Eigentlich habe ich keine Lust, eigentlich dürfte es zu diesem Thema nur wenig zu sagen geben, eigentlich müssten wir uns alle einig sein. Stattdessen grassieren Verrohung, Gewaltbereitschaft und überheblicher Rassismus.
Seit anderthalb Wochen schäumen die sozialen Netzwerke vor Empörung über die Vorkommnisse in der Silvesternacht in Köln. Aus einer aggressiv feiernden Menge heraus haben immer wieder Gruppen von Männern Frauen umringt, von ihrer Gruppe getrennt, umstehende bedroht, die Frauen oft sexuell belästigt und gleichzeitig vielfach ausgeraubt. Die Polizei, unterbesetzt, falsch geführt und selbst teilweise bedroht, konnte die Situation nicht retten, konnte den Platz lange nicht einsehen und nahm die ersten Anzeigen wohl nicht besonders ernst. Nach 12 Tagen konnten erst 31 Täter identifiziert werden, 18 davon haben in Deutschland Asyl beantragt, konnte man an verschiedenen Stellen lesen. Außerdem gibt es Zeugenaussagen, nach denen viele der Täter ein arabisches oder nordafrikanisches Aussehen hatten.
Bis hier hin kann man von Fakten sprechen, alles andere ist sexistischer und rassistischer Shitstorm. Da machen sich konservative Männer auf, unsere bedrohten, deutschen Frauen zu schützen. Dieselben Männer, die dieselben Frauen normalerweise mindestens nicht ernst nehmen, wenn sie laut und deutlich von alltagssexismus in Deutschland sprechen: Am Arbeitsplatz, in der Familie, der Beziehung, im Supermarkt oder im Bus. Es sind die Rassisten, die wegen der reißerischen und unsachlichen
Medienberichterstattung über die Vorfälle in Köln Morgenluft wittern. Wo Medien einen Zusammenhang zwischen der Herkunft der täter, ihrer Religion und Kultur und den taten selbst herstellen, befeuern sie bewusst die rechten Kräfte, die die sexualisierte Gewalt in Köln für ihren Ausländerhass missbrauchen, ohne sich wirklich um die Opfer dieser Gewalt zu kümmern. Auch Medien laden hier erhebliche Schuld auf sich.
Sexualisierte Gewalt gehört bestraft, immer und überall, ausnahmslos!
Ausnahmslos heißt eine Campagne, die in diesen Tagen von engagierten FeministInnen ins Leben gerufen wurde, und die einen Aufruf veröffentlichte, den ich nur unterstützen kann. Endlich hört man eine Stimme der Vernunft, die deutlich macht, dass Gewalt gegen Frauen, vor allem Gewalt mit sexuellen Übergriffen, die mit Sex überhaupt nichts zu tun hat, überall auf der Welt und zu allen Zeiten vorkommt, sie ist kein Phänomen der nordafrikanischen oder arabischen Kulturen allein, sie ist ein weltweites Problem, auch ein deutsches, wenn man sich zum Beispiel Großveranstaltungen wie den Karneval oder das Oktoberfest ansieht. Wenn Frauen das öffentlich sagen, dann bedrohen dieselben Männer, die eben noch auszogen, die bösen Araber und Afrikaner das fürchten zu lehren und die Ehre der deutschen Frau zu erhalten, plötzlich dieselben Frauen mit Mord und Vergewaltigung, weil sie nicht in ihre Hasstiraden gegen Ausländer einstimmen wollen. Die Männer, die jetzt am lautesten gegen die Täter hetzen, sind oft selbst Maskulinisten, die lediglich ihr vermeintliches Eigentumsrecht an den Frauen verteidigen wollen.
Ich bin es so satt, ich kann diesen aufgebrachten, tobenden Mob nicht mehr hören. Da werden Frauen erniedrigt, bestohlen und vergewaltigt, und alles, was den Medien und den Konservativen dazu einfällt ist, den Hass gegen MigrantInnen hochkochen zu lassen. Ich hasse diese Doppelmoral! Stattdessen täten wir hier in Deutschland gut daran, die Schutzlücken im Sexualstrafrecht zu schließen, damit Frauen nicht auch noch dafür bestraft werden, dass sie sich im Moment eines sexuellen Übergriffes nicht juristisch adäquat wehren können. Warum geschieht das nicht? Haben Männer Angst, dass dann mehr Sexualstraftaten angezeigt werden?
Ich rechne damit, dass nach diesem Kommentar wieder Zuschriften kommen, die mir vorwerfen, ich würde die Araber und Nordafrikaner für Gutmenschen halten, die nie eine Straftat begehen würden. Zwar werden diese Trolle das nicht hören oder überlesen, aber ich schreibe es trotzdem noch mal: Sexualisierte Gewalt gehört bestraft, egal von wem sie ausgeübt wird, ausnahmslos. Aber sie gehört im Einzelfall bestraft, und niemand ist allein schon deshalb Täter, weil er einer bestimmten Gruppe angehört.
Und verdammt noch mal: Hört endlich auf über schärfere Gesetze gegen Flüchtlinge und ausländer zu reden, redet endlich über schärfere Gesetze gegen sexualisierte Gewalt! Ach ja: Dies möchte ich vor allem den Männern empfehlen, damit wir irgendwann in einer Gesellschaft leben, in der wir uns gegenseitig schützen und achten. Egal, von wem die Gewalt ausgeht, und egal, an wem sie verübt wird.
Einige Links zur Debatte:
Susannah Winter über die Übergriffe in Köln
Silvester-Mob und Gegen-Mob von Sascha Lobo
Anja Reschke: Knicken wir jetzt ein?
Juliane Leopold: Mir wird übel bei jedem Täter
FAZ: Betatschen ist nicht immer strafbar
Campagne Ausnahmslos – gegen sexualisierte Gewalt
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