Tot gesagte leben länger, sagt der Volksmund, und recht hat er. Ein aktuelles Beispiel könnte die FDP sein, um deren frei werdende Sitze im Bundestag sich bereits jetzt, 2 Jahre vor der Wahl, die nachrückenden Piraten reißen. Möglich wäre aber, dass man auch künftig auf die Liberalen zählen muss, auch wenn das kaum einer für möglich hielt.
Seit mehr als einem Jahr befindet sich die FDP in einer schweren Krise. Das Vertrauen der Wähler schwindet, und auch der Wechsel an der Spitze der Partei von Guido Westerwelle zu Philipp Rösler konnte daran nichts ändern. Zu sehr hatten die früher vielseitig freiheitlich ausgerichteten Liberalen auf Lobbypolitik gesetzt, zu wenig hatten sie sich im Bereich Bürgerrechte und Justiz engagiert. Im Internet wurde meist hämisch der Abgesang auf die Partei Westerwelles, Brüderles, Nibels und Röslers angestimmt, und einige Altlinke fügten die Namen Genschers, Lambsdorfs und Möllemanns hinzu. Schade nur, dass damit auch die Partei Gerhart Baums, Burkhard Hirschs und Hildegard Hamm-Brüchers untergehen sollte, und die Partei von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der Bundesjustizministerin, die als einzig verbliebene klassische Liberale bezeichnet wird. Nur ein Wunder, so die Kommentatoren und Feuilletonisten einhellig, könnte die FDP noch retten, und wer glaubt schon an Wunder in diesen aufgeklärten Zeiten? – Sehen Sie? Das Schicksal der Partei, die jahrzehntelang der einen oder der anderen Volkspartei zur Macht verhalf, schien besiegelt.
Und doch scheint es so, als käme genau jetzt das Wunder, rechtzeitig vor den Wahlen im Saarland ende März. Plötzlich heißt es, die Liberalen seien im Aufwind, sie lösten sich aus dem Schatten der Überkanzlerin. Jetzt gehe es wieder aufwärts, sagen dieselben Kommentatoren und Feuilletonisten, die eben noch den Untergang beschworen.
Was ist passiert? – Nun, eigentlich nichts. Die FDP hat weder ihren politischen Stil verändert, noch hat sie Personen ausgetauscht, noch hat sie plötzlich glaubwürdige Rezepte zur Lösung wichtiger Probleme vorzuweisen. Das Einzige, was sich objektiv geändert hat, ist die Tatsache, dass die Medien jetzt behaupten, die Partei sei wieder im Aufwind. Es ist möglich, aber nicht erwiesen, dass Philipp Rösler seiner Kanzlerin einmal widersprochen hat, und zwar in der Frage des Bundespräsidenten. Es wird behauptet, Angela Merkel habe Joachim Gauck um jeden Preis verhindern wollen. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass das Ganze als Wahlkampfhilfe für den Koalitionspartner gedacht war. Als Christian Wulff zurück trat, hieß es nämlich noch, die CDU könne sich Gauck als Nachfolger vorstellen, zwei Tage später war von der vehementen Ablehnung durch Angela Merkel zu hören. Plötzlich stand ein Koalitionskrach im Raum, nachdem sich die FDP öffentlich für Gauck ausgesprochen hatte. Angela Merkel gab nach, und damit hatte sich Philipp Rösler durchgesetzt. Das allein genügte den Medien, um zu behaupten, die FDP gewinne an Selbstbewusstsein und gehe gestärkt aus den Verhandlungen um den nächsten Bundespräsidenten hervor. Das werde sie auch in der Wählergunst wieder nach oben bringen, weissagten die Medien.
Plötzlich feiert sich die FDP selbst, als sei sie schon wieder ganz sicher im kommenden Bundestag. Ohne Anstrengung, ohne einen Vorschlag zu machen, ohne ein öffentliches Statement abzugeben, können sich die Parteispitzen zurücklehnen und genießen, wie sie von den Medien hochgepuscht werden. Meiner Ansicht nach sagt das einiges über die Art und Weise aus, wie in Deutschland, aber auch in anderen Demokratien, der Prozess der politischen Willensbildung erfolgt. Nicht mehr politische Inhalte oder Standortbestimmungen sind entscheidend, sondern ob die Medien behaupten man sei auf dem Auf-, oder auf dem absteigenden Ast.
Wenn man aber hinter die Kulissen schaut, hat sich an der politisch desolaten Lage der Liberalen nichts geändert. Dass der parteichef der Kanzlerin einmal widersprochen hat, bei einer einigermaßen unwichtigen Frage übrigens, einer Frage, die eben nur für das Prestige bedeutend ist, hat mit der politischen Ausrichtung oder den Taten und Ideen der Partei nichts zu tun. Es war reine, inhaltsleere Profilierung. Nun möchte ich nicht behaupten, dass der Chefredakteur der „Bild“-Zeitung den nächsten Kanzler bestimmt, aber die Macht der Medien sollte man auch nicht unterschätzen. Die Macht der Bilder vor allem nicht, die strahlende Spitzenfunktionäre der Liberalen bei einem frenetischen Beifallssturm ihrer Anhänger während des politischen Aschermittwochs zeigen. Seither reißen die Auferstehungsprophezeiungen nicht ab. Allerdings sind es noch knapp anderthalb Jahre bis zur nächsten Wahl, und bis dahin reicht die reine Lobhudelei der schreibenden und knipsenden Zunft vermutlich nicht aus. Da müssen wenigstens ein paar spektakuläre Aussagen und Auftritte her. Nur Mut, liebe FDP, ihr habt gute Chancen. Auch ein Skandal kann euch Wählerstimmen verschaffen. Es ist nämlich nicht so wichtig, was ihr anstellt, es ist vor allem wichtig, dass über euch berichtet wird. Bei Karl Theodor zu Guttenberg haben wir es beobachten können. Nur die Veröffentlichung seiner Doktorarbeit als Guttenberg-Bibel ist uns ersparrt geblieben. Da wird euch doch irgendwas einfallen, um euch im Gespräch zu halten.