Den folgenden Kommentar habe ich nach 5 Wochen Abwesenheit für den Ohrfunk geschrieben.
Als ich heute früh wieder begann, Nachrichten zu lesen, stellte ich sehr schnell fest, wie schön es ohne sie war, zumindest ohne die professionelle Beschäftigung mit ihnen. Wo bitte sollte ich anfangen? Welche Absurdität sollte ich zuerst wieder unter die Lupe nehmen, um sie zu kommentieren?
Da ist der Papstbesuch in Deutschland. Sicher ist er nicht historisch genug, um sorgfältig analysiert zu werden. Oder doch? Benedikt XVI. traf Missbrauchsopfer in Erfurt und zeigte sich tief erschüttert, nicht mehr. Kein Gedanke daran, dass und warum es sexuelle Übergriffe der Zölibatären während der letzten Jahrhunderte immer und immer wieder gegeben hat. Außerdem erteilte er der Ökumene eine klare politische Absage. Und zuguterletzt warnte er davor, die Selbstverwirklichung als Lebensziel zu betrachten. Vielmehr sollte die Hingabe und Leidensfähigkeit, wie sie von Maria vorgelebt wurde, ein Vorbild für jeden Gläubigen sein. Dass der Papst außerdem noch zur Erneuerung der katholischen Kirche in Deutschland aufrief, ist angesichts dieser Äußerungen nicht mehr als Spott und Hohn wert. „Seht her“, sagt der 84jährige Stellvertreter Christi auf Erden, „die Großen dieser Welt wollen euch als geduldige, leidensfähige Schafe, und dem steht die Selbstverwirklichung im Weg.“ Die Kirche hat immer die Mächtigen unterstützt und dies als Erbarmen für die Armen getarnt. Für mich ist es eher erbärmlich, zumal sie tausende und abertausende von gutmeinenden Gemeindepfarrern ebenfalls missbraucht und für ihre Zwecke einsetzt. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass der Papst die deutschen Katholiken zur Treue gegenüber Rom auffordert.
Aber halten wir uns nicht mit der Kirche auf, es gibt auch noch andere interessante Themen. Zum Beispiel die Finanzwelt. Wenn ich von Finanzwelt rede, schließe ich die Politik ausdrücklich mit ein, denn die Politik hat ihre Selbstständigkeit inzwischen vollständig verloren. Es gibt jedenfalls Verschwörungstheoretiker und auch ernstzunehmende Wirtschafts- und Finanzexperten, wie den wiener Ökonomen Franz Hörmann, die einen vollständigen Zusammenbruch unseres Finanzsystems noch im Jahre 2011 voraussagen. In Internetforen wenden sich rechts angehauchte Gruppierungen massiv gegen den Euro-Rettungsschirm und die Aufgabe unserer Nationalen Souveränität und Identität. Ich möchte sie so gern mit heiligem Zorn übergießen, aber andererseits scheint an den Voraussagen ebenso etwas dran zu sein wie an der möglichen Verfassungswidrigkeit der jetzt im Bundestag anstehenden Entscheidungen zur Euro-Rettung und zu gesamteuropäischen Strukturen im Finanzbereich. Die Regierungen, nicht die Parlamente, sollen Wirtschaftsinstrumente in die Hand bekommen. Europa steuert immer mehr auf eine Wirtschaftsregierung zu, ein Wort, das im doppelten Sinne zutrifft: Eine Regierung für die Wirtschaft und durch die Wirtschaft, im Gegensatz zur Volksregierung oder Demokratie.
Und wenn man schlussendlich die Außenpolitik betrachtet, bleibt man selbstverständlich an der bevorstehenden Gründung des Staates Palästina hängen. Palästinenserpräsident Abbas hat die UNO gebeten, den Staat Palästina in die Weltorganisation aufzunehmen, ein Schritt, der heftig kritisiert wurde. Da werde Öl ins Feuer des Nahost-Prozesses gegossen, sagen diejenigen, die Israel auch dann die Treue halten, wenn seine Regierung Menschenrechte verletzt. Es sieht auch nicht danach aus, als wollten die USA eine Aufnahme Palästinas in die UNO zulassen. Einer der Hauptkonflikte dieser Welt wird uns wohl auch in den kommenden Jahrzehnten weiter beschäftigen, obwohl ein Ausgleich wirklich dringend erforderlich wäre.
Als ich heute früh wieder begann, Nachrichten zu lesen, stellte ich sehr schnell fest, wie schön es ohne sie war, zumindest ohne die professionelle Beschäftigung mit ihnen. Die Welt ist ein Tollhaus, und je älter ich werde, desto mehr neige ich zu dieser Ansicht. Und manchmal frage ich mich, ob es noch Sinn hat, Weltereignisse zu kommentieren. Nun: Sollte das Finanzsystem vollständig zusammenbrechen, und sollte das Ende des Geldes in nächster Zeit gekommen sein, werde ich mir über solche Fragen wohl keine Gedanken mehr machen müssen.