Mit der Ablehnung des sogenannten Zustrombegrenzungsgesetzes ist nicht alles gut

Überall im Land war gestern die Erleichterung mit Händen zu greifen. Die Menschen freuten sich, dass der Bundestag das Zustrombegrenzungsgesetz abgelehnt hatte. Vielleicht wünschen sich viele, jetzt zur Tagesordnung zurückkehren und die Aufregung der letzten Tage hinter sich lassen zu können. Doch das geht nicht. Warum, das habe ich gerade auf Mastodon kurz zu erklären versucht.

Guten Tag ihr Tröten allerlei Geschlechts: Von heute bis zum Wahltag werde ich versuchen, mich täglich zu Wort zu melden, auch um euch Gründe zu liefern, warum ihr diesmal Taktisch wählen solltet. Auch will ich was zum momentanen Wahlrecht sagen, das ziemlich kompliziert ist. Wir müssen alle für unsere Demokratie kämpfen, auch wenn wir uns mit keiner der großen oder halbgroßen Parteien so richtig anfreunden können. Denn mit der Ablehnung von Merz’s Gesetz ist nicht alles wieder gut.
Denn letztlich ist der Inhalt der Gesetzesvorlage egal. Sie wurde letzten September eingebracht um zu zeigen, dass Merz ein Macher ist und auf den Tisch haut. Typische Oppositionspolitik. Wäre die Ampel nicht gefallen, wäre der Vorschlag einfach abgelehnt worden, wie viele andere Oppositionsvorschläge auch. Das ist normale Praxis. Diese Vorschläge sollen Wähler auf die Seite der Opposition ziehen. Aber durch den Koalitionsbruch wurde alles anders.
Natürlich ist auch der Inhalt skandalös, aber weil Merz gar nicht damit rechnete, dass das Gesetz beschlossen werden könnte, konnte er so richtig auf den Putz hauen ohne befürchten zu müssen, später daran gebunden zu sein. So schrieb er die dauerhafte Aussetzung des Familiennachzugs in die Vorlage, was mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig ist, was der Jurist Friedrich Merz auch genau weiß. Jetzt aber standen AfD, FDP und BSW bereit, das Gesetz mitzutragen. Und da hat er aus Wahltaktischen Gründen ein regelrechtes Verbrechen begangen: Er hat sich von Faschisten zustimmung geholt.
Der Tabubruch ist das Zusammengehen mit Faschisten, der Inhalt des Gesetzes hätte in einem normalen Parlament verhandelt und abgelehnt, oder vor dem Verfassungsgericht teilweise kassiert werden können. So aber hat Merz den Grundkonsens dieser Gesellschaft aufgekündigt, das berühmte „nie wieder!“ Und er hat gestern auch nicht deshalb verloren, weil ihm welche Von der Fahne gegangen wären. Ich bin überzeugt, dass das Taktik war.
Nach dem gelungenen Versuchsbalon am Mittwoch passierten einige Dinge, die Merz nicht recht sein konnten: Menschen gingen auf die Straße, es wurde heftig debattiert, berühmte Menschen, Holocaust-Überlebende gar, gaben ihr Bundesverdienstkreuz zurück. Und die AfD schlug Kapital aus seinem kapitalen Bock. Wollte er sich die Kanzlerschaft sichern, musste er die Wogen glätten. Also hat er sich mit der FDP abgesprochen.
Die FDP gab einige Gegenstimmen, und 12 Unionsabgeordnete blieben der Abstimmung fern. So hat niemand aus der Union gegenihn gestimmt. Ich bin sicher, das haben sie in der langen Pause vereinbart. Das Kalkül ist wohl, dass alle jetzt erleichtert sind und die Proteste wieder abebben, damit er die SPD und die Grünen beschuldigen kann, sich in einer Notlage verweigert zu haben. Die Menschen sollen glauben, das Schlimmste ist überstanden.
Es ist jetzt wichtig, Merz zu zeigen, dass wir nicht dumm sind! Es ist nichts dadurch besser geworden, dass das Gesetz abgelehnt wurde. Die Brandmauer ist weg, er hat sie eingerissen, und er hat sich von Faschisten seine Mehrheit beschaffen lassen. Nicht nur einmal, er hätte es gern auch ein zweites Mal getan. Merz ist die Brandmauer egal, er will Macht. Dabei übersieht er, dass es keiner konservativen Partei gut tut, Mit Faschisten zu paktieren.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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