Das Team von Caren Miosga hat mir auf meinen Brief geantwortet

Gestern habe ich einen Brief an die Redaktion der Sendung Caren Miosga geschrieben, weil sie nach dieser Woche Alice Weidel in die Talkshow eingeladen hatte unter dem Titel: „Welches Deutschland wollen Sie, Frau Weidel?“ Nach Meinung einiger, die die Sendung gesehen haben, war es wohl auch eine große Katastrophe, doch das kann ich nicht beurteilen. Nun habe ich vom Team der Sendung eine Antwort bekommen.

Die Redaktion schrieb mir:

Sehr geehrter Herr Bertrams,

wir können Ihre Sorgen gut nachvollziehen, insbesondere da es um die Einladung der Co-Vorsitzenden einer in Teilen rechtsextremen Partei geht. Es ist verständlich, dass dieser Schritt Bedenken aufwirft, da die Werte, die unsere freiheitlich demokratische Ordnung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt ausmachen, in den vergangenen Jahren nicht zuletzt durch die AfD unter Druck geraten sind.

Mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl am 23. Februar möchten wir aber zu bedenken geben, dass auch wir als Teil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks den Auftrag haben, die politische Meinungsvielfalt widerzuspiegeln und die Bürgerinnen und Bürger umfassend zu informieren. Diesem Auftrag kommen wir mit der Einladung der Kanzlerkandidatin der in aktuellen Umfragen zweitstärksten Partei nach. Die Einbindung in den politischen Diskurs bietet die Möglichkeit, umstrittene Positionen der AfD-Kandidatin kritisch zu hinterfragen.

Ihre Bedenken sind für uns von großer Bedeutung. Wir nehmen sie ernst, während wir uns gleichzeitig bemühen, eine respektvolle und lebendige politische Debatte zu gestalten.

Mit freundlichen Grüßen

Redaktion Caren Miosga

Wie ich es mir dachte hat die Redaktion die Einladung sowohl mit der Stärke der AfD gerechtfertigt, als auch mit dem Wunsch nach einer lebendigen Debatte, was bedeutet, dass es doch schön wäre, wenn man sich in Talkshows gegenseitig beschimpft,ohne konkrete Ergebnisse zu liefern. Natürlich sind sie auf einige Dinge gar nicht eingegangen: Warum reden sie die Protestbewegung klein, wie steht es mit dem Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung?

Ich habe ihnen noch einmal geantwortet:

Sehr geehrte Damen und Herren,

haben Sie vielen Dank für Ihre Antwort, mit der ich so oder in ähnlicher Form gerechnet habe. Da ich selbst – wenn auch nur in bescheidenem Maße – journalistisch tätig bin, habe ich ja in meinem Brief klar zu erkennen gegeben, dass es mir nicht darum geht, eine Meinung zu unterdrücken oder nicht abzubilden. Ich glaube nur fest daran, dass hier der Journalismus eine Doppelfunktion hat, eben auch die des berühmten Gatekeepers. Ich habe viele Interviews mit Mitgliedern der AfD gesehen, wo Journalistinnen und Journalisten ins Schwimmen gerieten oder den alternativen Fakten nichts entgegenzusetzen hatten, und das ist auch verständlich. Daher fände ich ein anderes Vorgehen angebracht, wenn wir unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung noch retten wollen, einschließlich der Pressefreiheit.

Und leider sind Sie auf den Punkt nicht eingegangen, in dem ich mich und Sie fragte, warum Sie andere gesellschaftliche Gruppen, die ebenfalls hunderttausende bis millionen Menschen umfasst, so sträflich nachlässig behandeln. Selbst in den scheinbar objektiven Nachrichten wird nur von zehntausenden Menschen gesprochen, obwohl allein in Berlin, was dann im nächsten Satz gesagt wird, 160.000 Menschen auf die Straße gegangen sind. Und ich habe den Verdacht, dass das System hat, weil es eben eine gute und keine schlechte Nachricht ist. Wie es so schön im Journalismus heißt: Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten.

Trotzdem möchteich mich respektvoll für Ihre Antwort bedanken. –

mit freundlichen Grüßen

Jens Bertrams

Immerhin: Sie haben mir geantwortet, was keineswegs selbstverständlich ist. Auf Mastodon hörte ich, dass es auf einige Anfragen schlicht keine Antwort mehr gibt. Als ich Teile der Antwort auf Mastodon veröffentlichte, wurde vermutet, dass es sich um eine Standardantwort handelt. – Nicht ganz: Sie ist meiner Ansicht nach schon selbst formuliert, vermutlich weil man auch wusste, dass ich das rausfinden würde. Aber sie hält sich natürlich an die üblichen Generallinien. Lieber öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Was ist aus dir geworden? Warum hast du politische Informationssendungen an gewinnorientierte externe Firmen ausgelagert?

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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