian Hilbe vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön die theoretischen Ergebnisse untermauern können.
Zunächst stellte sich heraus, dass bis zu 40 Prozent der Probanden stabil Extortioner-Strategien anwandten. Das könnte bedeuten, dass man im Alltag mit einem solchen Verhalten rechnen muss. Vielleicht fragen Sie sich einmal selbstkritisch, ob Sie nicht auch mal ganz unkooperativ einen kleinen Vorteil ausgenutzt haben, ohne eine Beziehung zu gefährden?“ Vermutlich haben die Meisten von uns so etwas schon einmal gemacht. Die Frage ist, ob mit diesen Ergebnissen gewaltlose Kommunikation als feststehende Größe unwirksam wird. In dem Beitrag heißt es weiter: „Ein überraschendes Ergebnis war, dass Extortioner häufiger zu Repräsentanten gewählt werden als kooperierende Personen, wenn es um die Vertretung einer Gruppe geht. Das ist bedenklich, weil es bedeutet, dass Personen wie Trump, ErdoÄŸan, Putin oder Orbán nicht etwa nur gewählt werden, weil sie die Medien manipulieren, Fake News verbreiten oder Ähnliches, sondern weil viele Wähler generell dazu neigen, ihren Staat lieber durch solche Extortioner-Personen vertreten zu lassen.“ Das finde ich ein desillusionierendes Ergebnis. Macht das Leute wie Helmut Schmidt, der ja maßgeblich den NATO-Doppelbeschluss entworfen hat und dafür als Friedensfeind gescholten wurde, jetzt doch zu einem friedliebenden Staatsmann? Noch einmal der Taz-Beitrag: „Dieses Ergebnis bedeutet, dass man einen Extortioner nicht mit Kooperation beeinflussen kann, denn auf Kooperationsangebote hört er nicht, weil seine Strategie ihm einfach mehr bringt, was er auch genau weiß. Das Experiment besagt nun zweitens, dass eine solche Strategie von realen Menschen im langfristigen Verlauf erkannt und gestoppt wird. Das kann allerdings nur um den Preis vollkommener Nichtkooperation mit den entsprechenden eigenen Verlusten geschehen.
Umgesetzt auf reale politische Konflikte sind das schlechte Nachrichten. Sie begraben nämlich einen gewaltfreien Pazifismus. Mit Extortionern kooperativ zu verfahren ist sinnlos. Mit ihnen gibt es nur ein Ende mit Schrecken und eigenen Verlusten, oder wir müssen ihre Nötigungen weiterhin ertragen.“ So etwas in der Taz zu lesen ist auch etwas, was man mit dem Begriff Zeitenwende beschreiben könnte. Zum besseren Verständnis rate ich aber dazu, den Beitrag vollständig zu lesen.
Es ist spät geworden, 22 Uhr. Für die Menschen in der Ukraine wird es wieder eine Nacht voll Todesangst und Kriegsschrecken. Für die Menschen an den Grenzen wird es eine kalte Nacht voller Bangigkeit, Krankheit und Unterversorgung, und für die Menschen, die bereits das Land verlassen haben, wird es wieder eine Nacht mit Gedanken an diejenigen, die zurückbleiben mussten im Krieg.
Gute Nacht.