Vielleicht würde ein politischer Generalstreik helfen

In den letzten Tagen schreibe ich oft auf Mastodon kleine Appelle, um dafür zu werben, am 23.02. die noch verbliebenen, halbwegs demokratischen Parteien zu wählen. Da die Demonstrationen kleingeredet werden, fürchte ich, dass viele Menschen gar nicht begreifen, was wirklich auf dem Spiel steht. Darum habe ich mich daran erinnert, dass es ja auch noch den politischen Generalstreik gibt.

Gestern sind wieder in ganz Deutschland hunderttausende auf die Straße gegangen. Das ist großartig, und auch wenn die Medien uns nicht sehen wollen, wir sind ja trotzdem da. In marburg waren es 14000 Menschen, die zweitgrößte Demonstration in der Nachkriegsgeschichte der Stadt. Nur die vor einem Jahr war mit 16000 Teilnehmer*innen noch größer. Aber denkt dran: Die Demos nützen nichts, wenn ihr nicht auch entsprechend wählt!
Die Mächtigen haben noch nie auf Demos gehört, zumindest nicht sofort. Das war bei der Friedensbewegung so, beim Irak- bzw. Golfkrieg, und das wird auch heute so sein. Merz wird nicht zurücktreten, Lindner wird hoffen, in den Bundestag zu kommen. Ohne einen politischen Generalstreik wird es nicht zu schnellen Veränderungen kommen. Vor 105 Jahren hat so ein Generalstreik mal einen rechten Putsch gestoppt, den sogenannten Kapp-Putsch. Damit wurde die Weimarer Republik erst möglich. Denkt daran und wählt!
Es ist schade, dass die Gesellschaft heute nicht mehr zu so einem Generalstreik in der Lage ist. Die Gewerkschaften sind gezähmt, die SPD zu feige, die Linken zu schwach, und die meisten Menschen begreifen die Gefahr nicht, solange keine Panzer durch die Straßen fahren und die Medien berichten, als sei heute ein ganz normaler Tag. Eigentlich müssten sie von der Machtübernahme sprechen, doch sie sprechen von politischen Streitigkeiten und vom Wetter. Und natürlich von Migration.
Machtergreifungen und Machtübernahmen finden heute auf hybride Weise statt. Wer die digitale Infrastruktur beherrscht, beherrscht den Staat. Und wenn man das schon aus der Position der Regierung heraus machen kann, wie jetzt in den USA, ist noch schwerer dagegen zu kämpfen. Wenn Merz Kanzler wird, dann wird er unsere demokratischen Institutionen destabilisieren, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Dagegen kämpfen wir, und zwar mit Allen, die anderen Sinnes sind.
Egal wie die neue Regierung aussehen wird: Sie wird den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit als erstes angreifen. So war es in Polen und auch in Ungarn. Das Verfassungsgericht muss danach dran glauben, und alle staatlichen Zuwendungen für politische, demokratische Institutionen und Bildungseinrichtungen werden gestrichen. Wer sich für Klimaschutz einsetzt, wird schon jetzt als radikaler Linker und Verfassungsfeind behandelt. Ein unmenschlicher und unhaltbarer Zustand.
Die Demonstrationen werden von den Mächtigen so lange als linksextrem und gewaltbereit gebrandmarkt, solange sie hoffen können, die Öffentlichkeit damit gegen die Demonstrant*innen einzunehmen, denn der Deutsche hat vor nichts mehr Angst als vor Linksextremismus, vor Antifa, vor Sozialismus, vor Kapitalismuskritik, vor Menschen, die nicht auf Law and Order stehen. Darum glaube ich inzwischen, dass nur eine echte Konfrontation, ohne Gewalt aber mit Generalstreik, etwas bringen wird.
Gleichzeitig könnte man „denen da oben“ mal zeigen, wie sehr wir von Einwanderung abhängig sind. Wenn bei uns alle Menschen mit Migrationshintergrund an einem Tag die Arbeit niederlegen, gehen in Deutschland alle Lichter aus. Das müssten sie spüren. In Frankreich haben Demonstrationen schon zum Sturz von Regierungen geführt, zum Beispiel zum Rücktritt de Gaules. Wir hier in Deutschland haben Angst vor einer so unordentlichen Veranstaltung. Doch so könnten wir unsere Macht zeigen.
Aber wenn wir schon so was heutzutage nicht mehr auf die Beine stellen können, dann müssen wir wenigstens richtig wählen. Links, Grün, Sozialdemokratisch. Und wir müssen uns in diesen Parteien nach der Wahl Gehör verschaffen, falls sie gemeinsam die Macht erringen können. Wir müssten dort für ein Umdenken sorgen, mit Macht und Masse. Und ohne Gewalt. Das würde ich mir wünschen, und zwar so schnell wie möglich.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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